„Ja, die Kiste ist mein Lebenswerk“
Fred Schöner und das Kultur-Rundum-Paket im kleinen Haus auf der grünen Wiese
Direkt neben der bezirklichen Volkshochschule, dem Julius-Goldstein-Park und nahe dem U-Bahnhof Hellersdorf befindet sich in der Heidenauer Straße 10 ein kulturelles Kleinod – die Kiste. Ein kleines Gebäude mit einer farbenfrohen Fassade in Gelb und Grün, das im Inneren erstaunlich viel bietet.
Es gibt eine Bühne, eine Galerie und – das Wichtigste – den Kinosaal. Wobei das Wort „Saal“ vielleicht etwas übertrieben ist, da er gerade mal 76 Stühle hat, die übrigens aus dem Palast der Republik stammen. Aber genau das Familiäre, die gemütliche Stimmung wissen Cineasten zu schätzen. „Viele finden es gut, dass es hier nicht so laut ist wie in großen Kinos“, erzählt Fred Schöner.
Schöner ist der Chef im Haus und organisiert das Kultur-Rundum-Paket in der Kiste seit 1988, die damals noch Jugendklub Heidenauer Straße hieß. In dem Jahr initiierte Schöner mit anderen Filmfans den Filmklub Hellersdorf, der dann in die Kiste zog. Zur Eröffnung spielte Liedermacher Gerhard Gundermann (1955-1998), und in der Anfangszeit zeigte Regisseur Andreas Dresen seine Studentenfilme. Später verfilmte Dresen unter anderem das Leben Gundermanns, er drehte Streifen wie „Halbe Treppe“ oder „Sommer vorm Balkon“.
Aus dem Klub ging 1990 der Verein Steinstatt hervor, der gemeinsam mit der 1997 gegründeten DerArt gGmbH die Kulturstätte betreibt.
Kultur für alle von allen
Die Kiste ist ein Programmkino. Das heißt, es werden anspruchsvolle, oft nicht kommerzielle Filme oder solche, die eher selten zu sehen sind, gezeigt. „Ein bisschen Mainstream haben wir auch, aber eben nicht viel“, sagt Schöner. Sein Anspruch ist: „Kultur für alle und von allen“. Deshalb gibt es mehrere unterschiedliche Kategorien. Einmal im Monat heißt es „Feinste französische Filmkost“. Schöner schätzt die Franzosen sowieso. „Die können soziale Komödien einfach richtig gut.“ „Neues aus deutschen Studios“ ist der zweite Strang, die „Bewegte Leinwand“ der dritte. Dahinter verbirgt sich das Thema „Bildende Kunst“, oftmals gekoppelt mit einer korrespondierenden Ausstellung in der Galerie.
Dann gibt es noch „Musiker im Kinofokus“, aktuell „Bob Marley: One Love“, Familien- und Kinderfilme, oder das Kino für Senioren, freitags um 9.30 Uhr, verbunden mit einem Frühstück. Und wer was verpasst hat, kann sich auf ein Wiedersehen freuen. Filme, die besonders gut gelaufen sind, werden montags nochmals gezeigt.
Nicht alle Filme hat Fred Schöner selbst gesehen, „Ich verlasse mich zum Teil auch auf Kritiken“. Wenn ihm ein Streifen in seiner Aussage wichtig erscheint, nimmt er auch in Kauf, dass er auf wenig Zuschauerinteresse stößt, wie zum Beispiel „Green Border“, eine Geschichte über eine syrische Familie, die von Belarus nach Polen flüchten will und in eine Falle gerät.
Nach Lieblingsfilmen gefragt, sagt Schöner, seine Vorlieben hätten sich im Lauf der Zeit öfter mal geändert. Definitiv auf der Favoritenliste stehe aber „Blutige Erdbeeren“, ein Politdrama aus dem Jahr 1970, das die 1968er-Studentenrevolte an der Columbia University und den Protest gegen den Vietnamkrieg thematisierte.
Seniorenfilm mit Frühstück
Neben Filmen und Ausstellungen laufen mehrmals im Monat Konzerte in der Kiste, meist mit Coverbands. „Unser Publikum besteht zum Großteil aus älteren Jahrgängen, die wollen hören, was sie in ihrer Jugend liebten, damit können wir sie abholen, mit Songs von Sweet oder Led Zeppelin“, sagt Schöner.
Konzerte gibt es von Juni bis September auch auf der Biesdorfer Parkbühne, seit 2005 das größte Projekt von DerArt. Aktuell ist eine „Südstaaten-Sause“ mit Bands, die Hits von ZZ Top und Creedence Clearwater Revival spielen, in Planung. Dort traten in echt schon Melanie, UFO und Albert Hammond auf. Open Air sind natürlich auch Filme zu sehen, parallel zum Kiste-Programm.
„Du hast immer gute Filme!“
Die Kiste mit ihrem ganzen Drumherum ist nicht immer leicht zu managen. Die Organisation wird aufwändiger, finanziell klemmt es auch mal etwas, die wenigen Mitarbeiter sind auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen, die manchmal fehlt. So müssen Schöner und seine rechte Hand René Konopka auch alles selbst im Griff haben – von der Buchhaltung übers Kaffeekochen bis zur Filmvorführung. „Es ist viel Verantwortung, der Verein soll schließlich kein Minus machen“, sagt Schöner. Und trotzdem: „Aber ja, die Kiste ist schon mein Lebenswerk, kann man so sagen.“ Wenn dann die Stammgäste kommen und loben: „Du hast immer gute Filme“, ist die Kiste-Welt wieder in Ordnung.
Auf jeden Fall verfügt das kleine Filmtheater über ein Alleinstellungsmerkmal, das in den beiden großen Kinokomplexen im Bezirk in Helle Mitte und im Eastgate eher nicht zu finden ist: Streifen abseits des Mainstreams, gepaart mit der besonderen Atmosphäre.
Weitere Informationen zum Kino Kiste gibt es im Internet unter https://www.kiste.net/.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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