Eine politische Kampfansage
„Grüne Mitte“ ließ Gomringer-Gedicht an Hausfassade anbringen
Die Wohnungsgenossenschaft „Grüne Mitte“ hat das Gedicht „Avenidas“ von Eugen Gomringer an die Fassade eines ihrer Häuser anbringen lassen. In einem offenen Brief an die Leitung der Alice Salomon Hochschule kritisiert der Vorstand der Genossenschaft scharf, dass die ASH das Gedicht 2018 von der Fassade ihres Gebäudes hat entfernen lassen.
Der offene Brief und das Gedicht sind Kampfansagen an die Politik der Hochschule. Sie sollen zugleich ein kulturpolitisches Zeichen setzen, das stark in den Bezirk hineinwirken soll und möglicherweise darüber hinaus. „Wir stemmen uns damit Entwicklungen entgegen, die wir insgesamt für sehr bedenklich halten“, sagt Andrej Eckhardt, Vorstand der Wohnungsgenossenschaft.
In dem offenen Brief kritisiert Eckhardt die Berliner Politik insgesamt – vor allem ihre Ausrichtung an Minderheitsmeinungen: „In dieser Stadt gibt es die Diktatur der Schreihälse. Politik und Bildung haben Angst vor diesen. Das ist nicht gut und macht Angst.“
Im Fall des Gomringer Gedichts meint er den Allgemeinen Studentenausschuss (AStA) der Alice Salomon Hochschule. Er hatte 2016 das Gedicht in einem offenen Brief als patriarchalisch, von einem männerdominierten Weltbild geprägt, kritisiert und die Entfernung von der Hochschulfassade verlangt. Der Akademische Senat der ASH fasste einen entsprechenden Beschluss, dem die Hochschulleitung nachkam.
Die Entscheidung erregte bundesweit Aufmerksamkeit und wurde vielfach kritisiert. Die Hochschulleitung reagierte auf die Kritik, indem sie einen Diskussionsprozess startete. In dessen Folge wurde die Entfernung des Gomringer-Gedichts mit der Sanierung der Fassade verbunden. Die Arbeiten erfolgten im vergangenen Jahr. Seit Dezember schmückt ein Text der Dichterin Barbara Köhler die Fassade und am Fuß erinnert eine Tafel mit dem Gedicht an die Fassadendebatte.
„Wir wurden im Verlauf der Diskussionen um das Gomringer-Gedicht von Mitgliedern unserer Genossenschaft angesprochen und entschieden uns, dem Gedicht weiterhin einen würdigen Rahmen zu geben“, erläutert Eckhardt. Der Wunsch sei gewesen, das Gedicht an einer der Hausfassaden der Genossenschaft anzubringen, damit es untrennbar mit Hellersdorf verbunden bleibt. Ein Mitglied der Genossenschaft wandte sich schon im März vergangenen Jahres per E-Mail an Eugen Gomringer. Bereits rund zwei Wochen später ging mit einem Begleitschreiben die von Eugen Gomringer unterzeichnete Vereinbarung über die Nutzung des Gedichtes ein. Dem folgten unterschiedliche Absprachen über die Gestaltung des Gedichtes an der Fassade.
Die „Grüne Mitte“ wählte eines ihrer Häuser an der Gothaer/Ecke Kyritzer Straße aus. Durch die Gothaer Straße fahren viele Autos, sodass neben den Anwohnern viele Menschen das Gedicht sehen werden. Außerdem ließ die Genossenschaft den Text mit einer Beleuchtung versehen, sodass die Schrift auch bei Dunkelheit zu lesen ist. Eine Beleuchtung hatte das Gedicht an der ASH-Fassade nicht.
Autor:Harald Ritter aus Marzahn |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.