Taubenschlag als Bestandsregulierung?
Interview mit Imke Wardenburg vom Nabu Berlin, Managerin des Projekts „Artenschutz am Gebäude“
Auf dem Alice-Salomon-Platz soll in einem Pilotprojekt der erste Berliner Taubenschlag mit Gipseiern errichtet werden. Ziel ist es, den Bestand der Stadttauben zu regulieren. Darüber und die Haltung des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin dazu, sprach Berliner Woche-Reporterin Ulrike Martin mit Imke Wardenburg, Managerin des Projekts „Artenschutz am Gebäude“.
Wie steht der Nabu Berlin zum Pilotprojekt Taubenschlag des Senates?
Imke Wardenburg: Der Nabu Landesverband Berlin kennt keine Belege für die Wirksamkeit von Taubenschlägen als Maßnahme zur Regulierung der Stadttaubenpopulation. Ein Großteil der Population der Stadttauben ist normalerweise Nichtbrüter. Der Grund ist die begrenzte Anzahl verfügbarer Brutplätze. In Berlin wird der Anteil der Nichtbrüter auf mindestens 50 Prozent geschätzt. Die Einrichtung eines Taubenschlags und das damit verbundene erweiterte Angebot an Brutplätzen wird daher im Regelfall vor allem denjenigen Tieren zugutekommen, die bisher nicht gebrütet haben; ein Einfluss auf die Bestandsgröße ist dadurch nicht zu erwarten.
Laut der Senatsverwaltung gibt es rund 19000 Tauben in Berlin, in Marzahn-Hellersdorf schätzungsweise 2000. Hat der Nabu andere Zahlen?
Imke Wardenburg: Die Berliner Ornithologische Arbeitsgemeinschaft führte im Winter 2022 eine Erhebung der Straßentaubenpopulation in der Stadt durch. Im Ergebnis wurde der Bestand auf derzeit 17 000 bis 19 000 Individuen geschätzt. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der letzten Zählung aus den Jahren 2009 und 2010 zeigt, dass seither kein wesentlicher Anstieg festzustellen war. Es ist lediglich ein leichter Anstieg der Taubenpopulation von etwa sechs Prozent festgestellt worden, der vermutlich auf die systematische Taubenfütterung durch Privatpersonen zurückzuführen ist.
Der Nabu Berlin erachtet die Schätzung als sehr realistisch und betont daher, dass es in Berlin in der Tat kein Problem mit Stadttauben gibt. Ein Gesamtbestand von 19 000 Individuen in einer Stadt mit etwa vier Millionen Einwohnern ist verhältnismäßig sehr gering.
Stimmt es, dass Tauben Krankheiten übertragen können und wenn ja, welche?
Imke Wardenburg: Tauben weisen nicht mehr Krankheitserreger auf als andere Wildtiere und es geht keine Gefahr von ihnen aus. Die meisten Erreger bei Tauben sind wirtsspezifisch und können daher nicht auf den Menschen übertragen werden. Auch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin kommt zur Einschätzung, dass die von Tauben ausgehende gesundheitliche Gefährdung nicht größer als die durch Zier- und Wildvögel sowie durch Nutz- und Liebhabertiere sei.
Was schlägt der Nabu vor, um die Taubenpopulation zu regulieren?
Imke Wardenburg: Um Konflikte aufgrund eines lokal hohen Taubenbestands zu beheben, sind bauliche Maßnahmen erforderlich. Vor Ort müssen alle potenziellen Brutnischen und Rastplätze verschlossen oder so umgestaltet werden, dass die Tauben dort nicht sitzen können. Fensterbänke oder andere Strukturen, die sich nicht vollständig verschließen lassen, können beispielsweise durch die Installation von Schrägen unzugänglich gemacht werden. Darüber hinaus sollte die Fütterung von Stadttauben strenger reguliert werden, und es ist wichtig, die Bevölkerung umfassend aufzuklären. Futterplätze erhöhen die lokale Population und verschärfen dadurch den Konflikt zwischen Mensch und Stadttauben, da sich diese in der Nähe solcher Futterquellen ständig in größerer Dichte aufhalten.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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