Ärztin von den Nazis in den Freitod getrieben

Gunter Demnig verlegte am 5. Juli 2008 die Stolpersteine für Dr. Ilse Kassel und ihre Tochter Edith vor dem Haus Wachsmuthstraße 9. | Foto: Christian Schindler
  • Gunter Demnig verlegte am 5. Juli 2008 die Stolpersteine für Dr. Ilse Kassel und ihre Tochter Edith vor dem Haus Wachsmuthstraße 9.
  • Foto: Christian Schindler
  • hochgeladen von Christian Schindler

Hermsdorf. Der Schloßplatz zwischen Schloß-, Wachsmuth- und Auguste-Viktoriastraße wird am 28. Dezember um 10.30 Uhr nach der Ärztin und Widerstandskämpferin Dr. Ilse Kassel benannt.

Die Ärztin Dr. Ilse Kassel lebte und praktizierte an der heutigen Wachsmuthstraße 9, wo seit dem 5. Juli 2008 ein Stolperstein an sie erinnert. Die am 9. Juni 1902 als Tochter des Sanitätsrates Dr. Woldemar Kassel in Wittenau geborene Frau hatte nach dem Abitur an der Humboldt-Oberrealschule in Tegel in Berlin und Freiburg Medizin studiert. Nach dem Tod ihres Vaters übernahm sie 1930 dessen Praxis an der Wachsmuthstraße 9. Politisch engagierte sie sich in der SPD.Die nationalsozialistischen Behörden entzogen der Ärztin wegen ihrer jüdischen Abstammung bereits am 1. Juli 1933 die kassenärztliche Zulassung und am 3. Mai 1938 auch die Approbation. Wegen der falschen Anschuldigung wegen Hochverrats saß sie 1935 und 1936 in der Haftanstalt Moabit ein. Nach einer erneuten Verurteilung wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu drei Jahren Zuchthaus gebar sie im Gefängnis am 9. Mai 1937 ihre Tochter Edith. Ihr Auswanderungsantrag nach Palästina, wohin schon ihre Mutter Hedwig und ihr Bruder Theo ausgewandert waren, scheiterte mit dem Kriegsausbruch 1939.

Nach der Entlassung aus dem Zuchthaus arbeitete Dr. Ilse Kassel zunächst als Krankenschwester, dann als Zwangsarbeiterin in der Rüstungsindustrie. Um einer erneuten Verhaftung zuvor zu kommen, tauchte sie im September 1942 mit ihrer Tochter unter. Durch Vermittlung ihrer ehemaligen Patientin Tony Großmann gelangten die beiden auf einen Bauernhof in Alt-Gurkowschbruch / Neumark in der Nähe von Landsberg / Warthe.

Vermutlich durch Verrat kam ihnen die Gestapo auf die Spur. Mutter und Tochter gelang noch die Flucht, allerdings sah die Mutter keinen Ausweg mehr als den Freitod. Sie versuchte, sich gemeinsam mit ihrer Tochter in der Netze umzubringen. Während die Mutter dabei starb, wurde ihre Tochter gerettet, später jedoch in Auschwitz ermordet. Für Ilse Kassel setzte die Polizei das Todesdatum 20. September 1943, 17.30 Uhr fest. Ilse Kassels Helferin Tony Großmann wurde zu zweieinhalb Jahren Konzentrationslager verurteilt. Sie überlebte, und wurde 1993 für ihr selbstloses Handeln mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Die Umbenennung des Schloßplatzes nach dem Opfer der Nationalsozialisten war 2010 in der Bezirksverordneten-Versammlung von Bündnis 90/Die Grünen und SPD beantragt worden.

Christian Schindler / CS
Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 702× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 258.000 Haushalte in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf baut die Telekom Glasfaserleitungen aus.  | Foto: Telekom

Glasfaser-Internet hier im Bezirk
Telekom bietet 258.000 Haushalten einen Anschluss ans Glasfasernetz

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf. Damit können nun insgesamt rund 258.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu...

  • Zehlendorf
  • 20.01.25
  • 1.461× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 3.510× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.