Streit um das Zweckentfremdungsverbot
Der Verein Kinderhilfe soll 40.000 Euro an das Bezirksamt Reinickendorf nachzahlen

Das Barbara-Schulz-Haus des Vereins Kinderhilfe befindet sich in Hermsdorf.  | Foto: Kinderhilfe e.V.
3Bilder
  • Das Barbara-Schulz-Haus des Vereins Kinderhilfe befindet sich in Hermsdorf.
  • Foto: Kinderhilfe e.V.
  • hochgeladen von Thomas Frey

„Der Bezirk Reinickendorf will Spenden zugunsten krebskranker Kinder einziehen“. So titelte der Verein Kinderhilfe eine Pressemitteilung. Was als lokaler Konflikt begann, ist inzwischen ein Streit zwischen dem Bezirk und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung um das Zweckentfremdungsverbotsgesetz.

Ende Januar hat das Reinickendorfer Wohnungsamt den Verein Kinderhilfe zur Nachzahlung von gut 42 000 Euro aufgefordert. Zudem sei ab sofort eine Ausgleichszahlung von monatlich rund 1800 Euro fällig. Dabei geht es um eine Immobilie des Vereins in Alt-Hermsdorf, das „Barbara-Schulz-Haus“. Sie wurde im August 2021 gekauft und nach der 2020 verstorbenen Frau des Vereinsmitbegründers Jürgen Schulz benannt.

Der Kinderhilfe e.V. bildet darin nach eigenen Angaben ehrenamtliche Helfer aus. Zudem diene das Haus als Treffpunkt von Trauergruppen, es fänden Kochkurse für Ernährung mit Krebs, Veranstaltungen von und mit Familien, Weihnachtsfeiern, Halloween oder Grillnachmittage statt. Der Kauf der Immobilie sei mit Spendengeldern finanziert worden. Allerdings handelt es sich bei dem Objekt um ein Einfamilienhaus. Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz (ZwVbG) verbietet die zweckfremde Nutzung von Wohnraum.

Um die Nutzung des Hauses der Kinderhilfe in der Straße Alt-Hermsdorf 38 ist ein Streit zwischen dem Bezirk und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgebrochen. | Foto: Kinderhilfe e.V.
  • Um die Nutzung des Hauses der Kinderhilfe in der Straße Alt-Hermsdorf 38 ist ein Streit zwischen dem Bezirk und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgebrochen.
  • Foto: Kinderhilfe e.V.
  • hochgeladen von Thomas Frey

Aus Sicht des Wohnungsamtes lag mit dem neuen Zweck als soziale Einrichtung eine solche Zweckentfremdung vor. Im Jahr 2022 wurde der Kinderhilfe mitgeteilt, dass ein entsprechendes Verfahren laufe. „Denn – so das Wohnungsamt – eigentlich dürfe das Haus nur ‚privat‘ genutzt werden und nicht für krebskranke Kinder und deren Familien“, erklärte die Kinderhilfe.

Um die soziale Einrichtung erhalten zu können, stellte der Verein einen Antrag auf zweckfremde Nutzung, was vom Bezirksamt auch genehmigt wurde. Zugleich erhob es allerdings die Nachzahlungs- und Ausgleichszahlungsforderung. Eine andere Entscheidung sei nicht möglich gewesen, erklärte das Bezirksamt. Nach dem Streichen eines entsprechenden Passus in der Zweckentfremdungsverbotsverordnung könne es keine Ausnahmen von der Ausgleichsabgabe mehr für soziale Träger geben, es sei denn, es läge ein Härtefall vor. Dies konnte der Bezirk bei einer Prüftung nicht feststellen. Es gelte deshalb „Gleiches Recht für die Kinderhilfe e.V.“

Die Geldforderungen würden den Verein zwar nicht in die Pleite treiben, aber zu Einschränkungen führen, erklärte Kinderhilfe-Geschäftsführer Jannis Wlachojiannis. Angebote, die bisher durch Spenden finanziert wurden, könnten nicht mehr stattfinden, weil die Mittel anderweitig benötigt werden. „Statt uns in unserer wertvollen Arbeit zu unterstützen, versucht das Bezirksamt unsere Spendengelder auf diesem Weg einzuziehen“, hieß es in der Mitteilung des Vereins. Sollte die Forderung nicht rückgängig gemacht werden, „sehen wir uns gezwungen, das Barbara-Schulz-Haus zu schließen und in einen anderen Bezirk zu verlagern.“ Er hoffe aber, dass ein Kompromiss noch möglich sei, mit dem beide Seiten leben könnten, erklärte Jannis Wlachojiannis im Gespräch mit der Berliner Woche. Es gehe auch nicht um Bevorzugung, sondern um eine faire Behandlung. Und Vereine sollten bei einer Zweckentfremdung anders bewertet werden als kommerzielle Nutzer.

Auf diesen Passus in der alten Zweckentfremdungsverbotsverordnung, wies Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) hin und fordert von der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu diesem ehemaligen Ausnahmetatbestand zurückzukehren. Bis November 2018 galt unter Paragraf 4, Absatz 2, Ziffer 2, dass bei Bestehen eines vorrangigen öffentlichen Interesses eine Ausgleichszahlung entfällt. Nach den Ausführungsvorschriften fielen darunter auch soziale Einrichtungen. Die Regelung sei von der damals amtierenden Senatorin Katrin Lompscher (Linke) ersatzlos gestrichen worden. Die alte oder eine vergleichbare Regelung solle wiedereingeführt werden, fordert das Bezirksamt.

Das Haus der Kinderhilfe e.V. in Hermsdorf ist ein Treffpunkt für Familien mit krebs- und schwerstkranken Kindern. | Foto: Kinderhilfe e.V.
  • Das Haus der Kinderhilfe e.V. in Hermsdorf ist ein Treffpunkt für Familien mit krebs- und schwerstkranken Kindern.
  • Foto: Kinderhilfe e.V.
  • hochgeladen von Thomas Frey

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schiebt die Verantwortung allerdings zurück in den Bezirk. Die Aussagen in der Pressemitteilung des Bezirksamtes Reinickendorf seien nicht nachzuvollziehen. „Sie treffen nicht zu“, hieß es auf Nachfrage der Berliner Woche. „Die Ausgleichszahlung kann im Einzelfall vom zuständigen Bezirksamt auf Antrag oder von Amts wegen abgesenkt oder es kann ein Verzicht erklärt werden, insbesondere wenn bei gewerblicher oder freiberuflicher Nutzung die Festsetzung einer Ausgleichszahlung in voller Höhe nachweislich zu einer Existenzgefährdung führen würde.“ Auf dieser Grundlage könne das Bezirksamt „nach pflichtgemäßem Ermessen“ handeln, erklärte die Senatsverwaltung.

Eine mögliche weitere Handhabe biete nach ihrer Ansicht auch noch der Paragraf 3, wo es um eine mögliche Genehmigungsfreiheit für bestimmte Sozialeinrichtungen gehe. „Weder das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz noch die Zweckentfremdungsverbot-Verordnung müssen geändert werden, um eine Entscheidung des Bezirksamts Reinickendorf zugunsten der Kinderhilfe e.V. zu ermöglichen“.

Die Kinderhilfe hat inzwischen gegen das Vorgehen des Bezirksamtes Reinickendorf Widerspruch eingelegt. Dieser werde so lange ruhen, kündigte Emine Demirbüken-Wegner an, „bis eine Antwort vom Senator Gaebler vorliegt.“ Bis der Widerspruch beschieden sei, werde keine Ausgleichszahlung fällig.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 544× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 833× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 811× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.189× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.