Wasserbüffel sollen künftig den Tegeler Fließ "pflegen"
Das Tegeler Fließ gilt als eine der artenreichsten Landschaften in Berlin und Brandenburg. Von insgesamt gut 30 Kilometern Länge schlängelt sich das Gewässer auf 9,9 Kilometern auch durch Berlin - genauer durch Lübars, Hermsdorf und Waidmannslust. In Tegel mündet der Bach in den Tegeler See.
In Berlin ist das Tegeler Fließ als Fauna-Flora-Habitat festgelegt, die höchste Einstufung, die die Europäische Union für ein Naturschutzgebiet vergeben kann. Und damit hat der Bezirk ein Problem: Für die artgerechte Pflege bräuchte er teure Maschinen, die aber nur selten eingesetzt werden könnten. Es geht dabei um komplizierte Pflanzenschnitte, wobei die schweren Maschinen wiederum nicht in den Untergrund versinken dürfen. Sie müssten mit großen Raupen ausgestattet sein.
Auf der Suche nach Alternativen kam das Reinickendorfer Umwelt- und Naturschutzamt schnell auf die tierischen Helfer. Wasserbüffel, die vor allem in Asien leben, waren bis zur letzten großen Eiszeit vor rund 100 000 Jahren auch in Europa heimisch. Sie fressen so gut wie alles, was Gärtner mit viel Aufwand aus dem Fließ entfernen müssten. Die 1000 Kilo schweren Bullen und rund 700 Kilo schweren Kühe bearbeiten zudem den Boden so, dass er nicht erodiert und Lebensraum für Amphibien bleibt. Ihr Kot lockt Insekten an, die wiederum Nahrungsgrundlage für seltene Vögel werden.
Auf mittlerweile zwei gut besuchten Bürgerversammlungen in der Jugendherberge am Hermsdorfer Damm erläuterten Baustadtrat Martin Lambert (CDU) und seine Mitarbeiter die neue Strategie des Amtes am Fließ. Die Tiere sollen auf zwei 19 und 16 Hektar großen Flächen, die vom Egidysteg getrennt werden, "arbeiten". Ein Referenzprojekt gibt es seit 2011 im Nachbarbezirk Spandau. Dort sind Wasserbüffel auf den Tiefwerder Wiesen tätig - mit positiver Wirkung auf die ökologische Entwicklung des Gebietes. Die Tiere kämen im Frühling auf das Fließ, die Wintermonate verbrächten sie auf der Weide eines Landwirtes in Brandenburg.
Sorge bereiten einigen Anwohnern das Bild und die künftige Nutzung des Tegeler Fließes. Wo die an sich friedlichen Tiere weiden, gibt es Zäune - auch einen mit einem elektrischen Draht. Als Freizeitfläche darf das Gelände allerdings schon jetzt nicht genutzt werden. Ausgewiesen als Naturschutzgebiet, haben Menschen außerhalb der Wege nichts zu suchen.
Nützliche Nachbarn
Ein Kommentar von Christian Schindler
Die einen freuen sich auf eine neue Attraktion am Tegeler Fließ, andere fürchten um eine liebgewordene Freizeitfläche. Der Bezirk ist verpflichtet, die Arten-Vielfalt im Tegeler Fließ zu erhalten und zu fördern. Nachlässigkeit hier könnte zu Strafzahlungen an die Europäische Union führen.
Die Pflege mittels Wasserbüffeln ist eine kostengünstige Alternative zum Arbeiten mit teuren und noch dazu selten benutzten Maschinen. Der Nachbarbezirk Spandau zeigt, wie es geht.
Gleichwohl ist es verständlich, wenn der eine oder andere Anwohner beunruhigt ist. Schließlich steht man im Berliner Alltag eher selten einem massiven Wasserbüffel gegenüber. Mehr noch als die an sich ruhigen Tiere fürchten die Anwohner eine Verschandelung des Landschaftsbildes durch Zäune, und nicht zuletzt eine eingeschränkte Nutzung der Flächen. Letztere ist aber schon jetzt illegal. Wenn immer mal wieder Kinder oder unangeleinte Hunde durchs Gestrüpp flitzen, wird das vor allem deswegen nicht geahndet, weil das Ordnungsamt nicht genügend Personal hat. Zäune sichern also einen legalen Zustand, und wenn alles gut läuft, sogar eine kleine Touristen-Attraktion im grünen Bezirk.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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