Ein Vorbild für Inklusion
Mit ihrer Paradiesfabrik GmbH hat Kathrin Hennrich viel erreicht
Die Paradiesfabrik macht ihrem Namen alle Ehre. Wer den Mustergarten in der Südostallee 171 A besucht, taucht ein in ein Meer aus Pflanzen und Blüten. Ab und zu zieht der Duft von frischem Holz von einem großen Stapel herüber. Im Schatten befindet sich ein langer Holztisch mit Elektroanschluss – ideal für Menschen, die in Ruhe am Laptop arbeiten möchten.
Mit der Gründung ihres Unternehmens hat sich Kathrin Hennrich (56) im Jahr 2011 einen Wunsch erfüllt. Die Gärtnerin aus dem Spreewald, deren Heimatdorf wegen des Braunkohleabbaus weggebaggert wurde, wollte schon immer in der Natur arbeiten. 25 Jahre lang war sie für die Baumschule Späth tätig. „Ich wollte dann mein eigenes kleines Paradies schaffen, hatte aber nicht mal eine Schippe, nur ein klappriges Auto und ein bisschen Erspartes“, blickt sie zurück. Ihr Mann, ebenfalls selbstständig, unterstützte sie. Inzwischen ist die Paradiesfabrik enorm gewachsen. Sie plant und legt unter anderem Terrassen, Treppen, Zäune, Carports und Spielplätze an, gestaltet Themengärten und Rasenflächen sowie Dach- und Topfgärten, kümmert sich um die professionelle Pflanzung und Pflege von Gehölzen und Bäumen, restauriert alte Villen und realisiert saisonale Dekoraktion und Floristik. Zu den Kunden gehören Kitas und Wohnungsgenossenschaften. Der Hauptsitz befindet sich am Segelfliegerdamm 64. Vor ein paar Jahren ergriff Kathrin Hennrich die Chance, einen Standort in der Südostallee zu eröffnen. Das Grundstück, worauf sich kaputte Garagen und Handwerkerräume befanden, erwarb sie von der Deutschen Bahn. 20 Mitarbeiter, darunter drei Lehrlinge, beschäftigt sie heute: Floristen, Steinsetzer, Baumschulgärtner, Maschinisten und Sekretärinnen.
Drei Mitarbeiter haben eine körperliche Behinderung. So zählt ein gehörloser Tischler aus Bayern zum Team. Nur für ihn lernt Kathrin Hennrich die Gebärdensprache. „Er wollte zu seiner Freundin nach Berlin ziehen, hat hier aber nirgends einen Job bekommen. Man hat ihm nur Flaschen sortieren im Supermarkt angeboten. Ich war so entsetzt“, erzählt die Chefin. Extra für ihn habe sie deshalb eine Tischlerei in ihrer Paradiesfabrik aufgemacht. Ihre Assistentin, eine Diplom-Kauffrau, leidet dagegen an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und einem Tinnitus. „Sie muss immer Musik hören und braucht ein Büro für sich allein. Deshalb habe ich das Konferenzzimmer ausgeräumt, damit sie dort ihre Ruhe hat.“ Ein anderer Mitarbeiter könne weder lesen noch schreiben und habe zudem einen Herzfehler, sei aber handwerklich sehr begabt. Auf für ihn fand Kathrin Hennrich einen Platz in ihrem Unternehmen.
Dass viele Firmen davor zurückschrecken, Menschen mit Behinderung einzustellen, erklärt sie so: „Die haben Angst, weil sie glauben, mit diesen Menschen nicht umgehen zu können, dass diese zu viel Betreuung benötigen und zu viel Geld kosten, öfter krank werden und man sie nicht mehr loswird. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass sie tolle Arbeit machen und unglaublich viel zurückgeben.“ In der Paradiesfabrik bildet sie außerdem einen jungen Mann aus Guinea und einen Flüchtling aus Afghanistan aus, der sich gerade im zweiten Lehrjahr befindet. „Jeder Einzelne ist eine starke Persönlichkeit, aber manche brauchen auch Hilfe. Glauben Sie mir: Das ist harte Arbeit, aber ich bin dankbar für die kleinen Dinge.“
Ein inklusives Unternehmen aufzubauen, war nicht von langer Hand geplant. Es ergab sich einfach so. „Mein Herz hat entschieden, dass ich was tun muss. Ich wurde auch so erzogen, dass man nicht wegguckt, wenn jemand Hilfe braucht, sondern den Arm ausstreckt.“ Sie sei kein Sozialverein, aber sozial. Ihre Assistentin meldete die Paradiesfabrik ohne ihr Wissen für den Berliner Inklusionspreis 2020 an. Als Kathrin Hennrich den Anruf erhielt, dass sie den Preis in der Kategorie Kleinunternehmen gewonnen hat, war sie völlig überrascht und musste weinen.
Es dürfte ein weiterer Ansporn gewesen sein. Sie bekomme sehr viele Briefe von Eltern, deren Kinder gehörlos oder Autisten sind und die Angst haben, dass diese niemals einen Job oder eine Ausbildung finden. Allen kann Kathrin Hennrich nicht helfen, obwohl sie viele Praktikanten annimmt. Jedoch habe sie inzwischen ein großes Netzwerk. Dadurch könne sie gegebenenfalls an andere Stellen vermitteln. In wenigen Jahren möchte sie die Paradiesfabrik gerne an einen Nachfolger übergeben. Betriebsleiter Friedrich Schönherr soll sie dann weiterführen.
Viermal im Jahr, je einmal im Frühling, Sommer, Herbst und Winter, findet ein Tag des offenen Gartens statt. Weitere Infos gibt es auf paradiesfabrik.de.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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