Ein echtes Unikat des Amateurfußballs
Ronny Rothé hat sich als singender Stadionsprecher einen Namen gemacht
Nur noch wenige Minuten sind es bis zum Anpfiff. Mit knallgrünem Vereinsshirt, Vereinsschal und Vereinsmütze betritt Ronny Rothé den Kunstrasenplatz am Segelfliegerdamm. Gut gelaunt grüßt er die etwa 100 Gäste zum Drittrundenspiel im Berliner Landespokal zwischen den Sportfreunden Johannisthal und Croatia Berlin.
Während die beiden Mannschaften nach dem Aufwärmen noch kurz in der Kabine verschwunden sind, stimmt der 66-Jährige sich und die Anwesenden mit der Vereinshymne schon mal auf die nächsten 90 Minuten ein. „Johannisthal, du bist mein Verein“, singt Ronny Rothé. Wenig später rollt der Ball bei herrlichem Herbstwetter.
Die Zuschauer, die alle den Mann am Mikrofon kennen und zur Begrüßung coronakonform mit der Faust abklatschen, nippen an ihren Bierbechern und lassen sich ihre Bratwurst schmecken. Ein Fußballtag wie gemalt für den einzigen singenden Stadionsprecher Deutschlands, wie Ronny Rothé in den vergangenen Jahren in verschiedenen Medien oft genannt wurde. So genau weiß er selbst nicht, ob es irgendwo im Land noch jemand anderen wie ihn gibt. Zwei Personen hätten sich mal nach seinen Playbacks erkundigt und seinen Stil zu kopieren versucht. An das Original würden sie damit aber nicht heranreichen. Ronny Rothé ist ein Unikat im Berliner Amateurfußball.
Eigentlich komme er aus dem Entertainmentbereich, erzählt der frühere Elektriker. Über viele Jahre hat er neben seinem Beruf eine mobile Diskothek betrieben. Wenn er als Alleinunterhalter gebucht wurde, lud er stets seine Technik ins Auto und fuhr zu den jeweiligen Veranstaltungsorten. Gelegentlich sorgt der Rentner auch heute noch für gute Stimmung auf Privatfeiern. Am liebsten aber ist er auf den Berliner Fußballplätzen unterwegs. Seit etwa 15 Jahren ist er Stadionsprecher der Sportfreunde Johannisthal. Dem Verein ist er seit Langem verbunden. Ein paar Jahre trainierte Rothé dort die F-, E- und D-Jugend. Sein Sohn spielte in den Nachwuchsteams, seine Tochter kümmerte sich als Trainerin um die Minis. Bei Spielen der ersten Herrenmannschaft spielte er zunächst nur ein wenig Musik. Irgendwann machte er dann mal ein Programm wie mit seiner mobilen Disco. Damit kam er so gut an, dass ein Vereinskamerad ihn fragte, ob er nicht als Stadionsprecher anfangen möchte. Bis dato hatten die Sportfreunde keinen.
Ronny Rothé hatte Lust darauf und machte fortan sein Ding. Besonders ist vor allem seine Halbzeitshow, bei der er Schlager und Fußballlieder singt. Manche Stücke sind seiner eigenen Kreativität entsprungen. So witzelt er in den Songs zum Beispiel gern mal über die lange Warteschlange vor dem Bierstand und andere Dinge, die er bei Fußballspielen beobachtet. Als Sprecherkabine, ebenfalls eine Kuriosität, dient ihm eine alte rote Telefonzelle aus London. Der Verein ersteigerte sie bei Ebay, damit er dort seine Technik unterbringen und vor Feuchtigkeit schützen kann. Die dicken Lautsprecherboxen auf dem Ballfangzaun, über die seine Stimme Richtung Spielfeld schallt, stammen ihm zufolge von einem alten Panzerwagen.
Lange Zeit nahm von Ronny Rothé niemand außerhalb Johannisthals wirklich Notiz. Bis die Sportfreunde vor etwa sieben Jahren ein Spiel gegen den Traditionsklub Tennis Borussia Berlin austrugen. Einer der anwesenden Journalisten filmte dabei die Halbzeitshow und stellte das Video dann ins Internet. „Damit wurde ich auf einen Schlag bekannt“, blickt Rothé zurück. Die Aufnahme des singenden Stadionsprechers verbreitete sich rasant. Zahlreiche Medien wie das Fußballfachmagazin „11 Freunde“ meldeten sich. Fernsehteams verabredeten sich mit ihm für Dreharbeiten. Seit ein paar Jahren ist er nun auch Stadionsprecher der VSG Altglienicke. Schätzungsweise um die 50 Spiele pro Jahr kommen da zusammen. Im Mai moderierte er außerdem das Finale des Berliner Landespokals im Mommsenstadion zwischen dem BFC Dynamo und dem Berliner AK.
Spaß bereitet Ronny Rothé der Job auch mit 66 Jahren noch. Inzwischen entscheidet er aber von Saison zu Saison, ob er weitermacht. „Man muss dafür auch ein bisschen bekloppt sein“, erklärt er. Als der Spielbetrieb nach Ausbruch der Pandemie monatelang unterbrochen war, habe er mehrmals übers Aufhören nachgedacht. „Ich hatte schon Bammel und dachte, danach kannst du nicht mehr zurückkommen.“ Es sei auch jetzt noch spürbar, dass sich der Fußball durch Corona total verändert habe. „Die Leute gehen nicht mehr so gern ins Stadion mit all den Regeln. Sie wollen frei sein“, meint Rothé. Das Spiel gegen Croatia Berlin verlieren die Sportfreunde Johannisthal an diesem Tag mit 2:3, doch zumindest wurden die Zuschauer auch diesmal gut unterhalten.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.