Erzieherinnen im Interview
Kita-Notbetreuung in Karlshorst: "Wir arbeiten ohne Maske und Schutz"
LICHTENBERG - ErzieherInnen lächeln jeden Tag für unsere Kinder. Doch im Lockdown sind hinter dem Lachen Menschen am Rande der Erschöpfung und eine Berufsgruppe, die sich Gedanken über Ansteckung und die Zukunft in der Kita machen. Momentaufnahme an einem "normalen" Tag während der Notbetreuung bei einem Kita-Träger in Karlshorst.
Nennen wir sie Amira und Manuela. Die Namen sind nicht ihre echten, weil die Erzieherinnen anonym bleiben möchten. Sei es, um nicht von Eltern missverstanden zu werden oder eventuelle Konsequenzen der Trägeraufsicht zu erfahren. Amira hat ihre Ausbildung zur Erzieherin erfolgreich abgeschlossen; Manuela ist schon Jahrzehnte in ihrem Beruf. Beide Frauen lieben ihre tägliche Arbeit mit den Kindern. Trotzdem hat sich ihr Berufsalltag in der Corona-Krise verändert. Und in die Zukunft blickt man auch mit Sorge. Darüber wollten die engagierten Pädagogen mit mir sprechen. Das Interview wurde so geführt, die Antworten nicht gekürzt (Hinweis: Die Identitäten der Frauen sind dem Autor bekannt, ebenso die Kindertagesstätte wo die Erzieherinnen arbeiten).
Das Interview
Liebe Manuela und liebe Amira, seit wann arbeitet ihr schon als Erzieherinnen und was fasziniert euch an dem Job?
Manuela: Ich arbeite 30 Jahre als Erzieherin. Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, singen, lernen – Kinderlachen ist der schönster Lohn.
Amira: Ich arbeite seit Juli 2019 als Erzieherin. Dieser Beruf fasziniert mich, weil man die Kinder in ihrer Entwicklung begleitet, unterstützt und anregt. Die Kindheit stellt viele Weichen für das weitere Leben und es ist deshalb (mir) sehr wichtig alles dafür zu tun, dass die Kinder sich ihrem Alter entsprechend entwickeln können.
Die Angst wächst, sich irgendwo anzustecken.
Wie hat Corona und die damit verbundenen Auflagen euren Alltag im Beruf verändert?
Amira: Die hygienischen Auflagen sind teilweise schwer umzusetzen, da wir aktuell in unserer Kita unterbesetzt sind und auch keine Gruppen haben, sondern ein offenes Konzept. Wir haben die Gruppen zwar umgesetzt. Aber je mehr Kinder kommen, desto schwieriger ist es den Abstand zu wahren und es sind schnell mehr als 10 Kinder in einem Raum. Die Angst wächst, sich irgendwo anzustecken - auf dem Arbeitsweg oder vor Ort. Mittlerweile werden die Kinder an der Tür abgegeben, was die Kontakte verringert, was wiederum das Ansteckungsrisiko verringert. Aber die Kinder können ja trotzdem mit Corona infiziert sein und/oder es übertragen. Wir sind viel draußen, was wir aber auch vor der Corona-Situation immer waren. Und dadurch, dass wir schon dünn besetzt waren ist es jetzt schwierig, dass immer dieselben ErzieherInnen die selbe Gruppe betreuen. Sobald jemand noch zusätzlich erkrankt, muss die Gruppe von einem/r anderen ErzieherIn unterstützt werden. Im weiteren können wir in den frühen Diensten die Kinder meist noch nicht trennen, da früh für ca. eine Stunde nur ein Erzieher in der Kita ist.
Manuela: Unsere sonst offene Arbeit führte wegen Personalmangel zu kleineren Gruppen. Das sind schwierige Zeiten in der Kita und sorgt für viele Ängste und Sorgen unter dem Personal (Hintergrund: Das Personal fehlt(e) wegen Corona, Quarantäneauflagen oder Krankheit, Anm. d. Autors).
Konkreter nachgefragt: Wie sieht ein ganz "normaler" Tag Notbetreuung in eurer Karlshorster Kita aus?
Amira: Der Ablauf im Offenen Bereich ist so: Es werden alle Kinder an der Tür von den Eltern abgegeben und abgeholt. Es darf aktuell kein Elternteil in die Kita. Im Frühdienst kommen alle Kinder in einem Raum an. Das Frühstück wird bereits getrennt eingenommen. Dann findet der Tag in den festgelegten Gruppen statt. Ab 10 Uhr gehen alle bei gutem Wetter raus in den Garten vom Kindergarten bis zum Mittagessen. Dieses findet auch in den Gruppen statt und wird in der Cafeteria nacheinander eingenommen, so 11:30 Uhr und 12 Uhr. Dann gibt es die Mittagsruhe. Um 14 Uhr gibt es in der Cafeteria nacheinander Vesper in den Gruppen. Ab 15 Uhr gehen wir bei gutem Wetter wieder raus in den Garten. Bis die meisten oder alle Kinder abgeholt sind.
Manuela: Wir haben verkürzte Öffnungszeiten von 7 bis 17 Uhr. Die Kinder werden an der Eingangstür abgegeben. Dann beginnt die Gruppenarbeit mit verschiedenen Angeboten, Essenzeiten für unterschiedliche Gruppen wie Amira bereits sagte.
Wir Pädagogen brauchen mehr Unterstützung und feste Angaben.
Ihr habt einen Brandbrief an die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), worin ErzieherInnen bei den Impfungen priorisiert und kostenlos mit FFP2-Masken versorgt werden sollen, unterstützt. Was möchtet ihr der Politik noch sagen?
Manuela: Warum werden wir nicht geimpft? Wir arbeiten ohne Maske und Schutz!
Amira: Wir brauchen klare Angaben, es sollte nicht an den Kita-Leitungen hängen bleiben zu entscheiden, welches Kind die Notbetreuung in Anspruch nehmen darf und wo keine Notsituation vorliegt. Vor allem brauchen wir auch strikte und strenge Regelungen. Ansonsten verringert sich die Kinderanzahl in der Notbetreuung nicht, sondern wächst eher. Wir können wegen der derzeitigen Lage auch nicht auf 50 Prozent Arbeitszeit runter gehen. Wie können wir anderweitig entlastet werden? Zum Beispiel durch strengere Regelungen oder nur halbtags Betreuung für die Kinder, also Vormittag und Nachmittag. Der Spielraum bei Regelungen ist wichtig, sollte aber nicht zu weit sein, denn dann gibt es viel Verunsicherung und man kommt bei Eltern in Erklärungsnot. Wir Pädagogen, vor allem auch in den Kindergärten, brauchen mehr Unterstützung und feste Angaben.
Was benötigt ihr in eurer Kita, was fehlt euch noch für eine sichere Kinderbetreuung, bezogen auch auf Covid19?
Amira: Vorrangig das, was ich in der Frage davor schon genannt habe und was in dem Brandbrief an Frau Scheeres steht.
Manuela: FFP-Masken, eine Impfung, klare Regelungen für Eltern und Kollegen.
Es ist leiser in den Räumen und mehr Platz zum Spielen.
Ihr seid systemrelevant und macht einen unentbehrlichen Job. Wie geht es den Kindern dabei – merkt ihr, wie die Pandemie die Kleinsten verändert hat?
Manuela: Beim ersten Lockdown war es schwierig. Inzwischen haben sich die Kinder sogar an das Masken tragen gewöhnt. Für sie ist es normal.
Amira: Wir haben bemerkt, dass explizit in unserer Kita die Kinder, die in die Kita kommen, es zum größten Teil genießen, dass weniger Kinder da sind und es somit leiser in den Räumen ist und mehr Platz zum Spielen. Natürlich vermissen die Kinder ihre Freunde, die sie nun weniger oder gar nicht sehen können. Insgesamt gehen die Kinder gut mit der Situation um.
Wie persönlich und privat erlebt jede von euch beiden die Zeit im Lockdown?
Amira: Ich versuche so entspannt wie möglich mit der Situation umzugehen. Trotzdem habe ich Angst Überträger zu sein - egal ob in der Kita oder zu Hause oder einem anderen Kontakt. Denn mit Kindern Abstand einzuhalten, gestaltet sich in einigen Situationen schwierig oder gar unmöglich, wie zum Beispiel trösten und sprechen mit den Kindern. Ich finde es nicht gut, dass sich das ganze so lange zieht und immer dieses Auf und Ab von "Lockdown" zu "alles mit Maske möglich" zu "leichter Lockdown" und dann wieder "Lockdown".
Manuela: Ich habe mich arrangiert, würde mir sogar wünschen, dass die Leute statt zu schimpfen, bessere Vorschläge machen. Corona-Leugner machen mich zornig, weil sie meine Freiheit einschränken.
Der Personalmangel in den Kitas wird nach der Corona-Zeit mit voller Wucht zuschlagen.
Was würdest ihr Eltern als Rat mitgeben, die kleine Kinder zu Hause betreuen müssen?
Manuela: Gelassenheit, feste Zeiten und Strukturen, intensive Spielzeiten, vorlesen. Vielleicht auch aus Alltagsmaterialen Dinge bauen, zum Beispiel aus Pappkartons, Nudeln, Töpfe, Dosen. Und ganz viel frische Luft.
Amira: Kinder im Kindergartenalter eignen sich ihre Umwelt viel durch das Spiel an und zwar das unangeleitete Spiel. Natürlich kann und sollte man Situationen im Spiel, wenn es sich anbietet aufnehmen und ausbauen. Und man kann natürlich auch Situation anregen. Es ist also vollkommen in Ordnung, wenn das Kind nicht jeden Tag ein geplantes großes Angebot bekommt. Die kleinen Dinge im Alltag aufzugreifen und sich dafür Zeit zu nehmen, sind mindestens genauso wichtig und fördernd.
Was möchtet ihr noch loswerden, was soll unbedingt gesagt werden?
Manuela: Der Personalmangel in den Kitas wird nach der Corona-Zeit mit voller Wucht zuschlagen. Die Betreuung und Förderung wird Beaufsichtigung, denn in unserer Kita ist die Anzahl der längerfristig ausgefallenen Kolleginnen – von zwei auf drei Kollegen angestiegen und im letzten Jahr haben noch zwei KollegenInnen die Kita verlassen und eine wurde schwanger. Das bedeutet, dass wir für 6 Leute mitarbeiten, bei einem Personalschlüssen von ca. 14 Leuten bei 85 Kindern. Wie wird das dann werden…?!
Ich danke euch für das offene Gespräch.
Autor:Marcel Adler aus Friedrichshain |
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