Schulen am Limit: Karlshorster Eltern protestieren gegen unzumutbare Zustände an Lernstätten
Autofahrer brauchten an diesem Nachmittag Geduld. Für den Sternmarsch der Karlshorster Schulen hatte die Polizei einen Teil der Treskowallee gesperrt, so bildeten sich lange Staus. An die 1000 Demonstranten machten am 3. Mai ihrem Ärger über die Schulsituation im Ortsteil Luft.
„Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr keine Schulen baut“ lautete die Parole. Dass sie kein leeres Versprechen blieb, dafür sorgten mehrere Hundert Karlshorster Eltern, Kinder und Pädagogen mit Trillerpfeifen, Megaphonen, Pauken und Protestgesängen. Aus der Lew-Tolstoi-Grundschule, der Karlshorster- und der Richard-Wagner-Grundschule, aus dem Hans- und Hilde-Coppi-Gymnasium zogen sie durch die Treskowallee zum Johannes-Fest-Platz, wo der Sternmarsch in einer Kundgebung des Elternnetzwerks Karlshorst mündete.
Die offene Gruppe engagierter Eltern aus dem Ortsteil hatte zur Demo aufgerufen, um nach dem Motto „Unsere Schulen sind am Limit“ nicht nur auf das Dilemma hinzuweisen, sondern auch Abhilfe zu fordern. Von unnötigem Platzmangel, fehlender Kommunikation mit Bezirk und Senat bis hin zum Wohnungsbauboom auf Kosten der Bildung reichten die Vorwürfe, die Sprecher Ulrich Karlsen äußerte. „Die Politiker haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, sagte er. „Karlshorst wächst – aber die Infrastruktur wächst nicht mit.“ Auf zehn Baugrundstücken im Ortsteil seien jüngst Wohnungen entstanden, aber keine Schule. „Das Resultat bekommen wir jeden Tag zu spüren.“
Immer mehr Familien ziehen nach Karlshorst, seit Jahren steigt die Zahl der Einwohner kontinuierlich. 2017 lebten etwas mehr als 27 000 Menschen hier, laut Prognose sollen es 2030 fast 34 000 sein. Die Kapazitäten an Kitas und in Schulen sind dem nicht gewachsen. Alle drei Grundschulen sind überbelegt, die Modularen Ergänzungsbauten (MEB) an zwei Standorten lindern die Not nur bedingt. Turnhallen, Schulmensas und -höfe sind für das Mehr an Schülern nicht gerüstet.
Die Karlshorster Grundschule habe aktuell sechs Klassenzüge, sei aber für drei ausgelegt, sagte Ulrich Karlsen. Über Mittagessen in eiliger Massenabfertigung, schmutzige und zu volle Klassenräume klagten Eltern. Wie marode das Schulgebäude sei, wisse jeder, der schon einmal da war, so Heiner Prötzig vom Coppi-Gymnasium. „Beim zu erwartenden Schüler-Tsunami kann einem Angst und Bange werden. Wir fordern mehr Schulplätze für Karlshorst und ganz Lichtenberg.“
Haupttenor der Kritik respektive Forderungen in Richtung Bezirk und Senat beim Sternmarsch in Karlshorst: Geplante Maßnahmen wie Schulneubauten kämen viel zu spät. Nicht erst in einigen Jahren, sondern umgehend sei Abhilfe vonnöten.
Die Lichtenberger SPD begegnet den Karlshorster Eltern einerseits mit Verständnis, bittet aber um Geduld. So hatte der Kreisverband schon vor der Demo eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der die Kreisvorsitzende und stellvertretende Bürgermeisterin Birgit Monteiro auf die Bemühungen des Senats verweist, den Problemen beizukommen. „Die Schulbauoffensive des rot-rot-grünen Senats zeigt, dass die Politik die Zeichen der Zeit erkannt hat und mit dem Neubau von 57 Schulen in den nächsten zehn Jahren auf dem richtigen Weg ist“, so Monteiro.
Von dieser Entwicklung profitiere auch Karlshorst, wo der Neubau beziehungsweise die Reaktivierung von zwei Grundschulen am Blockdammweg und in der Waldowallee sowie zwei Integrierten Sekundarschulen auf dem Campus der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und in der Waldowallee vorgesehen seien. Diese würden die Schulplatzproblematik in Karlshorst entschärfen und nach Prognosen des Bezirksamtes perspektivisch sogar zu einem Überschuss führen.
Die Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) teilt den Optimismus der SPD nicht. „Bis heute liegen keine verlässlichen Schülerzahlen vor, die als Grundlage für eine solide Planung dienen könnten“, so der Fraktionsvorsitzende Norman Wolf. Die Linken fordern vom Bezirksamt, den Senat stärker in die Pflicht zu nehmen und mehr Schulen in Schnellbauweise zu errichten. „Der aktuelle Bedarf kann nicht mit Gebäuden gedeckt werden, die erst in fünf Jahren fertig sind.“ Bei der Prüfung von neuen Wohnstandorten sei immer auch an den Neubau von Kitas und Schulen zu denken. Die Fraktion weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Mehr Schulen allein genügen nicht, auch das pädagogische Personal muss zur Verfügung stehen.“
Für das Bezirksamt kam die Demo in Karlshorst nicht überraschend. „Die Situation an den Lichtenberger Schulen ist insgesamt schwierig“, sagt Fabian Peter, Referent bei Schulstadtrat Wilfried Nünthel (CDU). „Karlshorst ist besonders betroffen. Missstände zu bemängeln, ist das gute Recht der Eltern.“ Peter verweist aber auf die Maßnahmen, mit denen Bezirk und Senat auf die Lage reagieren würden. Als ein Beispiel nennt er den Anbau für die Lew-Tolstoi-Grundschule im Römerweg, der 2020 bezugsfertig sein soll. Knapp eine Million Euro habe der Bezirk zudem für einen Container ausgegeben, der die Lage in der Zwischenzeit entschärfen soll. Die Behelfsschule soll spätestens im Herbst stehen.
Den Vorwurf mangelnder Kommunikation kann der Referent nicht nachvollziehen. Sowohl im Bezirkselternausschuss (BEA) Schule als auch im Bezirksschulbeirat säßen Vertreter des Karlshorster Netzwerks. Sie würden monatlich über Sachstände informiert. Als Zeichen der Gesprächsbereitschaft haben Stadtrat Nünthel und Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke) aber gleich nach dem Sternmarsch reagiert und das Elternnetzwerk zu einem Treffen ins Rathaus eingeladen. Es soll am 24. Mai stattfinden.
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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