Als ein Luftschiff in Karlshorst startete
Im Dezember 1911 erster Flug über eine längere Distanz nach Gotha / Im April 1912 war Schluss
Wussten Sie, dass von Karlshorst aus früher einmal Luftschiffe starteten?
Wer mehr über die Geschichte erfahren möchte, sollte einmal im Monat an der Lehndorffstraße 32 vorbeikommen. Am Zaun hängt ein Brett und daran befestigt Günter F. Toepfer jeden Monat eine Übersicht mit bedeutsamen Ereignissen. Derzeit ist zu erfahren, dass am 15. Dezember 1911 das Luftschiff SSL II von der Luftschiffhalle Karlshorst/Biesdorf zu seiner längsten Fahrt ins thüringische Gotha aufbrach.
Drehbare Halle
Als sich gleich nach der Wende zum 20. Jahrhundert in Deutschland eine wahre Luftfahrteuphorie entwickelte, ließ sich auch Werner von Siemens‘ Sohn Wilhelm (1855-1919) zu Luftschiffversuchen anregen, informiert Günter F. Toepfer. Diese dienten allerdings ausschließlich militärischen Zwecken. Während Siemens’sche Ingenieure an Entwürfen für ein sogenanntes Prall-Luftschiff arbeiteten, wurde auf einem Grundstück an der Grenze zwischen Biesdorf und Karlshorst mit dem Bau einer Luftschifffahrthalle begonnen.
Man entschied sich für den Bau einer der jeweiligen Windrichtung angepassten Halle, wie sie bereits auf dem Bodensee existierte. Errichtet wurde sie zwischen 1907 und 1909. Sie war die erste drehbare Halle ihrer Art auf dem Festland. Auf acht Unterwagen ließ sich die 135 Meter lange Halle innerhalb einer Stunde um 360 Grad drehen.
Geplante Höhe nie erreicht
Am 23. Januar 1911 stieg das Siemens-Schuckert-Luftschiff SSL I zu seiner ersten Fahrt von Biesdorf nach Karlshorst auf und landete 40 Minuten später wieder vor der Halle. Bis zum Juni unternahm das SSL I dann 28 erfolgreiche Fahrten bis zu einer Höhe von 500 Metern. Die eigentlich geplanten 1500 bis 2000 Meter wurden allerdings nie erreicht. Deshalb baute man mit größerem Volumen das Luftschiff SSL II. Aber auch das erreichte die geplante Höhe nie.
Doch am 15. Dezember 1911 zeigte die SSL II, dass sie zumindest lange Distanzen zurücklegen kann. Sie startete nach Gotha. Damit sollten wohl die Generalstabsvertreter des Heeres von der Leistungsfähigkeit überzeugt werden. „Dennoch fiel das Urteil negativ aus“, berichtet Günter F. Toepfer. „Die komplizierte Steuerungsanlage und die dicke Ballonhülle beeinträchtigten die erhofften Vorteile.“ Am 18. April 1912 erhob sich die SSL II zum letzten Mal über Biesdorf und Karlshost in die Lüfte. Vereinbarungsgemäß musste die Preußische Heeresverwaltung dieses Versuchsschiff samt dazugehörigen Geheimpatenten erwerben – um es danach sofort abzuwracken. Die Ballonhalle stand in Biesdorf, aber nach heutigem Grenzverlauf komplett in Karlshorst, und zwar nördlich der verlängerten Straße Am Heizhaus.
Militärflughafen gebaut
Vom Misserfolg ließen sich die Gemeindeverwaltungen von Friedrichsfelde und Karlshorst übrigens nicht abschrecken. Sie wollten unbedingt Garnisonsstandort werden. 1917 wurde auf dem erweiterten Siemens-Schuckert-Gelände ein Militärflughafen eingerichtet. Davon zeugen vier Hallen, die heute noch zwischen Kleingartenanlage Biesenhorst II und Köpenicker Allee stehen. Im Oktober 1918 begannen Luftübungen und Versuchsflüge. Vier Wochen später kam das Aus. Die Hallen wurden dann privat vermietet.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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