Als die Russen Karlshorst verließen
Im Sommer vor 30 Jahren war der Abzug in vollem Gange

Abzug der russischen Soldaten aus Karlshorst. Auf die Iso-Matte war ihr Besitzer (ganz rechts) besonders stolz. | Foto:  Matthias Christian Toepfer
4Bilder
  • Abzug der russischen Soldaten aus Karlshorst. Auf die Iso-Matte war ihr Besitzer (ganz rechts) besonders stolz.
  • Foto: Matthias Christian Toepfer
  • hochgeladen von Bernd Wähner

Fast ein halbes Jahrhundert gehörten die Sowjetsoldaten zum Straßenbild in Karlshorst. Vor 30 Jahren begann die letzte Phase des Abzugs.

Daran erinnert in diesem Jahr der Karlshorster Günter F. Toepfer auf besondere Weise. An seiner Gartentür an der Lehndorffstraße 32 hängt ein Brett, an dem er jeden Monat eine Übersicht mit Ereignissen aus der Karlshorster Geschichte veröffentlicht, und zwar taggenau. Weil im Januar stets nicht allzu viel passierte, gibt es jetzt einen Überblick über 2024 anstehende Jubiläen. So erinnert Toepfer zum Beispiel an den 6. Mai 1854. An diesem Tag vor 170 Jahren fand das erste Pferderennen auf dem Gebiet des heutigen Karlshorst statt. Am 9. Mai 1894, also vor 130 Jahren, eröffnete der Rennbahnhof, der Berliner mit Zügen zur Rennbahn brachte. Heute befindet sich dort das Handelsunternehmen Bio-Company.

Vor 40 Jahren wurden die Plattenbauten der russischen Armee an der Treskowallee abgerissen. | Foto: Matthias Christian Toepfer
  • Vor 40 Jahren wurden die Plattenbauten der russischen Armee an der Treskowallee abgerissen.
  • Foto: Matthias Christian Toepfer
  • hochgeladen von Bernd Wähner

Aber für viele am präsentesten ist sich der Abzug der russischen Soldaten vor 30 Jahren. Die Kaserne war für Karlshorster ein Gelände, zu dem sie keinen Zutritt hatten. Erst 1990 bekamen einige einen Einblick in das Leben hinter den Kasernenmauern. Irene Melzer, die sich in der evangelischen Gemeinde engagiert, hatte nämlich die Idee, die Soldaten zu Weihnachten mit einem kleinen Geschenk zu überraschen. Die Gemeindemitglieder machten mit. Damit ausreichend Geschenke gepackt werden konnten, fragte die Initiatorin beim Standort-Kommandanten nach, mit wie vielen Soldaten man rechnen müsse, erinnert sich Günter F. Toepfer. Zunächst wollte man keine Auskunft geben. Aber als die Initiatorin nicht nachließ erfuhr sie, dass seinerzeit noch 1500 Soldaten in Karlshorst stationiert waren.

Matthias Christian Toepfer fotografierte vor 30 Jahren den Abzug der russischen Soldaten aus Karlshorst. Einige waren stolz, dass sie zumindest eine Iso-Matte aus Deutschland mit in ihre Heimat nehmen konnten. | Foto: Matthias Christian Toepfer
  • Matthias Christian Toepfer fotografierte vor 30 Jahren den Abzug der russischen Soldaten aus Karlshorst. Einige waren stolz, dass sie zumindest eine Iso-Matte aus Deutschland mit in ihre Heimat nehmen konnten.
  • Foto: Matthias Christian Toepfer
  • hochgeladen von Bernd Wähner

„Wir fuhren dann mit einem kleinen Laster mit den Päckchen in den Kasernenhof. Dort standen die Soldaten bereits in Reih und Glied. Sie freuten sich über unser Kommen wie kleine Kinder“, so Toepfer. „Wir durften dann sogar die Kaserne besichtigen, unter anderem einen Schlafsaal, in dem 300 Soldaten schlafen mussten“, berichtet Toepfer.

Am 31. August 1994 fuhr der letzte Truppentransport aus Karlshorst Richtung Russland ab. Es war schon Nacht, als die letzten Soldaten von ihrer Kaserne aus zu Fuß etwa einen Kilometer in Richtung ihres Bahnhofs marschierten und einen dort bereitgestellten Zug bestiegen, berichtet Günter F. Toepfer. „Mein Sohn hatte Wind davon bekommen, fotografierte die Soldaten und sprach mit ihnen. Einer zeigte ihm ganz stolz, was er aus Deutschland in seine Heimat mitnimmt: Das war eine Iso-Matte. Mehr gab es für sie nicht als Erinnerung.“

Die Körpersprache sagt einiges: Ein russischer Offizier läuft an den Plattenbauten vorbei, die noch vor dem kompletten Abzug abgerissen wurden. | Foto: Matthias Christian Toepfer
  • Die Körpersprache sagt einiges: Ein russischer Offizier läuft an den Plattenbauten vorbei, die noch vor dem kompletten Abzug abgerissen wurden.
  • Foto: Matthias Christian Toepfer
  • hochgeladen von Bernd Wähner

Die Offiziere gingen hingegen ganz anders vor. Wenn sie auf einem Grundstück beim Spaziergang einen Pkw entdeckten, der ihnen gefiel, klingelten sie und fragten, ob der Besitzer ihn verkaufen möchte. „Die bezahlten sogar sofort bar“, so Toepfer. Weil sie mit dem deutschen Geld in ihrer Heimat nichts anfangen konnten, wollten sie es in Autos umsetzen. Die Offiziere lebten nicht in der Kaserne, sondern in Häusern über Karlshorst verteilt. Es gab aber auch die Plattenbauten an der Treskowallee, in der russische Familien lebten. „Als die leergezogen waren, wurden sie bereits abgerissen, als immer noch Soldaten in Karlshorst stationiert waren“, berichtet Günter F. Toepfer. „Da gab es einen riesigen Trümmerberg, auf dem ein Bagger stand, der nach und nach die Plattenbauten weiter abtrug.“

Weil sie zur offiziellen Verabschiedung der Alliierten in Berlin nicht eingeladen waren, machten die russischen Soldaten in der Straße An der Wuhlheide am 25. Juni 1994 ihre eigene Abzugsparade, berichtet Günter F. Toepfer. „Da gab es aber nur wenig Publikum.“

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

89 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 406× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 1.110× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 771× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.224× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.117× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.