Stadtspaziergang
Zwischen Museum und „Russenoper“ im Rheinischen Viertel

Nicht bloß in Berlin gibts alles doppelt, dasselbe gilt auch für Karlshorst: Früher stand hier das alte Klubhaus, das abgerissen wurde, es folgte ihm das neue am gleichen Ort, Treskowallee 112 ,welches unerhört lebendig ist und bunt dazu. Künftig soll es sich  mit dem knapp  zweihundertfünfzig Schritte entfernten Theater Karlshorst „der Russenoper“ am Johannes-Fest-Platz ergänzen und wetteifern, wenn dessen streng denkmalsgeschützte Bühne samt Saal erst einmal restauriert sein sollte. | Foto: Bernd S. Meyer
8Bilder
  • Nicht bloß in Berlin gibts alles doppelt, dasselbe gilt auch für Karlshorst: Früher stand hier das alte Klubhaus, das abgerissen wurde, es folgte ihm das neue am gleichen Ort, Treskowallee 112 ,welches unerhört lebendig ist und bunt dazu. Künftig soll es sich mit dem knapp zweihundertfünfzig Schritte entfernten Theater Karlshorst „der Russenoper“ am Johannes-Fest-Platz ergänzen und wetteifern, wenn dessen streng denkmalsgeschützte Bühne samt Saal erst einmal restauriert sein sollte.
  • Foto: Bernd S. Meyer
  • hochgeladen von Bernd S. Meyer

Zu meiner 230. monatlichen Tour lade ich Sie ins Karlshorster Rheinische Viertel ein.  Zu Zeiten  Kaiser Wilhelm II.   sind dort Straßen  nach  Burgen und Orten  am  Mittelrhein benannt worden, in den 1930er-Jahren dann auch nach einigen Orten im Bayerischen Wald.

Gleich am S-Bahnhof die Stolzenfelsstraße.  Von  hier fährt Bus 296  durch die lange Rheinsteinstraße bis zur Haltestelle Museum Karlshorst, Zwieseler Straße 4. Das Gebäude ist vor 80 Jahren zum Ort der Weltgeschichte geworden. Denn hier mussten am  8. bis 9. Mai 1945 die  aus  Flensburg mit amerikanischer Maschine  eingeflogenen  obersten Befehlshaber der Deutschen Wehrmacht  vor den Vertretern der Antihitlerkoalition die bedingungslose Kapitulation der Streitkräfte des NS-Staates unterschreiben. Das Datum beschließt bekanntlich das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und wird seitdem in vielen Ländern als Tag der Befreiung gefeiert.

Hinter oder vor der Karlshorster  Bilderwand  Theatergasse 1 steht der Verein Theatergasse für Alle e.V. für Kultur, Musik, Kunst, Literatur – aktiv für ein lebendiges und lebenswertes Karlshorst... | Foto: Bernd S. Meyer
  • Hinter oder vor der Karlshorster Bilderwand Theatergasse 1 steht der Verein Theatergasse für Alle e.V. für Kultur, Musik, Kunst, Literatur – aktiv für ein lebendiges und lebenswertes Karlshorst...
  • Foto: Bernd S. Meyer
  • hochgeladen von Bernd S. Meyer

Karlshorst war weitgehend von Kriegszerstörungen  verschont geblieben, und so bestimmte der Kommandeur der 5. Stoßarmee der 1. weißrussischen Front, General Nikolai Bersarin, noch während der Kämpfe  die  ehemalige Festungspionierschule (erbaut 1936) zu Marschall Shukows Hauptquartier. Der einstige Casino-Speisesaal heißt heute „Kapitulationssaal“ und  zählt zu jenen seltenen Orten, die bis heute von den Fahnen  der Französischen Republik, der UdSSR, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten geschmückt sind. Danach ist das Haus Sitz der Sowjetischen Militärregierung in Deutschland (SMAD) gewesen. Weniger bekannt: Am 10. Oktober 1949 empfängt in diesem Saal der Chef der  SMAD,  Wassilij Tschuikow, die DDR-Regierung unter Ministerpräsident Grotewohl, übergibt  ihm die Vollmacht zur Führung der Regierungsgeschäfte. 

Die Gedenktafel  an der Fassade links neben dem Portal des Hauses Zwieseler Straße 4 am Ende der Rheinsteinstraße | Foto: Bernd S. Meyer
  • Die Gedenktafel an der Fassade links neben dem Portal des Hauses Zwieseler Straße 4 am Ende der Rheinsteinstraße
  • Foto: Bernd S. Meyer
  • hochgeladen von Bernd S. Meyer

Mitte der 1960er-Jahre ist dann - weiterhin  als sowjetische Einrichtung - das Haus als Museum  eröffnet worden. Zuerst für Angehörige der  Streitkräfte unter dem Motto „Ruhm dem großen Sieg“, später auch für die Öffentlichkeit. Im Mai 1975, 30 Jahre nach der Befreiung, ist im zweiten Adlershofer TV-Programm der Film „Das Haus in der Rheinsteinstraße“ gezeigt worden, in Farbe, ergänzt mit historischen Schwarz-Weiß- Szenen, hergestellt vom DEFA-Dokfilmstudio. 26 Minuten Zeitgeschichte am historischen Ort. Fortan war in Hauptstadt-Plänen ein „M“ am exakten Platz  zu finden,  unter „Sowjetisches Militärmuseum“ steht es  in Berlins Museumslisten.  Januar 1976 ist die Straße umbenannt - nach Wehrmachtsdeserteur Fritz Schmenkel. Der war 1943 als Partisan- Fallschirmjäger hinter der deutschen Front  abgesetzt, sofort gefangengenommen, 1944 hingerichtet.  Ein Deutscher, bekam 1964 postum den Goldenen Stern eines Helden der Sowjetunion. Mit der Umbenennung verschwand der Ort aus  den Listen, nur  das M im Kreis blieb in Straßenplänen. Im Fortgang der Geschichte verschwand  Januar 1992  auch der Name Fritz-Schmenkel. Wieder Rheinsteinstraße!. Ab 1994 mit  Abzug der Alliierten,  hat  „Museum Karlshorst“ die Adresse „Zwieseler Straße 4“,   bekam festen Platz als einziges Kapitulationsmuseum in Deutschland.

Im Museeumsgarten  stehen einige jener historischen sowjetischen  Waffen, die auch in der Schlacht um Berlin eingesetzt worden sind. Nur der Panzer des Typs T 34/85  gebaut 1944.,  ist  vorn neben dem Gebäude postiert. Er trägt die Aufschrift „"Za rodinu" ("Für die Heimat"). | Foto: Bernd S. Meyer
  • Im Museeumsgarten stehen einige jener historischen sowjetischen Waffen, die auch in der Schlacht um Berlin eingesetzt worden sind. Nur der Panzer des Typs T 34/85 gebaut 1944., ist vorn neben dem Gebäude postiert. Er trägt die Aufschrift „"Za rodinu" ("Für die Heimat").
  • Foto: Bernd S. Meyer
  • hochgeladen von Bernd S. Meyer

Noch einmal zurück zu 1976 und einer  merkwürdigen Parallelität: Genau in dem  Jahr ist nämlich Burg  Rheinstein  von dem Opernsänger Hermann Hecher durch Kauf gerettet worden. Heute präsentiert sich dort  stolz die „Burgfamilie Hecher“, die im alten Gesindehaus lebt, und  den Schlossbau  in den letzten Jahrzehnten aufwendig restauriert, zur Besichtigung,  mit Restauration und  für Übernachtungsgäste geöffnet hat. Als hätten es die Karlshorster  schon früher gewusst,  ist  die Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal in die Weltkulturerbeliste der Unesco aufgenommen worden.  Schinkel soll anno 1816 bei einer Reise in die  neue preußische Provinz auf der linken Rheinseite die Ruine der mittelalterlichen Voitsburg entdeckt haben.  Der Prinz von Preußen erwarb sie,  ließ sie als erste alte Rheinburg zum Schloss umbauen, alte Teile hervorheben. Seitdem: Rheinstein.  Schinkel selber und Nachfolger Stüler bauten die Ruine Stolzenfels ab 1826 zum Schloss  im Stil der Neugotik  für König Friedrich Wilhelm IV. um, das bis heute als Inbegriff der Rheinromantik gilt. Burg Ehrenfels,  Ruine einer Hangburg auf der Rüdesheimer Rheinseite, kam erst 1866 zu Preußen, heute in Hessen.

In diesem Saal hielt am 8. bis 9. Mai 1945 die Weltgeschichte  eine kurze Weile  den Atem an, doch als die Tinte der Unterschriften auf den einzig gültigen  Urkunden der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands in englischer und in russischer Sprache, außerdem die auf einer deutschen Übersetzung trocken waren, begann in Europa ein Halbjahrhundert ohne Krieg.   | Foto: Bernd S. Meyer
  • In diesem Saal hielt am 8. bis 9. Mai 1945 die Weltgeschichte eine kurze Weile den Atem an, doch als die Tinte der Unterschriften auf den einzig gültigen Urkunden der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands in englischer und in russischer Sprache, außerdem die auf einer deutschen Übersetzung trocken waren, begann in Europa ein Halbjahrhundert ohne Krieg.
  • Foto: Bernd S. Meyer
  • hochgeladen von Bernd S. Meyer

Die beiden Straßen bei der  S3-Station Karlshorst, benannt nach Schloss und Burg, sind durch die Theatergasse verbunden, ansehnlich durch  Bilder  von Karlshorster Merkwürdigkeiten, benannt aber nach dem ersten Nachkriegstheaterbau in Deutschland im Karree, errichtet als Reparation Haus der Offiziere: Theater Karlshorst, auch despektierlich „Russenoper“  genannt . Von außen grau geputzter Schlichtbau, Typ  mittleres Stadttheater.  Auch  der Bühnenturm lässt an keinerlei Rheinromantik denken. Vor sechs Wochen feierte Lichtenbergs Musikschule, ab Bezirksfusion Schostakowitsch-Musikschule, ihren 70. mit einem großen Konzert in der Philharmonie. Leider ist der heimische Theatersaal  am Johannes-Fest-Platz  in langwieriger Erneuerung. Doch Teile des Gebäudes sind saniert und so konnte man sich auch an dunklen Winternachmittagen schon auf dem S- Bahnsteig gegenüber freuen, dass hinter vielen erleuchteten Fenstern  in der „Russenoper“  viele Schostakowitsch nacheifern.

 Außenansicht des „Museum Karlshorst“ Ende Januar 2025 | Foto: Bernd S. Meyer
  • Außenansicht des „Museum Karlshorst“ Ende Januar 2025
  • Foto: Bernd S. Meyer
  • hochgeladen von Bernd S. Meyer

Von hier kamen die bekanntesten Weltreisenden des Berliner Ostens: Die vom Cartoonisten Hannes Hegen ( Johannes Hegenbarth, 1925-2014), der an der Waldowallee wohnte,  auch vor 70 Jahren erfundenen  Digedags, die ohne ihn, doch mit der Zeitschrift Mosaik  schon lange als Abrafaxe überlebten, selbst  Anna, Bella und Caramella sind längst mobil und gerade im Reich der Mitte unterwegs.

Theater KaHo Stolzenfelsstraße 1 Schostakowitsch-Musikschule P1150415.jpg
Bahnhof (vorn: Bahnsteig!)  versteht jeder, doch  hinter den hell-erleuchteten Fenstern des Standorts Stolzenfelsstraße 1 der Schostakowitsch-Musikschule Lichtenberg im Theater Karlshorst heißt es vor allem „Üben, üben, üben!“ | Foto: Bernd S. Meyer
  • Theater KaHo Stolzenfelsstraße 1 Schostakowitsch-Musikschule P1150415.jpg
    Bahnhof (vorn: Bahnsteig!) versteht jeder, doch hinter den hell-erleuchteten Fenstern des Standorts Stolzenfelsstraße 1 der Schostakowitsch-Musikschule Lichtenberg im Theater Karlshorst heißt es vor allem „Üben, üben, üben!“
  • Foto: Bernd S. Meyer
  • hochgeladen von Bernd S. Meyer

Der Stadtspaziergang startet am Sonnabend, 8. Februar, um 11 Uhr. Treffpunkt ist vor dem Museum Karlshorst, Zwieseler Straße 4, zu erreichen mit der S3 bis S-Bahnhof Karlshorst und weiter mit dem Bus 296 bis zum Museum oder mit der U5 bis U-Bahnhof Tierpark und weiter mit dem Bus 296 bis Haltestelle Museum Karlshorst.

Die Führung am 8. Februar ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblatts kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: Am Dienstag, 4. Februar, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 73 07.

Die Tour wiederhole ich am Sonnabend, 22. Februar, um 14 Uhr. Die Teilnahme kostet dann aber neun, ermäßigt sieben Euro. Telefonische Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

6 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 157× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 258.000 Haushalte in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf baut die Telekom Glasfaserleitungen aus.  | Foto: Telekom

Glasfaser-Internet hier im Bezirk
Telekom bietet 258.000 Haushalten einen Anschluss ans Glasfasernetz

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf. Damit können nun insgesamt rund 258.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu...

  • Zehlendorf
  • 20.01.25
  • 838× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 2.909× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.