"Bombenwetter", "Blindgänger" und "Lametta"
Ausstellung im Militärhistorischen Museum geht Sprachschöpfungen aus der Luftfahrt nach
Anfang Mai hatte das Militärhistorische Museum auf dem ehemaligen Flugplatz Gatow zur Präsentation seiner neuesten Ausstellung eingeladen. Sie trägt den Titel "Bombenwetter" und beschäftigt sich mit Sprachschöpfungen aus dem Bereich der Luftfahrt, vor allem des Luftkriegs, die inzwischen Allgemeingebrauch geworden sind.
Gesehen hat die Sonderausstellung aber noch kein Besucher. Die Pandemie-Lage durchkreuzte alle Hoffnungen auf eine allgemeine Eröffnung. Davon, dass der Einlass bald möglich wird, hängt ab, ob sich "Bombenwetter" eher zu einem "Blindgänger" oder einem "Blockbuster" entwickelt. Und damit sind wir auch beim Thema, den Analogien aus der militärischen Fliegerei in unserer Alltagssprache.
Der Ursprung des Blindgängers ist wahrscheinlich den meisten geläufig. Eine abgeworfene Bombe, die nicht zündete. Im Zivilsprech wird damit häufig jemand bezeichnet, der etwas nicht auf die Reihe bekommt. Eine, wie auch in anderen Fällen, verniedlichende Veränderung der eigentlichen Bedeutung. Teilweise wurde sie aber auch bewusst ausgrenzend und diskriminierend verwendet. In der Nazizeit und teilweise noch später wurden Homosexuelle als "gesellschaftspolitische Blindgänger" verunglimpft und verfolgt.
Der Blockbuster ist heute vor allem als Bezeichnung für große und teure Filmproduktionen bekannt. Das Wort steht aber ursprünglich für eine riesige Fliegerbombe, mit der ein ganzer Wohnblock zerstört werden konnte. Verfremdet finde sich das noch in manchen gängigen Blockbuster-Erklärungen, sagte Kurator Dr. Rolf-Bernhard Essig. Da werde der Begriff von den Häuserblocks abgeleitet, entlang denen Menschen anstehen, die einen Blockbuster im Kino sehen wollen.
Und mittlerweile habe sich der Blockbuster außerdem als Begriff für weitere Verkaufserfolge speziell bei der Arzneimittelproduktion eingeprägt. Aktuell sind deshalb alle Corona-Impfstoffe Blockbuster.
Rolf-Bernhard Essig, Autor, Dozent, Entertainer, hat die Ausstellung zusammen mit Katrin H. Grimme vom Militärhistorischen Museum konzipiert. Neben gängigem verweisen sie dabei auch auf manche nicht sofort erkennbare Sprachverwandtschaft zwischen Luftwaffe und Zivilleben. Ihr Anliegen sei, sich klarzumachen, woher manche Begriffe in unserer Alltagssprache kommen. Und dass ihre Entstehungsgeschichte im großen Gegensatz zum heute meist entspannten Umgang steht.
Viel Material bot bereits die "Bombe", einschließlich verschiedener Anhängsel. Die "Bombenstimmung", das "Bombengeschäft", natürlich auch das "Bombenwetter". Im übertragenen Sinn alles passgenaue Einschläge. Sie werden aber auch registriert, wenn eine Bombe optimal zündet. Auch der "Bomber" für einen vor allem beim Fußball erfolgreichen Torjäger gehört in diese Kategorie. Oder die "Sexbombe", die, zumindest im Klischee, erotisch explodiert.
Rolf-Bernhard Essig erklärte auch, warum wir uns gerade der Ableitungen aus dem Feld der Militärluftfahrt so gerne bedienen. Die Männer, später auch einige Frauen der Lüfte galten immer als eine Besonderheit. Die Flieger wurden zu Medienstars. Ihr Jargon wurde publiziert und damit in die allgemeine Bevölkerung transportiert.
Gerade Medien greifen gerne auf diese Assoziationen zurück. Auf den "Absturz", wenn jemand ein unerwartetes Schickal oder Ereignis ereilt. Oder den "Schleudersitz", auf dem sich ja jeder Verteidigungsminister oder derzeit Ministerin befinden, wie der Kurator im Bundeswehrmuseum anmerkte. Dabei werde auch dieser Terminus inzwischen etwas verfremdet gebraucht. Denn eigentlich rette der Schleudersitz ja Leben und somit auch Karrieren.
Es gibt auch Beispiele, wo "zivile Bezeichnungen" vom Militär, speziell von der Luftwaffe okkupiert wurden. Oder beides ineinander verwoben wird. Dafür steht in der Schau der Weihnachtssketch des Komikers Loriot aus dem Jahr 1978. Mit Opa Hoppenstedt, dem Bauplan für das Atomkraftwerk und dem inzwischen gängigen Spruch: "Früher war mehr Lametta".
Lametta ist oder war erst einmal ein Schmuck für den Weihnachtsbaum. Lametta werden aber bis heute auch die Dienstgrade und Auszeichnungen von Soldaten bezeichnet. Um Flugzeuge der Alliierten zu verwirren, wurden während des zweiten Weltkriegs Staniolstreifen in die Luft geworfen. Auch sie hießen Lametta und wurden danach teilweise aufgesammelt und als Weihnachtslametta verwendet.
Selbst der Baum zu Fest bekam eine zweideutige Bezeichnung. "Christbäume" heißen damals auch die von den Bombern abgeworfenen Markierungen für ihr Ziel. Opa Hoppenstedts Lametta-Erinnerungen fußten deshalb auf mehreren Ebenen.
Solche unbekannten oder unerwarteten Bezüge machen die Schau besonders interessant. Auch die verschiedenen Darstellungsformen, von Exponaten bis multimedial tragen dazu bei. Schon deshalb wäre es schade, wenn das alles noch lange dem Publikum verwehrt bleiben müsste.
Aktuelle Informationen zur Ausstellung gibt es jederzeit auf www.mhm-gatow.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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