Wann wird ein Held zum Helden?
Das Militärhistorische Museuem zeigt eine Ausstellung zu Heroisierungen und Heroismen
Schon der Ausstellungsraum ist riesig. Ähnlich gewaltig sind die Exponate, die zu sehen sind. Das gilt nicht nur deshalb, weil es um „Helden“ geht.
„Prinzip Held. Von Heroisierungen und Heroismen“ lautet der Titel der Monumentalschau im Hangar 5 auf dem ehemaligen Flugplatz Gatow. Das Thema ist ein weites Feld. Es impliziert viele Fragen, Ansichten, Blickwinkel. Um Heldenbegriffe in unterschiedlichen Zeiten. Heldenwerdung und Heldenverehrung. Verschiedene Heldendefinitionen. Helden, die zunächst als Verräter galten. Stille Helden, Alltagshelden.
Zum Held wird niemand geboren, vielmehr werden Menschen zu Helden gemacht, ist eine Kernaussage der Ausstellung. Das gilt auch für Heldinnen, die teilweise unter besonderen Vorzeichen betrachtet werden.
Anschaulich erläutert werden die Heldenbegriffe anhand von 44 Fallbeispielen, die sich nicht nur auf Personen, sondern auch auf Gruppen oder Stereotypen beziehen. Etwa auf die „Helden der Arbeit“. Die Fallbeispiele sind wiederum in insgesamt acht verschiedene Schlagworte unterteilt. Sie lauten Medialisierung, Vorbild, Polarisierung, Grenzüberschreitung und Handlungsmacht. Außerdem Kampf, Einsatz und Maskulinität. Zusammengenommen ergibt das eine Heldengeschichte und Heldendarstellung, die von König und Feldherrn Alexander dem Großen (356-323 vor Christus) bis zur Klimaaktivistin Greta Thunberg reicht.
Die Ausstellung ist unter Beteiligung mehrerer Akteure entstanden. Ausgangspunkt war ein zwölfjähriges Forschungsprojekt des Sonderforschungsbereich (SFB) 948 der Universität Freiburg zum Thema Heroisierungen. Daraus entstand eine Kooperation mit dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und ihrem Militärhistorischen Museum. Inszeniert und gestaltet wurde die Schau vom Berliner Theater-Label „Rimini Protokoll“ und dem Szenographen Dominik Steinmann.
Um alle Heldenfacetten zu erfassen, sollten Besucherinnen und Besucher ausreichend Zeit mitbringen, um unter anderem nicht so manches Detail zu übersehen.
Ungewöhnlich ist bereits das Mobiliar. Für die einzelnen Stationen stehen Schränke, Spinde, in denen sich Fotos, Texte, Dokumente befinden. Dabei handelt es sich um die ehemalige Einrichtung für die Sportlerunterkünfte bei den Olympischen Spielen in München 1972. Sie gingen danach größtenteils in die Bestände der Bundeswehr über. Hörproben oder Filmausschnitte sind ebenfalls häufig vorhanden.
Und es gibt jeweils eine Art Heldenbarometer. Ein fast immer ganz eigener Heldenstatus, wie exemplarisch dargestellt am Hitler-Attentäter Claus Graf Schenck von Stauffenberg. Sein Versuch, den Diktator und Massenmörder zu töten, der sich am 20. Juli zum 80. Mal jährt, war eine Heldentat, die aber zunächst unter den damaligen Umständen und nach dem Scheitern des Vorhabens, als solche nicht wahrgenommen wurde. Vielmehr lastete das Nazi-Verdikt eines „Verräters“ auch noch nach 1945 auf Stauffenberg und anderen Widerstandskämpfern. Erst ab den 1950er-Jahren änderte sich die Haltung zu Stauffenberg. Die Ausstellung verweist auf die „Medialisierung“ von Stauffenberg und dem 20. Juli 1944. Zahlreiche Filme über das Attentat entstanden, die ersten bereits 1954. Höhepunkt war wohl der Hollywood-Blockbuster „Operation Walküre“ mit Tom Cruise aus dem Jahr 2008. Die Filme hätten wiederum auch die gesellschaftliche Einschätzung zu Stauffenberg nach und nach korrigiert.
Eine ganz andere „Heldenrolle“ nahm die Fliegerin Melli Beese (1886-1925) ein. Sie war die erste weibliche Pilotin in Deutschland und deshalb eigentlich bereits eine Art Role Model. Diese Vorbildfunktion, die sich in der Ausstellung unter der Rubrik Grenzüberschreitung findet, sprengte allerdings nicht den von der damaligen männerdominierten Welt gesetzten Rahmen, wird nicht nur an ihrem Beispiel deutlich. Melli Beese kleidete sich betont männlich, trat männlich auf, die weibliche Heldin trat in den Hintergrund. Das galt auch für andere heldenhafte Frauenfiguren, selbst für die russische Zarin Katharina die Große. Weshalb sie in der Schau auch den Namen „Katharina der Große“ bekommt.
Heldenbilder haben sich gewandelt, auch das wird in der Ausstellung deutlich. Militärische Heroen sind inzwischen weniger hoch im Kurs, stattdessen Klimaaktivisten oder Whistleblower wie Edward Snowden. Wobei sich nicht nur bei diesen Beispielen die Heldenrolle auf bestimmte Milieus oder Gleichgesinnte bezieht. Das gilt noch extremer für Menschen und Organisationen, die bei uns als Mörder und Terroristen gelten, in anderen Weltgegenden dagegen als „Helden“ bezeichnet werden. Etwa der sogenannte „Islamische Staat“.
Helden werden Helden, wenn es eine größere Anzahl von Menschen gibt, die sie als Helden sehen. Diese Erkenntnis wird am Ende der Ausstellung als Mitmachaktion veranschaulicht. In einer abgegrenzten Fläche befinden sich dort zahlreiche aufblasbare Figuren. Zur vollen Größe kommen sie, wenn bis zu 20 Personen die Hebel am Rand des Areals betätigen, durch die Luft in die Gebilde strömt. Gemachte Helden durch den Einsatz anderer. Und manches, was dabei herauskommt, ist heiße Luft und fällt in sich zusammen, wenn die Unterstützung fehlt. Auch diese Interpretation legt die Installation nahe.
Dabei ist die Heldendefinition manchmal ganz simpel. Auch das wird in der Schau deutlich. Die Universität Freiburg fragt seit vielen Jahren Schülerinnen und Schüler nach ihren persönlichen Helden. Gerade aktuell sei bei den Antworten eine Veränderung festzustellen. Es seien nicht mehr Sportgrößen oder Künstler, die als erstes genannt werden. Sondern Freunde, auch Lehrer und vor allem die eigenen Eltern.
„Prinzip Held. Von Heroisierungen und Heroismen“ im Militärhistorischen Museum, Am Flugplatz Gatow 33 ist bis zum 3. November zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Jeden Sonntag um 16 Uhr findet eine Führung statt. Teilnahme ohne Anmeldung. Außerdem gibt es ein Begleitprogramm, unter anderem mit Angeboten für Schulklassen oder einem Sommerferienprogramm für Kinder.
Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.mhm-gatow.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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