Wann wird ein Held zum Helden?
Das Militärhistorische Museuem zeigt eine Ausstellung zu Heroisierungen und Heroismen

Heldenpanorama am Eingang der Ausstellung. | Foto:  Thomas Frey
10Bilder
  • Heldenpanorama am Eingang der Ausstellung.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Schon der Ausstellungsraum ist riesig. Ähnlich gewaltig sind die Exponate, die zu sehen sind. Das gilt nicht nur deshalb, weil es um „Helden“ geht.

„Prinzip Held. Von Heroisierungen und Heroismen“ lautet der Titel der Monumentalschau im Hangar 5 auf dem ehemaligen Flugplatz Gatow. Das Thema ist ein weites Feld. Es impliziert viele Fragen, Ansichten, Blickwinkel. Um Heldenbegriffe in unterschiedlichen Zeiten. Heldenwerdung und Heldenverehrung. Verschiedene Heldendefinitionen. Helden, die zunächst als Verräter galten. Stille Helden, Alltagshelden.

Blick von oben auf die Heldenschau. | Foto: Thomas Frey
  • Blick von oben auf die Heldenschau.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Zum Held wird niemand geboren, vielmehr werden Menschen zu Helden gemacht, ist eine Kernaussage der Ausstellung. Das gilt auch für Heldinnen, die teilweise unter besonderen Vorzeichen betrachtet werden.

Weibliche Heldin nach männlichem Heldenbild geformt: "Katharina Der Große". | Foto: Thomas Frey
  • Weibliche Heldin nach männlichem Heldenbild geformt: "Katharina Der Große".
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Anschaulich erläutert werden die Heldenbegriffe anhand von 44 Fallbeispielen, die sich nicht nur auf Personen, sondern auch auf Gruppen oder Stereotypen beziehen. Etwa auf die „Helden der Arbeit“. Die Fallbeispiele sind wiederum in insgesamt acht verschiedene Schlagworte unterteilt. Sie lauten Medialisierung, Vorbild, Polarisierung, Grenzüberschreitung und Handlungsmacht. Außerdem Kampf, Einsatz und Maskulinität. Zusammengenommen ergibt das eine Heldengeschichte und Heldendarstellung, die von König und Feldherrn Alexander dem Großen (356-323 vor Christus) bis zur Klimaaktivistin Greta Thunberg reicht.

Zivilisten und Militärs. Die Ausstellung wurde von verschiedenen Menschen und Organisationen konzipiert.  | Foto: Thomas Frey
  • Zivilisten und Militärs. Die Ausstellung wurde von verschiedenen Menschen und Organisationen konzipiert.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Die Ausstellung ist unter Beteiligung mehrerer Akteure entstanden. Ausgangspunkt war ein zwölfjähriges Forschungsprojekt des Sonderforschungsbereich (SFB) 948 der Universität Freiburg zum Thema Heroisierungen. Daraus entstand eine Kooperation mit dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und ihrem Militärhistorischen Museum. Inszeniert und gestaltet wurde die Schau vom Berliner Theater-Label „Rimini Protokoll“ und dem Szenographen Dominik Steinmann.

Um alle Heldenfacetten zu erfassen, sollten Besucherinnen und Besucher ausreichend Zeit mitbringen, um unter anderem nicht so manches Detail zu übersehen.

Aufgeblasene Luftfiguren als Symbol für das "Machen" von Helden. | Foto: Thomas Frey
  • Aufgeblasene Luftfiguren als Symbol für das "Machen" von Helden.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Ungewöhnlich ist bereits das Mobiliar. Für die einzelnen Stationen stehen Schränke, Spinde, in denen sich Fotos, Texte, Dokumente befinden. Dabei handelt es sich um die ehemalige Einrichtung für die Sportlerunterkünfte bei den Olympischen Spielen in München 1972. Sie gingen danach größtenteils in die Bestände der Bundeswehr über. Hörproben oder Filmausschnitte sind ebenfalls häufig vorhanden.

Und es gibt jeweils eine Art Heldenbarometer. Ein fast immer ganz eigener Heldenstatus, wie exemplarisch dargestellt am Hitler-Attentäter Claus Graf Schenck von Stauffenberg. Sein Versuch, den Diktator und Massenmörder zu töten, der sich am 20. Juli zum 80. Mal jährt, war eine Heldentat, die aber zunächst unter den damaligen Umständen und nach dem Scheitern des Vorhabens, als solche nicht wahrgenommen wurde. Vielmehr lastete das Nazi-Verdikt eines „Verräters“ auch noch nach 1945 auf Stauffenberg und anderen Widerstandskämpfern. Erst ab den 1950er-Jahren änderte sich die Haltung zu Stauffenberg. Die Ausstellung verweist auf die „Medialisierung“ von Stauffenberg und dem 20. Juli 1944. Zahlreiche Filme über das Attentat entstanden, die ersten bereits 1954. Höhepunkt war wohl der Hollywood-Blockbuster „Operation Walküre“ mit Tom Cruise aus dem Jahr 2008. Die Filme hätten wiederum auch die gesellschaftliche Einschätzung zu Stauffenberg nach und nach korrigiert.

Die eigenen Eltern als Helden. Ergebnis der Umfrage unter Schülern. | Foto: Thomas Frey
  • Die eigenen Eltern als Helden. Ergebnis der Umfrage unter Schülern.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Eine ganz andere „Heldenrolle“ nahm die Fliegerin Melli Beese (1886-1925) ein. Sie war die erste weibliche Pilotin in Deutschland und deshalb eigentlich bereits eine Art Role Model. Diese Vorbildfunktion, die sich in der Ausstellung unter der Rubrik Grenzüberschreitung findet, sprengte allerdings nicht den von der damaligen männerdominierten Welt gesetzten Rahmen, wird nicht nur an ihrem Beispiel deutlich. Melli Beese kleidete sich betont männlich, trat männlich auf, die weibliche Heldin trat in den Hintergrund. Das galt auch für andere heldenhafte Frauenfiguren, selbst für die russische Zarin Katharina die Große. Weshalb sie in der Schau auch den Namen „Katharina der Große“ bekommt.

Gräberreihen auf einem Soldatenfriedhof und der oft pervertierte Begriff eines "gefallenen Helden". | Foto: Thomas Frey
  • Gräberreihen auf einem Soldatenfriedhof und der oft pervertierte Begriff eines "gefallenen Helden".
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Heldenbilder haben sich gewandelt, auch das wird in der Ausstellung deutlich. Militärische Heroen sind inzwischen weniger hoch im Kurs, stattdessen Klimaaktivisten oder Whistleblower wie Edward Snowden. Wobei sich nicht nur bei diesen Beispielen die Heldenrolle auf bestimmte Milieus oder Gleichgesinnte bezieht. Das gilt noch extremer für Menschen und Organisationen, die bei uns als Mörder und Terroristen gelten, in anderen Weltgegenden dagegen als „Helden“ bezeichnet werden. Etwa der sogenannte „Islamische Staat“.

Stauffenberg und seine Medialisierung. Eine von 44 Heldenbeispielen.  | Foto: Thomas Frey
  • Stauffenberg und seine Medialisierung. Eine von 44 Heldenbeispielen.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Helden werden Helden, wenn es eine größere Anzahl von Menschen gibt, die sie als Helden sehen. Diese Erkenntnis wird am Ende der Ausstellung als Mitmachaktion veranschaulicht. In einer abgegrenzten Fläche befinden sich dort zahlreiche aufblasbare Figuren. Zur vollen Größe kommen sie, wenn bis zu 20 Personen die Hebel am Rand des Areals betätigen, durch die Luft in die Gebilde strömt. Gemachte Helden durch den Einsatz anderer. Und manches, was dabei herauskommt, ist heiße Luft und fällt in sich zusammen, wenn die Unterstützung fehlt. Auch diese Interpretation legt die Installation nahe.

Auch den Stillen Helden ist ein Kapitel gewidmet. | Foto: Thomas Frey
  • Auch den Stillen Helden ist ein Kapitel gewidmet.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Dabei ist die Heldendefinition manchmal ganz simpel. Auch das wird in der Schau deutlich. Die Universität Freiburg fragt seit vielen Jahren Schülerinnen und Schüler nach ihren persönlichen Helden. Gerade aktuell sei bei den Antworten eine Veränderung festzustellen. Es seien nicht mehr Sportgrößen oder Künstler, die als erstes genannt werden. Sondern Freunde, auch Lehrer und vor allem die eigenen Eltern.

Fliegerin Melli Beese gibt Männern Flugunterricht. Als Frau ist sie auf diesem Foto kaum zu erkennen. | Foto: Thomas Frey
  • Fliegerin Melli Beese gibt Männern Flugunterricht. Als Frau ist sie auf diesem Foto kaum zu erkennen.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

„Prinzip Held. Von Heroisierungen und Heroismen“ im Militärhistorischen Museum, Am Flugplatz Gatow 33 ist bis zum 3. November zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Jeden Sonntag um 16 Uhr findet eine Führung statt. Teilnahme ohne Anmeldung. Außerdem gibt es ein Begleitprogramm, unter anderem mit Angeboten für Schulklassen oder einem Sommerferienprogramm für Kinder.

Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.mhm-gatow.de.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Ein Tattoo ist ein ernsthafter Schritt. Gehen Sie diese Wahl durchdacht an, damit Ihr erstes Tattoo Ihnen Freude bereitet und eine angenehme Erinnerung für Ihr ganzes Leben bleibt.
4 Bilder

Wo soll man anfangen?
Die erste Begegnung mit einem Tattoo

Das erste Tattoo ist eine aufregende und nervenaufreibende Erfahrung, die wirklich großartig sein kann und viele positive Emotionen schenkt, wenn man den Prozess mit angemessener Aufmerksamkeit angeht. Tattoos sind heutzutage so fest in das Leben der Menschen integriert, dass sie nicht mehr als etwas Verrücktes, Extravagantes oder als Herausforderung an die Gesellschaft angesehen werden. Trotz der enormen Popularität dieser Kunstform bleibt dieser Prozess jedoch mit gesundheitlichen Risiken...

  • Charlottenburg
  • 24.06.24
  • 509× gelesen
KulturAnzeige
"Kicken und Kieken" ist das Motto am 29. und 30. Juni 2024 im Humboldt Forum. | Foto: Stefanie Loos
6 Bilder

Kicken und Kieken
Sportliches Themenwochenende für die ganze Familie

Das Humboldt Forum lädt am 29. und 30. Juni 2024 zu einem besonderen Themenwochenende ein. Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft wird ein vielfältiges Programm angeboten, das Sport und Erlebnis miteinander verbindet. Programmhighlights Kleine und große Besucher können sich bei Sonderführungen über die historische Spielkultur Mesoamerikas informieren und erfahren, wie Ballspiel, Ritual und Opfer einst miteinander verknüpft waren. Tischkicker-Fans messen sich im Turnier mit Profis und...

  • Mitte
  • 19.06.24
  • 628× gelesen
KulturAnzeige
Sänger und Entertainer Keith Tynes, genannt „The Voice“, ist am Sonnabend, 22. Juni 2024, live mit Band auf der Freilichtbühne Spandau zu erleben. | Foto: Keith Tynes/Fraenzy Allner
Video 5 Bilder

The Impossible Dream
Keith Tynes & Band live auf der Freilichtbühne Spandau

Sänger und Entertainer Keith Tynes, genannt „The Voice“, ist am Sonnabend, 22. Juni 2024, live mit Band auf der Freilichtbühne Spandau zu erleben. Sichern Sie sich Ihre Tickets schnell, um „The Voice“ auf einem seiner wenigen Konzert in Berlin miterleben zu können. Keith Tynes ist ein ausdrucksstarker Gesangsvirtuose und Entertainer, mit einer Stimme über dreieinhalb Oktaven. Er stand mit Größen wie „The Weather Girls“, Gloria Gaynor, Stevie Wonder, Keith Sweat und Joe Lynn Turner auf der...

  • Spandau
  • 13.06.24
  • 1.134× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Befreien Sie sich von anhaltenden Knie- und Hüftschmerzen – sicher und schonend! Wir helfen Ihnen dabei.

Infoabend für Patienten
Knie- und Hüftschmerzen ade!

Schmerzt Ihr Knie bei jedem Schritt? Oder lässt Ihnen der Schmerz auch im Sitzen keine Ruhe? Dann lassen Sie sich nicht länger quälen! Wir laden Sie herzlich zu unserem Infoabend ein, bei dem Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Knieschmerzen entdecken können – ganz ohne Angst vor dem Eingriff. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, wird Sie durch die modernsten Methoden bei Knie- und Hüftoperationen führen....

  • Westend
  • 06.06.24
  • 1.414× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Bleiben Sie gesund und genießen Sie das Leben in vollen Zügen! | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Ein Tag voller Aha-Erlebnisse
Tag der offenen Tür in der Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Ein Tag voller Aha-Erlebnisse: Am Sonnabend, 6. Juli 2024, ab 11 Uhr öffnen wir in Pankow unsere Türen für Sie in der Caritas-Klinik Maria Heimsuchung. Erleben Sie spannende Themen der Inneren Medizin – von Gastroenterologie, Endoskopie und Darmchirurgie über Kardiologie und Proktologie bis hin zu Gynäkologie und Geburtshilfe. Besucherinnen und Besucher können aus einer Vielzahl von bunten Programmpunkten für Groß und Klein wählen und Medizin, Trends sowie Anregungen rund um die innere...

  • Pankow
  • 21.06.24
  • 481× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Am 23. Juli informieren Experten rund um Beckenbodenbeschwerden und Inkontinenz. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infoabend für Patienten
Wenn’s am Beckenboden hängt!

Beckenbodenbeschwerden sind ein sensibles Thema, über das selten gesprochen wird. Betroffene erleben jedoch häufig erhebliche Einschränkungen ihrer Lebensqualität – das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Die gute Nachricht: In der Medizin hat es in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte gegeben, die neue Hoffnung bieten. Für Patienten und Interessierte gibt es einen Informationsabend mit Prof. Dr. med. Annett Gauruder-Burmester, Dr. med. Paul Bogen und Dr. med. Gero Bauer am 23....

  • Pankow
  • 19.06.24
  • 656× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich beim Tag der offenen Tür, wie Ihre Familie lange gesund bleibt.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Herzliche Einladung
Tag der offenen Tür am 6. Juli 2024

Ein Tag voller Aha-Erlebnisse: Am Sonnabend, 6. Juli 2024, ab 11 Uhr öffnen wir in der Caritas-Klinik Dominikus unsere Türen für Sie. Erleben Sie die Welt der Inneren Medizin – von Endoskopie über Gastroenterologie, Kardiologie, Geriatrie und Proktologie bis hin zu Gallen- und Hernienchirurgie. Freuen Sie sich auf ein buntes Programm für Groß und Klein. Kinder erwartet die „Teddyklinik“, eine „Röntgensprechstunde für das Lieblingskuscheltier“, eine Hüpfburg, Kinderschminken und mehr. Erwachsene...

  • Reinickendorf
  • 20.06.24
  • 552× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Schmerzen im Unterbauch können Anzeichen für eine Entzündung der Divertikel sein.

Schmerzen im linken Unterbauch?
Volkskrankheit Divertikulitis

Etwa jede dritte Person in Deutschland entwickelt im Laufe des Lebens Divertikel – harmlose Ausstülpungen im Dickdarm, besonders im Sigma. Diese Ansammlung von Divertikeln, bekannt als Divertikulose, nimmt mit dem Alter zu und betrifft auch zunehmend Menschen unter 45 Jahren. Wenn sich Divertikel entzünden, spricht man von Divertikulitis. Betroffene leiden oft unter Schmerzen im linken Unterbauch. Während die meisten akuten Entzündungen medikamentös behandelt werden können, erfordern schwere...

  • Reinickendorf
  • 13.06.24
  • 1.076× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.