Piloten auf Abwegen
Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr zeigt die Ausstellung "Fliegen im Grenzbereich"
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Mathias Rust. Er ist jener junge Mann, der als 19-Jähriger am 28. Mai 1987 mit einem Cessna-Sportflugzeug in der Nähe des Roten Platzes in Moskau landete.
35 Jahre später bietet sein spektakulärer Flug den Aufhänger für die Ausstellung "Fliegen im Grenzbereich" im Hangar 3 des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr auf dem ehemaligen Flugplatz Gatow. Das Thema sind Irrflüge, Spionage und Fluchten auf dem Luftweg während der Zeit des Kalten Kriegs. So erinnert die Ausstellung zum Beispiel an westdeutsche Sportflieger, die versehentlich in den Luftraum der DDR gekommen sind, und an zwei Bundeswehrpiloten, die 1959 in die damalige Tschechoslowakei einflogen und dort zwei Monate festgehalten wurden. Daneben gab es Flüge, bei denen Grenzen ausgetestet werden sollten. Sie fallen in den Bereich der "Erkundung", manchmal auch der Spionage. Und es gab mehrere Fluchtversuche über den Luftweg. Drei Mal landeten in den späten 1970er-Jahren Maschinen von DDR-Piloten am Ort der Ausstellung auf dem Flugplatz Gatow.
Bis heute bekannt ist die Entführung einer polnischen Verkehrsmaschine, die im August 1978 auf dem Weg von Danzig nach Schönefeld zur Landung in Tempelhof gezwungen wurde. Ebenso wie der Grenzübertritt zweier Familien per Heißluftballon von Thüringen nach Bayern ein Jahr später.
Wie mit versehentlichen oder bewussten Irrflügen umzugehen ist, war ziemlich genau geregelt, musste aber in jeder Situation neu entschieden werden. Im Sommer 1989 stellte der Pilot einer sowjetischen MiG beim Flug über Polen Rauch in der Maschine fest und rettete sich mit dem Schleudersitz. Das Flugzeug hatte aber keine gravierenden Schäden und flog unbemannt weiter. Es passierte den Luftraum der DDR und erreichte die Bundesrepublik. Abfangjäger stiegen auf und begleiteten die MiG. Von einem Abschuss wurde aber, nicht zuletzt wegen Konsequenzen über dicht besiedeltem Gebiet, abgesehen. Die Maschine flog weiter bis nach Belgien, wo sie auf ein Haus stürzt und einen Bewohner tötet.
Der Kremlflug von Mathias Rust am 28. Mai 1987 ist wegen des spektakulären und weltweit registrierten Verlaufs das Herzstück der Ausstellung. Gleichzeitig lässt er sich schwer in die ansonsten vorgestellten Kategorien einordnen. Sie war weder ein Versehen noch eine Flucht oder Spionage.
Der 19-Jährige drang, von Helsinki kommend, in den sowjetischen Luftraum ein. Dass er dort nicht gestoppt wurde, hängt nach heutigem Wissen mit Pannen und Fehleinschätzungen, auch mit einem Verbot zum Abschuss ziviler Maschinen zusammen. Es wurde nach der Katastrophe vom Sommer 1983 erlassen, als sowjetische Raketen ein koreanisches Passagierflugzeug trafen und 269 Menschen starben.
Mathias Rust schaffte es mit einer Cessna bis nach Moskau, wo er unweit des Roten Platzes landete. Filmaufnahmen dokumentieren seine Ankunft, auch erste Gespräche mit erstaunten Passanten, ehe der Kremlflieger abgeführt wird. Er wurde später zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt, bleibt allerdings nur 14 Monate in Haft. Den nicht immer stringenten Aussagen des jungen Mannes war zu entnehmen, dass sein Flug vor allem der Völkerverständigung und dem Weltfrieden dienen sollte.
Auch die mediale Rezeption des Falles ist Thema der Ausstellung. Zunächst erzeugte Rust großes Interesse, von Heldenmut und Köpenickiade war die Rede. Danach entstand eher Irritation über manche verwirrende Aussage des "Muttersöhnchens". Dieser Eindruck verstärkte sich noch in späteren Jahren, nachdem der einstige Kremlflieger eher durch Skandale auf sich aufmerksam machte. Seine Cessna ist im Museum zu sehen. Schon die Odyssee des Flugzeugs ist eine Geschichte. Es wurde zunächst an einen Münchener Unternehmer verkauft und landete über Hamburg in Japan, wo die Maschine viele Jahre in einem Sportpark ausgestellt wurde. 2008 erwarb sie das Deutsche Technikmuseum und stellte sie jetzt dem Bundeswehrmuseum zur Verfügung.
Der Flug von Mathias Rust sei eine wichtige Wegmarke für das Ende der Sowjetunion wenige Jahre später gewesen, urteilt der Schriftsteller Wladimir Kaminer. Er war in diesem Fall sogar unmittelbarer Zeitzeuge. Vor 35 Jahren leistete Kaminer seinen Wehrdienst ab und wurde direkt mit dem Flug und seinen Auswirkungen konfrontiert. Wladimir Kaminer wird darüber am Sonnabend, 28. Mai, von 16-19 Uhr bei einem Podiumsgespräch im Museum berichten.
"Fliegen im Grenzbereich", Hangar 3 des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr auf dem ehemaligen Flugplatz Gatow, bis 30. Oktober, Di bis So, jeweils von 10 bis 18 Uhr, Eingang über die Straße An der Landstadt Gatow. Mehr Informationen auf www.mhm-gatow.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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