Munita-Projekt bietet geflüchteten Jugendlichen mehr als eine Bleibe

Jungs aus Syrien und Afghanistan haben im Munita-Projekt ein neues Zuhause gefunden. Um sie zu schützen, wurden die Namen im Text von der Redaktion geändert. | Foto: Berit Müller
  • Jungs aus Syrien und Afghanistan haben im Munita-Projekt ein neues Zuhause gefunden. Um sie zu schützen, wurden die Namen im Text von der Redaktion geändert.
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Kladow. Minderjährige Flüchtlinge, die ganz allein in Deutschland ankommen, haben oft nicht nur ihr Zuhause verloren. Das Projekt „Munita“ des Rotkreuz-Instituts Berufsbildungswerk (RKI BBW) in Kladow kann den Jugendlichen die Familie nicht ersetzen. Aber es bietet Schutz, Fürsorge und bahnt den Weg in eine berufliche Zukunft.

Ganz schnell Deutsch zu lernen sei das Wichtigste überhaupt, sagt Issam. Das heißt also täglich Vokabeln pauken? Der 16-jährige Syrer schüttelt den Kopf. „Nein, vor allem Grammatik, die ist doch das Fundament einer Sprache.“ Erst seit vier Monaten lebt Issam in Deutschland; aber er versteht schon fast jedes Wort und spricht beinahe fließend. Wie sein gleichaltriger Freund Hamit. Die beiden kennen sich seit frühem Kindesalter aus ihrer syrischen Heimatstadt. Gemeinsam sind sie zunächst in Bayern – später dann in Berlin – gelandet, nach einer mehrwöchigen Odyssee. Aber darüber wollen und sollen sie jetzt nicht reden. Es zählt zum Konzept von „Munita“, die Jugendlichen auch vor penetranten Fragen nach der Flucht und den Familienschicksalen zu schützen. In der Jugendhilfeeinrichtung des Rotkreuz-Instituts Berufsbildungswerk im Krampnitzer Weg haben derzeit 21 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan ein neues Zuhause gefunden.

Munita – aus dem Lateinischen übersetzt heißt das: gebahnte Wege. „Wir haben diesen Namen bewusst gewählt“, erklärt Andreas Kather, Geschäftsführer des RKI BBW. „Wir möchten den Jugendlichen hier ja mehr als eine Bleibe bieten. Sie sollen sich entwickeln können. Mit unserem Berufsbildungswerk eröffnen wir ihnen einen guten Zugang zu Bildungsabschlüssen, zu Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnissen.“ Direkt vor Ort haben die Jungs Gelegenheit in Ausbildungen hinein zu schnuppern, in der Metallwerkstatt, der Gärtnerei oder der Fahrradwerkstatt mitzuarbeiten. Außerdem vermittelt das RKI BBW dank guter Kontakte berlinweit kurzfristig Praktikumsplätze.

Praktika in Berliner Krankenhäusern

Für Issam und Hamit beispielsweise. Beide wissen längst, welchen Berufsweg sie einschlagen wollen: Es zieht sie in die Medizin, also absolvieren sie bereits Praktika in Berliner Krankenhäusern. Die Freunde teilen sich auf dem Gelände des RKI BBW ein Appartement, ihre Freizeit verbringen sie fast immer zusammen. „Wir fahren in die Stadt, spielen Fußball oder Basketball“, erzählt Issam. Hamit übt täglich auf der Gitarre. Etliche Stunden pro Woche brüten beide über den Hausaufgaben. „Manchmal muss ich sie fast ein bisschen bremsen, damit sie nicht nur büffeln“, sagt Marika Riep vom siebenköpfigen Betreuerteam. Mindestens ein pädagogischer Mitarbeiter ist rund um die Uhr für die Jungs da. „Wir gehen zusammen einkaufen, wir kochen und essen gemeinsam, unternehmen Ausflüge, räumen die Wohnungen auf, üben Vokabeln – wie es Familien auch tun.“

Vor allem haben die Betreuer immer ein offenes Ohr, wenn bei ihren Schützlingen das Heimweh übermächtig wird. Oder die Sorge um die Familien daheim. Oder quälende Erinnerungen. Die langjährigen Erfahrungen des RKI BBW mit psychisch beeinträchtigten Jugendlichen und die Sensibilität für Traumatisierungen sind dann ebenso hilfreich, wie die enge Anbindung an eine Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Dank ihrer rasch erworbenen Deutschkenntnisse konnten Issam und Hamit schnell von den Willkommens- in Regelklassen der zehnten Stufe wechseln. Dem Unterricht zu folgen, fällt beiden nicht mehr allzu schwer – bisweilen sogar leichter als den Mitschülern. „Mathe ist viel einfacher in Deutschland“, sagt Issam. „Den meisten Stoff der zehnten Klasse haben wir in Syrien schon in der achten und neunten behandelt.“ bm

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

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