Berlin, mein Rad und ich
Berlin, mein Rad und ich.
Welch eine Aufregung! Mit sechs Jahren bekam ich mein erstes Fahrrad. Es war ein rotes Kinderrad, das meine Eltern mir damals in unserer schlesischen Heimat zum Geburtstag schenkten. Ich musste natürlich erst einmal Fahrradfahren lernen. Das ging jedoch nicht ohne Stürze ab. Aber ich lernte schnell. Doch plötzlich war alles vorbei. Wir wurden über Nacht vertrieben, landeten in Westfalen. Und das ohne mein schönes Fahrrad!
Erst mit dreizehn Jahren hatte ich das Glück wieder ein Fahrrad zu besitzen. Der Sohn des Bauern, auf dessen Hof wir wohnten, schenkte es mir. Es war eine alte, klapperige, eigentlich schrottreife Vize, so nannte man ein Fahrrad damals in Westfalen. Stolz fuhr ich nun damit jeden Tag zur etwa 4 km entfernt liegenden Dorfschule. Mit dem Erfolg, dass man mich ab sofort auf der alten Vize mit den lockeren, teils herabhängenden Schutzblechen, „Klapperfritze“ nannte.
Nach der Schulzeit war ich jahrelang wegen Umzugs, Lehre usw. wieder ohne Rad. Erst als ich 1971 nach Berlin kam, meine Frau, eine begeisterte Radlerin, kennenlernte, kaufte ich mir ein neues Fahrrad mit allem drum und dran. Natürlich eine rotes. Jetzt erkundeten wir gemeinsam mit unseren Rädern Berlin. Es gab viel Überraschendes zu entdecken. Besonders begeistert waren wir über die vielen Schleichwege durch die Innenstadt. Entlang an Kanälen, vorbei an Teichen und prächtigen Villen, an lauschigen Ecken und blumigen Gärten landeten wir beim Bundestag.
Besucher, mit denen wir verschiedene Fahrradtouren durch Berlin machten, waren immer wieder überrascht. Sie hatten Berlin als von dichtem Verkehr brausende, mit riesigen Fußgängermassen durchsetzte Stadt in Erinnerung. Berlin eine Radfahrerstadt? Ja, wenn man sich auskennt!
Dann geschah es im September vorigen Jahres: Ein ältere Herr auf einem Rennrad fuhr zu schnell auf einem Radweg. In einer Kurve verlor er die Kontrolle über sein Rad, geriet auf den unbefestigten Seitenstreifen, riss den Lenker herum, kippte um und fuhr mir direkt in mein Hinterrad. Ich schoss nach vorn über den Lenker und blieb dabei mit dem rechten Bein in der Querstange hängen. Dabei zog ich mir einen schmerzhaften Bänderriss zu. Vor einer gefährlichen, schweren Kopfverletzung hat mich mein Fahrradhelm geschützt.
Deshalb nur mit Radhelm auf gut ausgebauten Radwegen fahren. Hier hat Berlin noch viel zu tun. Ausbau von Radwegen sowie die gesetzliche Pflicht einen Helm zu tragen sind behördliche Aufgaben, die hier noch nicht erfüllt sind. Vorbild wäre
dabei die Stadt Münster in Westfalen. Bestens ausgebaute Radwege in der Innenstadt und Umgebung entlastet den Innenstadt-Verkehr, schont die Umwelt und hält die Menschen in Bewegung.Interessant sind die wöchentlichen Radtouren unserer Kladower Radgruppe. Jeden Mittwoch fahren wir zu sechst auf verschiedenen Strecken durch die idyllische Berliner Landschaft. Z.B. nach Spandau oder durch den Grunewald, vorbei am Grunewaldturm bis zur Schiffsanlegestelle am Wannsee, und von dort mit der Fähre zurück nach Kladow. Eine lange, zuweilen anstrengende, aber äußerst abwechslungsreiche Strecke.
Die gleiche Strecke fahre ich auch oft mit meiner Frau. Über die Heerstrasse auf die Havelchaussee – deren Ausbau des Radweges dringend erforderlich ist. Meine Frau hatte hier einen schweren Sturz. Die geteerte Oberfläche des Radweges war nicht gereinigt von Blättern und Ästen. Weiterhin war sie durch die Verwurzelung von an den Seiten stehender hoher Bäume zu mehreren Querspalten bis zu 10 cm Breite aufgerissen, in die das Vorderrad meiner Frau hinein geriet.
Eine erholsame Kaffeefahrt nach Potsdam erfreut uns, besonders an den Wochenenden, immer wieder. Die Radtour geht von Kladow aus (kein Radweg) auf der Sacrower Landstrasse entlang, vorbei an der idyllisch gelegenen Sacrower Heilandskirche nach Krampnitz. Weiter um den Krampnitzer See über Neufahrland auf den Radweg, der an der Bundesstrasse 2 entlang führt, zu der im Norden Potsdams gelegenen russischen Kolonie Alexandrowka. Die Kolonie wurde von König Friedrich Wilhelm III 1826/27 angelegt. Eine Besichtigung ist empfehlenswert. Die Radtour endet in der quirligen Fußgängerzone von Potsdam mit den vielen Geschäften, Gaststätten und Caffees.
Eine sehr abwechslungsreiche Tagestour führt vom Rathaus Spandau durch den gegenüberliegenden Park, vorbei am Falkenhagener Feld und Falkenhöhe, auf den Mauerradweg. Den Mauerradweg entlang bis zur Siedlung Schönwalde. Von dort geht es weiter auf gut ausgebauten Radwegen entlang des Havelkanals bis zur Havel und weiter an der Havel zurück bis zum Rathaus Spandau.
Autor:Fritz Joppe aus Kladow |
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