Warum die Siedlung Havelschatz weichen muss
Kleingärtner stehen der Renaturierung im Weg
„Wir sind hier eine Art gallisches Dorf“, sagt Dr. Martin Cüppers. Er ist einer der Sprecher des Vereins Havelschatz. Die große Mehrheit, rund 80 Nutzer, hat ihre Parzellen schon aufgegeben. Nur Cüppers und rund ein Dutzend weiterer Pächter harrt der Dinge, die da kommen.
Das war ihnen so vorgeschrieben, denn zum 31. Dezember 2024 sollte die Fläche eigentlich vollständig geräumt sein. Die Verbliebenen wehren sich gegen den Auszug. Und sie beklagen eine mangelnde Kommunikation mit dem Bezirksamt.
Schon bei der Bezeichnung für das Areal werden unterschiedliche Begriffe verwendet. Der Verein nennt es eine „Kleingartensiedlung“. Es handle sich hier um keine Kleingartenkolonie im Sinne des Bundeskleingartengesetzes, sondern um eine Wochenendsiedlung, erklärte Baustadtrat Thorsten Schatz. Außerdem habe der Verein nach Kenntnis des Bezirksamtes keinen Unterpachtvertrag mit der Hauptmieterin des vom Bezirk verwalteten Grundstücks.
Letzteres deutet auf die inzwischen bestehenden Eigentumsverhältnisse. Havelschatz war, wie die angrenzenden Uferflächen am Breitehorn bis Ende 2021 im Besitz des Bundes. Der verkaufte sie damals an das Land Berlin. Der Hauptgrund dafür war der stark sanierungsbedürftige Uferweg. Nach dem Erwerb wurde das Gelände zum 1. Juni 2022 an den Bezirk Spandau übertragen. Der sei gleichzeitig dazu verpflichtet worden, „das Gebiet unter Berücksichtigung der öffentlich-rechtlichen Belange im Sinne des Naturschutzes und der Erholungsnutzung für die Allgemeinheit neu zu ordnen“, erläuterte der Stadtrat. Für die Wochenendnutzung „auf dem in Rede stehenden Grundstück“ wäre zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin eine Auflösung vereinbart worden, die vom Bezirk binnen fünf Jahren rechtswirksam werden müsse.
Der Inhalt des Kaufvertrags ist auch den Mitgliedern des Vereins Havelschatz bekannt. Dass er allerdings in ihrem Fall zu einer „vorzeitigen Kündigung“ geführt hat, halten sie „in keinster Weise für nachvollziehbar“. Schon deshalb nicht, weil sich ihre Siedlung „seit jeher mit Solarstrom und Grundwasser naturnah versorgt“. Außerdem verzichte die Politik ohne Not auf die Pachteinnahmen aus diesem Gelände. Martin Cüppers und seine Mitstreiter verweisen vor allem auf eine Machbarkeitsstudie, die im ersten Quartal 2025, also bis Ende März, vorliegen soll. Vorher, so hätte Thorsten Schatz immer wieder beteuert, sollte es keine Entscheidungen für das Gebiet Breitehorn „in seiner Gesamtheit“ geben. In ihrem Fall stelle sich das aber als irreführend heraus.
Die Machbarkeitsstudie habe er in Auftrag gegeben, damit sie für das gesamte Gelände „Handlungsspielräume“ aufzeigen soll, erklärte wiederum der Stadtrat. Denn die von der Senatsverwaltung für Finanzen abgegebene Zweckerklärung stelle das Bezirksamt vor „enorme Herausforderungen“. Für manche Teilbereiche seien „unumstößliche Handlungserwartungen“ formuliert worden. Dazu gehöre auch das Gelände von Havelschatz. Dort müssten die Arbeiten deshalb nach Vorliegen der Machbarkeitsuntersuchung beginnen, um dem Wortlaut des Kaufvertrags Rechnung zu tragen.
Die Ausführungen verweisen auch noch auf einen weiteren Kritikpunkt und dem Gefühl der Benachteiligung, die der Verein vorbringt. Warum, fragt Martin Cüppers, „sind wir von der Kündigung betroffen, zwei weitere Kleingartensiedlungen, die sich am Breitehorn befinden, aber zumindest bisher nicht?“ Wegen der dort größeren Handlungsspielräume, lautet die Antwort des Stadtrats. Eventuell müssten auch in diesen Kolonien einige Parzellen aufgegeben werden. Aber hier gebe es keine ähnlich eindeutig formulierten Vorgaben wie bei Havelschatz.
Die Kündigung, sagt auch der Vereinsvorstand, sei Anfang 2024 erklärt worden. Danach hat es aber nach seinen Angaben keine weiteren Gespräche mit dem Bezirk gegeben. Kontaktversuche, auch über einen Anwalt zu Thorsten Schatz und Bürgermeister Frank Bewig (CDU) wären erfolglos verlaufen. Martin Cüppers hält das für ein „nicht mehr zeitgemäßes Verhalten“.
Am 1. Februar 2024 habe auf Einladung der Pächterin eine Mieterversammlung stattgefunden, bei der auch Vertreter des Straßen- und Grünflächenamtes anwesend waren, um Fragen zu beantworten, setzt der Stadtrat seine Version dagegen. Auch die Pächterin habe bei dieser Veranstaltung noch einmal klargestellt, dass es ihr Wunsch sei, das Mietverhältnis zum 31. Dezember zu beenden. Dem Verein habe er mehrfach die rechtlichen und tatsächlichen Hintergründe sowie den Handlungsrahmen erläutert. Da jedoch im Kaufvertrag eine vollständige Auflösung der Nutzungen festgelegt worden sei, „erübrigten sich sämtliche weiterführenden Gespräche über eine etwaige Bleibeperspektive, die es dort nicht geben kann“. Das Bezirksamt habe die vertraglich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Senatsverwaltung für Finanzen vereinbarten Erwartungen fristgemäß umzusetzen. Komme es diesen Auflagen nicht oder nicht ausreichend bis spätestens zum 31. Mai 2027 nach, „droht dem Bezirk ein erheblicher finanzieller Schaden“. Deshalb habe das Bezirksamt, auch unabhängig von den Ergebnissen der Machbarkeitsuntersuchung, „die Schritte zu unternehmen, bei denen es im Vertrag kein Deuteln gibt“.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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