Schadenersatz reicht nicht aus
Beim Neubau der Salvador-Allende-Brücke wurde ein Vereinshaus der SG Hirschgarten zerstört

Eberhard Nitsch ist seit 22 Jahren Vorsitzender der SG Hirschgarten. Links neben dem historischen Vereinshaus im Hintergrund befand sich das Nebengebäude, das infolge der Bauarbeiten an der Salvador-Allende-Brücke beschädigt und anschließend abgerissen wurde. | Foto:  Philipp Hartmann
9Bilder
  • Eberhard Nitsch ist seit 22 Jahren Vorsitzender der SG Hirschgarten. Links neben dem historischen Vereinshaus im Hintergrund befand sich das Nebengebäude, das infolge der Bauarbeiten an der Salvador-Allende-Brücke beschädigt und anschließend abgerissen wurde.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Vom Nebengebäude des Vereinshauses sind nur noch die bröckligen Reste einer Wand übrig. Daneben hat ein Bagger einen Erdhaufen aufgetürmt. So sieht es jetzt dort aus, wo die Sportgemeinschaft Hirschgarten bis zum Sommer 2021 Mitgliederversammlungen, Weihnachtsfeiern und Führerschein-Schulungen durchgeführt hat.

Dann jedoch wurde das Gebäude so stark beschädigt, dass es nur noch abgerissen werden konnte. Grund war das Einsetzen von Spundwänden beim Neubau der Salvador-Allende-Brücke, die nur wenige Meter vom Grundstück, wo der Wassersportverein seinen Sitz hat, entfernt liegt. Dabei rutschte der Erdboden ab. Eberhard Nitsch, der langjährige 1. Vorsitzende der SG Hirschgarten, hat die Vorgänge genau dokumentiert und den gesamten Schriftverkehr, der danach folgte, in einem Aktenordner abgeheftet. Am 10. Juni 2021 wurde demnach eine Wertermittlung vom Gebäude durchgeführt. „Da war das Haus schon so beschädigt, dass es nicht mehr betreten werden durfte“, berichtet er, während nebenan auf der Baustelle weiterhin Hochbetrieb herrscht.

Der irreparable Schaden an dem Vereinsgebäude entstand beim Einsetzen von Spundwänden für den Neubau der Salvador-Allende-Brücke. | Foto: Philipp Hartmann
  • Der irreparable Schaden an dem Vereinsgebäude entstand beim Einsetzen von Spundwänden für den Neubau der Salvador-Allende-Brücke.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz ermittelte einen Gebäudewert von 31 076 Euro. Die wurden dem Verein beziehungsweise dem Bezirk als Grundstückseigentümer als Schadensersatz bewilligt. Das Problem: Damit könnte nicht einmal im Ansatz ein Ersatzneubau errichtet werden. Darauf wies Sportstadtrat Marco Brauchmann (CDU) Ende November auch in einem Schreiben an die Senatsverwaltung hin. „Mit diesem zeitwertbasierten Betrag kann der Schaden natürlich nicht tatsächlich ersetzt werden. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass der Schadenersatzbetrag den Regeln entsprechend korrekt berechnet wurde. Meine Abteilung schätzt die Kosten eines Ersatzbaus jedoch auf ca. 230 000 Euro. Im Ergebnis ist der Wiederaufbau faktisch unmöglich. Der immaterielle Schaden für den Vereinssport der SG Hirschgarten ist immens“, hatte Brauchmann geschrieben. Eberhard Nitsch sagt, ein Architekt, den er um eine Einschätzung gebeten hat, habe die Kosten sogar auf 350 000 bis 400 000 Euro geschätzt.

Bei den Bauarbeiten zur neuen Salvador-Allende-Brücke waren die Vereinsmitglieder geplagt von dem Betonstaub, der immer wieder auf das Grundstück wehte und sich auf die Boote legte. | Foto: SG Hirschgarten
  • Bei den Bauarbeiten zur neuen Salvador-Allende-Brücke waren die Vereinsmitglieder geplagt von dem Betonstaub, der immer wieder auf das Grundstück wehte und sich auf die Boote legte.
  • Foto: SG Hirschgarten
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Die zuständige Staatssekretärin Dr. Meike Niedbal (Grüne) hatte in ihrer Antwort auf Brauchmanns Schreiben Ende Januar betont, dass die Interessen des Vereins und des Bezirksamts für ihre Verwaltung von Bedeutung seien. Einen höheren Schadensersatz werde es aber nicht geben können. „Nach Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen und der Senatsverwaltung für Finanzen ist die Schadensregulierung für Gebäudeschäden anhand des Gebäudewerts zum Wertermittlungstag durchzuführen. Somit besteht keine andere Möglichkeit, diesen Schaden zu regulieren“, hatte Niedbal erklärt. Für die SG Hirschgarten, die im November 60-jähriges Bestehen feiert, eine unbefriedigende Situation. „Mir steht es bis hier“, so Eberhard Nitsch verärgert.

Wo jetzt noch Schäden am Vereinshaus zu erkennen sind, schloss sich das Nebengebäude an. Im Sommer 2021 wurde es abgerissen. | Foto: Philipp Hartmann
  • Wo jetzt noch Schäden am Vereinshaus zu erkennen sind, schloss sich das Nebengebäude an. Im Sommer 2021 wurde es abgerissen.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

In dem Nebengebäude habe praktisch alles stattgefunden, was ein Vereinsleben ausmache. Dort hätten sich die Mitglieder (aktuell 45) getroffen und gefeiert. Im historischen Vereinshaus sei für Veranstaltungen kein Platz. Dort gibt es nur Duschen und Garderoben. Hinzu kommt, dass die obere Etage seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt werden darf. Dieser Gebäudeteil habe, so erzählt der Vorsitzende, beim Bau der ersten Salvador-Allende-Brücke von 1979 bis 1981 Schaden genommen. Die Geschichte habe sich nun wiederholt. Durch die Bauarbeiten seien auch neue Risse am Vereinshaus sowie in den Mauern der benachbarten Grundstücke entlang der Brücke entstanden. Er habe immer ein gutes Verhältnis zu den Arbeitern auf der Baustelle gehabt, erzählt Nitsch. Auch, als mehrfach Betonstaub auf das Grundstück wehte und für Schäden an den Motor- und Segelbooten sorgte, habe der Verein die Füße stillgehalten.

Da stand das 2021 abgerissene Vereinshaus der SG Hirschgarten noch. | Foto: SG Hirschgarten
  • Da stand das 2021 abgerissene Vereinshaus der SG Hirschgarten noch.
  • Foto: SG Hirschgarten
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Dass die SG Hirschgarten drei ihrer Steganlagen und auch die Terrasse vor dem Nebengebäude für den Bau der Brücke würde abgeben müssen, stand von Anfang an fest. Dafür wurde ein Schadensersatz von 62 832 Euro bewilligt. Stadtrat Marco Brauchmann will sich nun dafür einsetzen, dass dieses Geld umgewidmet wird, sodass beide Summen für einen Ersatz des abgerissenen Gebäudes genutzt werden dürfen. Doch selbst das würde nicht reichen. Eberhard Nitsch würde sich inzwischen auch mit einem Container zufriedengeben und versuchen, Fördermittel dafür zu bekommen, zum Beispiel über die Lottostiftung Berlin. Die Hoffnung, dass die SG ihre Versammlungen nicht mehr in Räumen anderer Vereine durchführen muss, ist beim ihm noch immer da.

So sah es im inzwischen abgerissenen Vereinshaus früher aus. | Foto: SG Hirschgarten
  • So sah es im inzwischen abgerissenen Vereinshaus früher aus.
  • Foto: SG Hirschgarten
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Marco Brauchmann sieht mit Blick auf diesen Fall eine grundsätzliche Problematik im Verfahren des Schadensersatzes in der öffentlichen Hand. „Es wird hier nur der Restzeitwert zum Zeitpunkt des Schadens erstattet, nicht der Wert für einen gleichwertigen Ersatz. Hier muss in Berlin unbedingt nachgesteuert werden. Sonst sind die Ehrenamtlichen und gemeinnützige Vereine die Leidtragenden und werden im Schadensfall doppelt bestraft.“

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 91× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 44× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 453× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.053× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.