Schadenersatz reicht nicht aus
Beim Neubau der Salvador-Allende-Brücke wurde ein Vereinshaus der SG Hirschgarten zerstört
Vom Nebengebäude des Vereinshauses sind nur noch die bröckligen Reste einer Wand übrig. Daneben hat ein Bagger einen Erdhaufen aufgetürmt. So sieht es jetzt dort aus, wo die Sportgemeinschaft Hirschgarten bis zum Sommer 2021 Mitgliederversammlungen, Weihnachtsfeiern und Führerschein-Schulungen durchgeführt hat.
Dann jedoch wurde das Gebäude so stark beschädigt, dass es nur noch abgerissen werden konnte. Grund war das Einsetzen von Spundwänden beim Neubau der Salvador-Allende-Brücke, die nur wenige Meter vom Grundstück, wo der Wassersportverein seinen Sitz hat, entfernt liegt. Dabei rutschte der Erdboden ab. Eberhard Nitsch, der langjährige 1. Vorsitzende der SG Hirschgarten, hat die Vorgänge genau dokumentiert und den gesamten Schriftverkehr, der danach folgte, in einem Aktenordner abgeheftet. Am 10. Juni 2021 wurde demnach eine Wertermittlung vom Gebäude durchgeführt. „Da war das Haus schon so beschädigt, dass es nicht mehr betreten werden durfte“, berichtet er, während nebenan auf der Baustelle weiterhin Hochbetrieb herrscht.
Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz ermittelte einen Gebäudewert von 31 076 Euro. Die wurden dem Verein beziehungsweise dem Bezirk als Grundstückseigentümer als Schadensersatz bewilligt. Das Problem: Damit könnte nicht einmal im Ansatz ein Ersatzneubau errichtet werden. Darauf wies Sportstadtrat Marco Brauchmann (CDU) Ende November auch in einem Schreiben an die Senatsverwaltung hin. „Mit diesem zeitwertbasierten Betrag kann der Schaden natürlich nicht tatsächlich ersetzt werden. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass der Schadenersatzbetrag den Regeln entsprechend korrekt berechnet wurde. Meine Abteilung schätzt die Kosten eines Ersatzbaus jedoch auf ca. 230 000 Euro. Im Ergebnis ist der Wiederaufbau faktisch unmöglich. Der immaterielle Schaden für den Vereinssport der SG Hirschgarten ist immens“, hatte Brauchmann geschrieben. Eberhard Nitsch sagt, ein Architekt, den er um eine Einschätzung gebeten hat, habe die Kosten sogar auf 350 000 bis 400 000 Euro geschätzt.
Die zuständige Staatssekretärin Dr. Meike Niedbal (Grüne) hatte in ihrer Antwort auf Brauchmanns Schreiben Ende Januar betont, dass die Interessen des Vereins und des Bezirksamts für ihre Verwaltung von Bedeutung seien. Einen höheren Schadensersatz werde es aber nicht geben können. „Nach Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen und der Senatsverwaltung für Finanzen ist die Schadensregulierung für Gebäudeschäden anhand des Gebäudewerts zum Wertermittlungstag durchzuführen. Somit besteht keine andere Möglichkeit, diesen Schaden zu regulieren“, hatte Niedbal erklärt. Für die SG Hirschgarten, die im November 60-jähriges Bestehen feiert, eine unbefriedigende Situation. „Mir steht es bis hier“, so Eberhard Nitsch verärgert.
In dem Nebengebäude habe praktisch alles stattgefunden, was ein Vereinsleben ausmache. Dort hätten sich die Mitglieder (aktuell 45) getroffen und gefeiert. Im historischen Vereinshaus sei für Veranstaltungen kein Platz. Dort gibt es nur Duschen und Garderoben. Hinzu kommt, dass die obere Etage seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt werden darf. Dieser Gebäudeteil habe, so erzählt der Vorsitzende, beim Bau der ersten Salvador-Allende-Brücke von 1979 bis 1981 Schaden genommen. Die Geschichte habe sich nun wiederholt. Durch die Bauarbeiten seien auch neue Risse am Vereinshaus sowie in den Mauern der benachbarten Grundstücke entlang der Brücke entstanden. Er habe immer ein gutes Verhältnis zu den Arbeitern auf der Baustelle gehabt, erzählt Nitsch. Auch, als mehrfach Betonstaub auf das Grundstück wehte und für Schäden an den Motor- und Segelbooten sorgte, habe der Verein die Füße stillgehalten.
Dass die SG Hirschgarten drei ihrer Steganlagen und auch die Terrasse vor dem Nebengebäude für den Bau der Brücke würde abgeben müssen, stand von Anfang an fest. Dafür wurde ein Schadensersatz von 62 832 Euro bewilligt. Stadtrat Marco Brauchmann will sich nun dafür einsetzen, dass dieses Geld umgewidmet wird, sodass beide Summen für einen Ersatz des abgerissenen Gebäudes genutzt werden dürfen. Doch selbst das würde nicht reichen. Eberhard Nitsch würde sich inzwischen auch mit einem Container zufriedengeben und versuchen, Fördermittel dafür zu bekommen, zum Beispiel über die Lottostiftung Berlin. Die Hoffnung, dass die SG ihre Versammlungen nicht mehr in Räumen anderer Vereine durchführen muss, ist beim ihm noch immer da.
Marco Brauchmann sieht mit Blick auf diesen Fall eine grundsätzliche Problematik im Verfahren des Schadensersatzes in der öffentlichen Hand. „Es wird hier nur der Restzeitwert zum Zeitpunkt des Schadens erstattet, nicht der Wert für einen gleichwertigen Ersatz. Hier muss in Berlin unbedingt nachgesteuert werden. Sonst sind die Ehrenamtlichen und gemeinnützige Vereine die Leidtragenden und werden im Schadensfall doppelt bestraft.“
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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