Kunst hinter Gefängnismauern
Gerald Steenweg zeigt seine Ausstellung „Zellkultur“
Der Titel der Ausstellung passt zum Ausstellungsort. „Zellkultur“ wird in den Zellen des früheren Amtsgerichtsgefängnisses Köpenick präsentiert.
Der Köpenicker Kulturmanager Matthias Schlesinger hat schon vor Jahren Teile des Zellenbaus angemietet und von der Haftanstalt zur Kunstanstalt umgewidmet. Mit dem Verein Kukuk Berlin organisiert Schlesinger Veranstaltungen, darunter die jährliche Konzertreihe „Musik im Park“ auf der Köpenicker Schlossinsel. Nun sollen die rund 60 Zellen verstärkt als Ausstellungsort genutzt werden.
Die Ausstellung von Gerald Steenweg passt nicht nur vom Titel, sondern auch vom Inhalt der Bilder. Der 58-Jährige hat vor fünf Jahren seinen Job als Sozialarbeiter an den Nagel gehängt, eine private Kunstakademie besucht und den Beruf gewechselt. Er arbeitet mit einer ungewöhnlichen Technik – einer Art Linolschnitt, der auf Plotterfolie gedruckt wird. Ein Teil der Bilder zeigt kleine „Menschlein“, die wie Embryos in Zellen auf ihre „Geburt“ warten.
„Ich hatte von Bekannten von der Kunstanstalt in Köpenick erfahren. Beim Vorbereiten der Ausstellung habe ich mich gefragt, was mit Menschen hinter Gittern passiert. Ein Gefängnis ist ja ein doppeldeutiger Ort. Es schützt die Allgemeinheit vor Straftätern und es separiert seine Insassen. Vielleicht denken die Besucher meiner Ausstellung auch darüber nach“, sagt Gerald Steenweg.
Die Kunstanstalt ist ein ganz besonderer Ort. Das Gefängnisgebäude wurde 1901 zusammen mit dem Amtsgericht errichtet. Damals warteten hier Untersuchungsgefangene auf ihren Prozess. Während der „Köpenicker Blutwoche“ im Juni 1933 erlangte das Gefängnis traurige Berühmtheit, SA-Leute sperrten hier Nazigegner ein, folterten diese und ermordeten einen Teil der Inhaftierten. Ein Teil des Gebäudes ist deshalb eine dem Bezirk Treptow-Köpenick unterstehende Gedenkstätte.
Die Ausstellung „Zellkultur“ ist bis zum 3. Oktober in der Seelenbinderstraße 26 zu sehen. Präsentiert werden die Bilder in den Zellen und Treppenhäusern des Zellenbaus. Geöffnet ist nur zu ausgewählten Zeiten. Die nächsten Termine: 15., 16., 22. und 23. September jeweils von 14 bis 19 Uhr. Am 22. September gibt es auch von 20 bis 23 Uhr die Veranstaltung „Kunst am Knast“ mit Projektionen auf die Fassade, Lagerfeuer und Cocktails. Am 29. September kann die Kunstanstalt von 20 bis 23 Uhr im Rahmen einer Taschenlampenführung besichtigt werden, bitte Taschenlampe mitbringen. Am 3. Oktober von 14 bis 19 Uhr gibt es Führung und Diskussion mit ehemaligen Insassen. Der Eintritt ist frei.
Infos: www.kukuk-berlin.de.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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