Kultband hat sich verabschiedet
Gitarrist Fritz Puppel war seit dem ersten Konzert von "City" 1972 im ABC in Köpenick dabei
Fünf Jahrzehnte auf der Bühne, zahlreiche Alben, Hunderte Songs und eine große Gemeinde treuer Fans, welche die Musik zum Teil das ganze Leben begleitet hat. Am 30. Dezember hat sich „City“ mit einem letzten Konzert vor 12.000 Zuschauern in der Mercedes-Benz Arena endgültig verabschiedet.
„Das war’s…!!! Wir sind überwältigt, traurig und unheimlich stolz. Wir danken all unseren Wegbegleitern und dem besten Publikum der Welt für 50 aufregende Jahre!“, schrieb die Band einen Tag darauf auf ihrer Instagram-Seite. Zahlreiche Fans antworteten darauf mit berührenden Worten. „Es war ein krönender Abschluss. Vielen Dank für die tollen Lieder! Eure Musik bleibt für immer!“, „Ich gönne euch von Herzen euren Abschied und eure wohlverdiente Ruhe, aber ich bin auch unendlich traurig, denn wir sind mit euch groß geworden“ oder „Ihr seid Musikgeschichte und lebt dadurch ewig in den Herzen der Menschen weiter!“ lauteten drei von vielen Kommentaren.
Beim Abschiedskonzert seien die Leute von Anfang an sehr emotional gewesen. Das habe er auf der Bühne gespürt, erzählt Fritz Puppel. Am Ende des Abends sei kein Auge trocken geblieben. Keiner habe nach Hause gehen wollen. Der Gitarrist, dessen Markenzeichen der Cowboyhut ist, war als einziges Bandmitglied vom Anfang bis zum Ende dabei. 1972 gründete der inzwischen 78-Jährige zusammen mit Schlagzeuger Klaus Selmke die „City Band Berlin“. Ihr erstes Konzert spielten sie im heute leerstehenden ABC (Arthur-Becker-Club) in der Nähe des S-Bahnhofs Hirschgarten in Köpenick. Damals wurden sie noch auf einem Sammelplakat mit anderen Bands angekündigt. Mit „Am Fenster“, das bis heute als größter Erfolg eines DDR-Songs im Westen Deutschlands gilt, gelang ihnen 1978 der große Durchbruch.
Fritz Puppel erinnert sich noch gut an die Entstehung des Songs, den er „ein Geschenk des Himmels“ nennt. Sie hätten damals einfach ein bisschen vor sich hingespielt. Das Lied habe gar keinen richtigen Refrain, keine richtige Struktur. Das lange Geigensolo und die Überlänge, damit habe die Plattenfirma überhaupt nichts anfangen können. „Was ist denn das für eine Musik?“, seien sie gefragt worden. Auch er selbst habe während der Entstehung des Songs nicht geahnt, dass genau dieser einmal derart erfolgreich sein würde. „Man hat es definitiv nicht gemerkt, dass das ein Superhit wird.“ Ein Moderator habe „Am Fenster“ damals neben anderen unveröffentlichten Songs kleiner Bands nachts in einer Radiosendung gespielt. Am nächsten Tag seien dort Tausende Zuschriften eingegangen. Auch ein Musikmanager habe das Lied gehört und dann unbedingt ein Album mit ihnen herausbringen wollen. Der „Druck des Westgeldes“ habe dafür gesorgt, dass das Musiklabel „Amiga“ sich von der Veröffentlichung überzeugen ließ. So habe die Erfolgsgeschichte ihren Anfang genommen, berichtet Fritz Puppel. „Das war die Magie des Moments, die bis heute nicht erloschen ist.“ Der Song werde einfach nicht alt. Sämtliche Versuche, daraus eine Coverversion zu machen, seien gescheitert. „Am Fenster“ sei „uncoverbar“, ist Fritz Puppel überzeugt.
Zum Abschied hat es „City“ noch einmal richtig krachen lassen. So brachte die Band 2022 mit „Die letzte Runde“ noch einmal ein Studioalbum heraus. „Wir haben dafür viel mehr Geld ausgegeben, als wir von der Plattenfirma bekommen haben“, verrät Fritz Puppel. Dreieinhalb Monate waren sie mit dem Doppelalbum in den deutschen Album-Charts, zwischenzeitlich sogar auf Platz zwei hinter den „Red Hot Chili Peppers“. Es folgte eine letzte Tournee mit 50 Konzerten. Außerdem wurde eine Biografie veröffentlicht. „Wir wollten aufhören, wenn es am schönsten ist. Die meisten schaffen das nicht.“ Fritz Puppel und seine Bandkollegen Sänger Toni Krahl, Geiger und Bassist Georgi Gogow und Keyboarder Manfred Hennig haben sich nie zerstritten. „Es gibt nichts, was nicht ausgesprochen oder geklärt ist.“
Der schwierigste Moment für die Band war der Tod von Schlagzeuger Klaus Selmke im Mai 2020 nach einer längeren Krebserkrankung. Hundertausende Zuschriften hätten sie danach erhalten. Durch diesen Verlust sei auch die Idee aufgekommen, das Kapitel „City“ zu beenden. „Wir haben zu Klaus gesagt: Egal, was passiert, wir gehen mit dir über die Ziellinie.“ Gemeint war, das 50. Bandjubiläum zu erreichen. Das hat „City“ letztlich geschafft, doch Klaus Selmke hat das nicht mehr miterleben können.
Auch in Zukunft wird sich die Band immer mal wieder treffen. „Wir sehen uns natürlich weiterhin, gehen auch gemeinsam zu Konzerten“, so Fritz Puppel. Mit Toni Krahl führt er die Firma K&P MUSIC GmbH, die hinter der Band steht und mehrere Künstler unter Vertrag hat. Privat hat sich Fritz Puppel vorgenommen, mit seiner Frau, mit der er in Karolinenhof wohnt, viele Städtereisen zu unternehmen und unter anderem seine hochbetagte Cousine in Buenos Aires zu besuchen. Außerdem will er 240-mal im Jahr joggen. Damit habe er vor 20 Jahren angefangen und sei dadurch immer fit geblieben für die zahlreichen Auftritte. „Es gibt kein Loch. Ich habe klare Vorstellungen, wie es weitergeht“, erzählt er über seine Pläne.
Einen Tag nach dem letzten Konzert kehrte Fritz Puppel noch einmal zum ABC zurück, um das Kapitel "City" für sich abzuschließen. „Man gründet eine Band mit dem Wunsch, dass es etwas Großes wird“, sagt er rückblickend. Dieser Wunsch hat sich erfüllt.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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