Immer ein offenes Ohr für Hilfesuchende
Karlheinz Ruschemeier vermittelt in der Pandemie ehrenamtliche Helfer
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben viele Menschen Großartiges geleistet. Sie haben Nachbarn die Einkäufe nach Hause gebracht, Spenden gesammelt oder Telefonseelsorge betrieben, um Ängste und Sorgen zu nehmen. Dafür gebührt ihnen in diesem schwierigen Jahr ein besonderer Dank. Karlheinz Ruschemeier aus der Köllnischen Vorstadt ist einer von ihnen.
Ehrenamtlich tätig ist der Rentner bereits seit Langem. Beruflich hat er jahrzehntelang in verschiedenen Unternehmen und Positionen im Bereich Rehabilitationshilfen für Schwerbehinderte gearbeitet. Grund ist seine Tochter, die ebenfalls schwerbehindert ist und heute in Erfurt bei der Mutter lebt. Zu ihr hat er regelmäßig Kontakt und besucht sie, wann immer es möglich ist.
Vor elf Jahren zog Ruschemeier der Liebe und des Jobs wegen aus Köln nach Berlin, verlor hier nach anderthalb Jahren jedoch seine Stelle und war dann zwei Jahre lang arbeitslos. Zunächst war er deswegen sehr deprimiert. Doch dann überlegte er sich, was er mit seiner zusätzlichen Zeit machen und wie er anderen Menschen helfen könnte.
Arbeit für Menschen
Seine erste ehrenamtliche Tätigkeit übernahm er für den Verein „Kinder Pflege Netzwerk“. Dabei unterstützte er Eltern bei Problemen mit Krankenkassen und Behörden. Über das Sternenfischer-Freiwilligenzentrum lernte er das „Ökumenische Netzwerk im Nachhaltigkeitsprozess Treptow-Köpenick e.V.“ kennen. Dort kümmerte er sich vornehmlich um die Buchhaltung. „Das war mir aber zu dröge. Ich wollte mehr mit Menschen zu tun haben“, erzählt er.
Über das Stadtteilzentrum Campus Kiezspindel in Spindlersfeld kam er dann in Kontakt zum Verein „Leben im Kiez“. Dieser organisierte bereits lange vor Corona Nachbarschaftshilfe. Karlheinz Ruschemeier stellte aber fest, dass sich etwas ändern musste. Die Menschen, deretwegen die Hilfsangebote eingerichtet wurden, suchten den Verein einfach nicht auf. „Ich hatte den Ansatz: Wir müssen zu den Leuten kommen, denn sie kommen nicht zu uns.“ Im Februar dieses Jahres fing er damit an, ältere oder schwerbehinderte Menschen in ihrem Zuhause zu besuchen. Einige von ihnen waren derart eingeschränkt, dass sie ihre Wohnung kaum oder gar nicht mehr verlassen konnten. „Was ich gemacht habe, war nicht coronabedingt“, betont er. Die Betreuung sollte langfristig angelegt sein.
In der Pandemie machte er damit weiter. Seine Hauptaufgabe war die Vermittlung von Helfern in Alltagssituationen, die zum Beispiel Einkäufe oder den Gang zur Apotheke erledigten. „Zunächst habe ich alle Hilfesuchenden persönlich aufgesucht, um die schwere der Einschränkung und das häusliche Umfeld kennenzulernen und ein Bauchgefühl zu bekommen.“ Durch diese Gespräche fand er oft weitere Ansatzpunkte. „Manche hatten zum Beispiel einen Anspruch auf Wohngeld oder einen Schwerbehindertenausweis, wussten aber entweder nichts davon oder hatten zu viel Scham, die Hilfen zu beantragen.“
Angst vor der Ansteckung
Besonders getroffen hat ihn der Fall einer etwa achtzigjährigen Dame aus Köpenick, zu der er bereits vor der Pandemie in Kontakt stand. „Sie war kaum noch in der Lage, ihre Wohnung zu verlassen, wollte aber unbedingt einmal die Woche für einen Spaziergang raus. Deshalb suchte sie eine Person, die ihr mit dem Rollstuhl helfen und sie begleiten sollte, auch um die Treppe im Haus zu überwinden.“ Ruschemeier war bereits dabei, sich darum kümmern, doch Corona kam dazwischen. „Die Frau ruft seitdem immer wieder an, hat aber auch Angst, sich anzustecken, und hat deshalb alle Außenkontakte abgebrochen. Sie steht mit sich selbst in Konflikt“, berichtet er.
Sein ehrenamtliches Engagement ist für ihn zu einem Vollzeitjob geworden, denn auch seine Unterstützung für Familien mit behinderten Kindern hat er nicht aufgegeben. Die Corona-Krise hat auch ihm selbst zugesetzt. „Immer die AHA-Regeln einzuhalten und die Kontakte zu reduzieren, hat negativ auf mich gewirkt und ist mir schwergefallen“, gibt Karlheinz Ruschemeier zu. Zugleich sei es aber auch eine Entschleunigung mit weniger Reisen und weniger Konsum gewesen. „Ich wünsche mir im Zeichen der Umwelt, dass wir einiges aus dieser Zeit lernen und mitnehmen – und nicht direkt danach wieder zu alten Gewohnheiten zurückkehren.“
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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