Eine Siedlung für Menschen mit wenig Geld
Köpenick. Der 24. September 1932 war für Köpenick ein guter Tag. Auf dem Kietzer Feld konnten 120 Familien ihr neues Heim beziehen. Die Stadtrandsiedlung Kietzer Feld wurde eröffnet.
Das Besondere, alle Häuser sollten künftig ihren Bewohnern gehören, sie waren auf Abzahlung gebaut worden. Erst ein Jahr zuvor hatte die Reichsregierung ein Programm zum Bau von Erwerbslosensiedlungen aufgelegt. Allein in Berlin waren 13 derartige Siedlungen geplant, das Bauland stellte die Stadt zur Verfügung. Als Siedler kamen nur Berliner infrage, die schon lange arbeitslos oder in Kurzarbeit waren. Kinderreiche Familien wurden bevorzugt, außerdem musste Bereitschaft bestehen, Pachtland zu bewirtschaften und Gemüse, Kartoffeln und Obst für den Eigenbedarf anzubauen.
Ortschronist Gerd Richter (77) aus Wendenschloß hat sich mit der Geschichte der Erwerbslosensiedlung befasst und viele Fakten zusammengetragen. „Die einfach gestalteten Häuser wurden durch die Stadt und Land Wohnbauten Gesellschaft errichtet. Der Bau eines Hauses kostete 2500 Mark, dazu musste der künftige Bewohner für 500 Mark selbst Arbeitsleistungen erbringen. Die Häuser mit ausbaufähigem Dachboden hatten 50 Quadratmeter Nutzfläche, darunter Wohnzimmer, Schlafkammer und Küche. Zum Haus gehörte ein Stall, außerdem ein sogenanntes Torfstreutrockenklo. Versorgt wurden die Bauten über eigene Brunnen, es gab weder Frischwasser- noch Gasanschluss. Einziger Luxus war ein Stromanschluss der Bewag“, berichtet Gerd Richter.
Mit diesem und ähnlichen Programmen versuchte die Weimarer Republik, die bittere Not durch die Inflation seit Ende der zwanziger Jahre zu bekämpfen. Leider ohne Erfolg, wenige Monate nach Übergabe der Häuser an ihre Bewohner „dankten“ die sozial schwachen Hausbesitzer, indem viele von ihnen die Hakenkreuzfahne der neuen Herren hiessten. Die sozialen Errungenschaften der Demokratie genossen sie jedoch weiter. Waren doch auch unter dem Hakenkreuz pro Monat nur 15 Reichsmark zu zahlen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die meisten Bewohner ihr Heim dann abgezahlt.
„Leider wurde die Erwerbslosensiedlung nie unter Denkmalschutz gestellt. Einige Häuser wurden im Krieg zerstört und durch Neubauten ersetzt. Andere wurden in den letzten Jahrzehnten bei mehreren Umbauten durch ihre Bewohner regelrecht verbastelt“, berichtet Chronist Gerd Richter. Am Finkeldeweg und im Fehleweg kann man jedoch noch heute Erwerbslosenheime fast im Originalzustand sehen.
Gerd Richter hat bereits mehrfach Vorträge zur Geschichte der Erwerbslosensiedlung gehalten. Am 1. Oktober ist es wieder soweit. Ab 11 Uhr berichtet er im KSC-Sportcasino, Wendenschloßstraße 182, wie die Weimarer Republik mit Wohnungsbau versuchte, soziale Not zu lindern. Der Eintritt ist frei. RD
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.