In der Freiheit im Knast
Prominente, Blumen, sogar Fische schaffen es in Köpenick auf ein Straßenschild. Und auch Weltwunder.
„Freiheit“ steht auf dem Schild. Die Straße ist vielleicht 200 Meter lang und führt von Alt-Köpenick bis zur im Umbau befindlichen Feuerwache. Und das soll ein Weltwunder sein? Naja, zumindest ein Köpenicker Weltwunder oder besser ein Kuriosum. Denn ausgerechnet in dieser Straße mit dem Namen „Freiheit“ befand sich einst das Köpenicker Gefängnis.
Das Gebäude steht noch immer auf dem Hof der Musikschule Freiheit 15. Und zum Spaß hat man in eine der schon lange leeren Zellen den Hauptmann von Köpenick gesetzt. Der beziehungsweise sein figürlicher Nachbau darf da seit dem Hauptmann-Jubiläum 2006 über seine Schandtat, den legendären Kassenraub von 1906, nachdenken. Für Touristen gibt es extra eine Plattform für den besseren Blick hinter die Gitterstäbe. Allerdings ist diese Geschichte Legende. Wilhelm Voigt, der falsche Hauptmann, saß nie in Köpenick ein. Gestellt hatte er sich ja im Polizeipräsidium am Alexanderplatz. Und seine vierjährige Gefängnisstrafe büßte Voigt dann bis zur Begnadigung in der Strafanstalt Plötzensee ab.
Der Name der Köpenicker Freiheit hat im Übrigen gar nichts mit Freiheit im Sinne von nicht im Knast sitzen zu tun. Die Straße hieß einst Kurfürstliche Freiheit und wurde 1765 in Freiheit umbenannt. Der Name bezieht sich auf die liberale Flüchtlingspolitik der brandenburgischen Kurfürsten, die hier wegen ihres Glaubens verfolgte Hugenotten siedeln ließen. Bereits 1705 standen in der Freiheit die ersten 25 Häuser. Da die Neuankömmlinge, darunter Tuchmacher und Seidenweber, hochwillkommen waren, befreite sie der Kurfürst von Steuern und militärischer Einquartierung. Daher rührt der Name Freiheit.
Ob heute hier noch Nachkommen der Hugenotten wohnen, lässt sich kaum feststellen. Zumindest hat deren Kirche, die Reformierte Schlosskirchengemeinde, in der Straße immer noch ihre Verwaltung. Das Gotteshaus selbst befindet sich seit über 300 Jahren auf der nahen Schlossinsel.
Heute befinden sich in der Freiheit die bezirkliche Musikschule, die Kultureinrichtung Freiheit 15 mit Veranstaltungssaal und Restaurantschiff, mehrere Kneipen, ein Hotel und kleine Geschäfte. Eine Gedenktafel erinnert an die erst 1910 eingeweihte Synagoge der jüdischen Gemeinde in Köpenick. Sie stand in der Freiheit 8. Zu den jüdischen Köpenickern, die hier beteten, soll auch AEG-Mitbegründer Erich Rathenau gehört haben. Am 9. November 1938 wurde die Synagoge von der SA geplündert und in Brand gesteckt. Nach 1945 wurde das im Krieg weiter zerstörte Gebäude abgerissen. Um die Jahrtausendwende hat die Jewish Claim Conference das Grundstück verkauft, darauf wurde ein Wohnhaus errichtet. Dort erinnert eine Tafel an die Geschichte dieses Standorts.
Die Straße „Freiheit“ mit dem früheren Gefängnis ist übrigens nicht das einzige örtliche Weltwunder. Der Volksmund zählte auch einen Bürgermeister namens Borgmann, einen Lehrer mit dem Namen Dummer und den bekannten Stadtarzt Dr. Todt dazu. Aber das sind schon wieder andere Geschichten.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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