Bücher statt Bier und Korn
Vor fast zehn Jahren öffnete die Mittelpunktbibliothek am Alten Markt

"Marktbörse" um 1960. Die Gaststätte ist noch in Betrieb. | Foto: Heinz Hentschke
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  • "Marktbörse" um 1960. Die Gaststätte ist noch in Betrieb.
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Wer den Ziegelbau der Mittelpunktbibliothek Köpenick sieht, mag denken, sie stände schon ewig in der Köpenicker Altstadt. Dabei wurde der Neubau erst vor zehn Jahren eingeweiht.

Historisch ist der Standort am Alten Markt trotzdem. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich hier ein Gasthaus. Zuerst mit dem Namen „Erste Genossenschaftsbrauerei“ – der Namensgeber stand in Friedrichshagen – und später als „Zur Marktbörse“. Namensgebend war wohl die Tatsache, dass sich Bauern aus dem Umland nach dem Markttag in der Altstadt hier zur Rast trafen. Im Jahr 1921 kaufte ein Paul Seidig das Wirtshaus, der es 1954 an seine Tochter Adeline Meier übergab. Die führte die „Marktbörse“ bis zur Schließung 1979.

Frühere Besucher erinnern sich noch an den Hungerturm, der auf dem Tresen stand, und preiswerte Speisen für die hungrigen Kneipengäste bereit hielt – Rollmöpse, Soleier und Buletten. Vor einigen Jahren konnte der Heimatverein Köpenick den Hungerturm, eine Art gläsernen Kühlschrank, kaufen, durch Potsdamer Studenten restaurieren lassen und dem Heimatmuseum übergeben.

In der „Marktbörse“ wurde auch Defa-Filmgeschichte geschrieben. Mitte der 60er-Jahre drehte hier Frank Beyer mehrere Szenen für seinen Streifen „Spur der Steine“. Legendär ist die Einstellung, in der Manfred Krug als Baupolier Balla nach durchzechtem Abend auf allen Vieren aus dem Wirtshaus krabbelt. Dann geht der Kamerablick nach oben und zeigt den originalen Namen der Kneipe und Werbung für das damals ausgeschenkte Bürgerbräu-Bier.

Nach der Schließung verfiel das Gebäude, der damalige Stadtbezirk Köpenick wollte sich die mit fast 460 000 Mark veranschlagte Sanierung sparen. Die Baupolizei sperrte es 1980. Im April 1984 wurde das Traditionslokal dann abgerissen. Nach dem Ende der DDR wurde – wohl aus nostalgischen Gründen – von einigen Köpenickern der Wiederaufbau gefordert. Der blieb jedoch aus und das Grundstück vorerst leer. Im Herbst 2006 rückten Archäologen an, um auf der Brache in der Vergangenheit zu graben. Gefunden wurden Flaschen, Biermarken, Münzen und andere Hinterlassenschaften aus dem früheren Kneipenkeller. Danach kamen die Bauleute und errichteten die Bibliothek. Das Architektentrio Bruno-Fioretti-Maequez hatte seinen Entwurf im Rahmen eines Wettbewerbs durchsetzen können. Im Dezember 2008 öffnete die Mittelpunktbibliothek die Pforten. Statt Bier sind nun Bücher seit zehn Jahren im Angebot. Und fast ein Vierteljahrhundert später kurz vor dem Abriss 1984 mit verrammelten Fenstern und Türen. Die Mittelpunktbibliothek Köpenick wurde 2008 eröffnet.

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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