Gute Azubis sind schwer zu finden
Raumausstatter Andreas Ritter stößt in seinem Handwerk immer wieder auf Probleme
Handwerksbetriebe haben es schwer. Hohe Mieten, Fachkräftemangel und auch unzuverlässige Auszubildende machen ihnen unter anderem zu schaffen. Davon weiß auch Andreas Ritter zu berichten. Der Geschäftsführer der „Express Polsterei“ in Köpenick bildet noch selbst aus und macht dabei zum Teil abenteuerliche Erfahrungen.
Aktuell beschäftigt Andreas Ritter 24 Mitarbeiter, darunter zwei Lehrlinge. Bis heute hat er etwa 20 junge Menschen zum Raumausstatter und Polsterer ausgebildet. Das Unternehmen gibt es seit 32 Jahren. Gestartet in Friedrichshain unter dem Namen „Steack & Ritter“ war die Polsterei zwischenzeitlich auf dem Gelände des ehemaligen Funkwerks Köpenick zu Hause. Nach der Kündigung wurde Andreas Ritter auf ein leerstehendes Gebäude im Finkeldeweg 86, in dem sich vorher eine Tischlerei befand, aufmerksam.
Ende 2006 konnte er dort mit der Produktion beginnen. Heute gehört die „Express Polsterei“ zu der Minderheit der Handwerksbetriebe in Berlin, die über Eigentum verfügen und damit nicht unter den hohen Mieten leiden. Zu den Kunden zählen Firmen, Restaurants, Clubs, Theater, Hotels, Krankenhäuser, Fitnessstudios, Vereine, Botschaften, Kindergärten und Privatpersonen, die sich zum Beispiel Stühle und Sofas neu beziehen lassen wollen.
Damit sich überhaupt jemand bei ihm bewirbt, schaltet Andreas Ritter Anzeigen in den Medien und wirbt auch über Social Media für sein Unternehmen. Einmal hat ihm auch die Industrie- und Handwerkskammer einen jungen Mann vermittelt. „In den vergangenen Jahren hatten wir Probleme, Leute zu finden. In diesem Jahr aber hatten wir Glück“, sagt er. Aktuell durchläuft die 23-jährige Vanessa aus Tempelhof-Schöneberg bei ihm die dreijährige Ausbildung. Im April hat sie angefangen, nachdem sie nach dem Abitur ein Sozialpädagogik-Studium abgebrochen hat. Sie sei künstlerisch und handwerklich schon immer sehr begeistert gewesen, erzählt Vanessa, während sie einen Cocktailsessel mit rotem Stoff neu bezieht. Sie fühle sich in der Polsterei ganz wohl. Es sei wie in einer Familie. „Ich bin hier das Nesthäkchen, aber das ist ja auch ganz nett.“
Andreas Ritter lobt seine Auszubildende ausdrücklich. Bei der Pünktlichkeit hapere es zwar manchmal, aber daran werde gemeinsam gearbeitet. Sorgen macht er sich allerdings, ob er seine Azubis später auch langfristig im Unternehmen halten kann. „Wir haben das Problem, dass viele hier ihre Ausbildung machen und dann in ganz andere Berufe gehen.“ Warum so viele Azubis sich später umorientieren, darüber kann der 58-Jährige nur spekulieren. „Meine Vermutung ist: Die wollen sich einfach mal im Handwerk ausprobieren, aber das ist ihnen dann doch zu anstrengend oder gesellschaftlich nicht genug anerkannt.“ Eine Lösung dafür hat er nicht parat. „Man muss die Handwerksberufe besserstellen – wie, weiß ich auch nicht.“ Ein richtig guter und schnell arbeitender Handwerker könne auch richtig gut verdienen, betont er.
Geeigneten Nachwuchs zu finden, wird für Ritter aber immer schwieriger. Viele Jugendliche seien planlos bezüglich ihrer Zukunft, brechen ihre Ausbildung wieder ab. Es gebe heute einfach Tausende Möglichkeiten. „Manche sind nicht pünktlich, verschlafen, kommen auch mal gar nicht. Wir müssen sie aber nehmen, denn sonst haben wir niemanden“, berichtet Andreas Ritter.
Die gleichen Erfahrungen hätten auch befreundete Unternehmer gemacht. Manchmal komme es vor, dass Lehrlinge von einem auf den anderen Tag ohne vorherige Anzeichen und ohne Absage einfach nicht mehr zur Arbeit kommen. Auch, dass bereits ein Lehrvertrag unterzeichnet wurde, der Bewerber sich dann aber für einen anderen Betrieb entscheidet, komme vor. Neben guten Erfahrungen mit ausländischen Angestellten – so beschäftigt Ritter beispielsweise einen Iraner und einen Syrer – hat er aber auch schon einige schlechte Erfahrungen gemacht. „Viele wollen uns austricksen. Die brauchen nur den Arbeitsvertrag.“ Das könnte etwas mit der Aufenthaltserlaubnis zu tun haben, glaubt er.
Genervt ist Andreas Ritter auch noch von etwas anderem. „Was aktuell total in ist, ist Auszeiten nehmen, nur 20 Stunden arbeiten und so weiter. Auch die Diskussionen in der Politik über die Vier-Tage-Woche kann ich nicht nachvollziehen.“ Die Bereitschaft, etwas tun zu wollen im Leben, nehme immer weiter ab. Er finde heute kaum noch Mitstreiter, denen die Arbeit Spaß macht wie ihm, auch wenn sie manchmal hart sei. Für Vanessa ist dagegen wichtig, dass ihre Generation nicht zu schlecht dargestellt wird. „Ich finde es okay, dass die Leute auch mal gucken, ob eine Ausbildung etwas ist, das ihnen Spaß macht.“ Wenn jemand dann abbreche, sollte das, so sagt sie, nicht so negativ gesehen werden. In diesem Punkt wird ihr Andreas Ritter wohl nicht zustimmen.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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