Rausschmiss im letzten Moment
Die alte SPD-Bildungsverwaltung berief kommissarischen Schuldirektor der Schulfarm Scharfenberg ab
Last Minute-Entscheidungen einer abgewählten Regierung sind keine Seltenheit. Auch der am 27. April aus dem Amt geschiedene Senat hat versucht, im letzten Moment noch Tatsachen zu schaffen. In diesem Fall die Bildungsverwaltung.
Die Verwaltung der früheren SPD-Senatorin Astrid-Sabine Busse hat mit Schreiben vom 25. April Matthias Völzke, den bisher kommissarischen Direktor der Schulfarm Insel Scharfenberg, abberufen. Parallel dazu sollen ihm zwei Schulen angeboten worden sein, an denen er wahlweise künftig als Lehrer arbeiten könne. Matthias Völzke, der sich in dieser Angelegenheit nicht äußern darf, will sich dem Vernehmen nach gegen das Vorgehen auch juristisch zur Wehr setzen. Die Schulgemeinschaft auf Scharfenberg überlegt weitere Proteste. Sie hofft aber vor allem auf eine Lösung des Konflikts und setzt dabei auf die neue Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU).
Der Fall Völzke hat einen längeren Vorlauf. Der Pädagoge wurde 2020 zum Interims-Schulleiter berufen. Nach weit verbreiteter Auffassung sei es ihm in dieser Funktion gelungen, mehr Ruhe und Struktur in die Schule zu bringen und ihr gleichzeitig neue Impulse zu geben. Deutlich wurde das auch 2022 bei den Veranstaltungen zum 100. Geburtstag der Schulfarm. Außerdem habe Matthias Völzke die Interessen von Scharfenberg gegenüber der Bildungsverwaltung offensiv vertreten, wird ebenfalls immer wieder hervorgehoben. Deshalb habe er sich dort wahrscheinlich wenig Freunde gemacht.
Im vergangenen Jahr startete das Ausschreibungsverfahren für die Besetzung des Direktorenpostens. Auch der kommissarische Leiter wollte sich dafür bewerben, wurde aber nicht berücksichtigt. Offiziell gab es dazu keine Angaben der Senatsverwaltung, was mit Verweis auf Personalangelegenheiten begründet wurde. Nach kolportierter Version kam Matthias Völzke für den Direktorenposten deshalb nicht in Frage, weil er sich in einer dafür noch nicht ausreichenden Besoldungsgruppe befand.
Gegen das Vorgehen regte sich Protest. Anlässlich der ersten Anhörung eines Kandidaten am 6. Oktober 2022 organisierten Schüler und Eltern eine Pro Völzke-Demonstration. Nach ihrer Auffassung soll ein beliebter und engagierter Direktor ausgebootet werden, weil er unbequem sei. Andere Argumente wären vor allem vorgeschoben.
Auch danach gab es weitere Stellungnahmen und Petitionen, etwa einen offenen Brief der Schülerschaft an die damalige Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), die sich dafür aussprachen, Matthias Völzke fest als Chef von Scharfenberg zu installieren. Es folgten weitere Kandidatenpräsentationen, das Veto der Schulvertretung gegen eine ausgewählte Bewerberin Anfang des Jahres. Danach passierte erst einmal nichts mehr. Vielleicht auch wegen der Wahlwiederholung. Bis zum Schreiben vom 25. April das Matthias Völzke mit Wirkung ab 1. Mai von seinem Posten entfernte.
Neben dem Inhalt sorgte der Zeitpunkt für Empörung. Offensichtlich wollte die Bildungsverwaltung ihr fragwürdiges Vorgehen noch kurz vor Torschluss festschreiben, lautet der Tenor. Auch wegen der Haltung der neuen Senatorin. Denn Katharina Günther-Wünsch hatte sich als bisherige Oppositionspolitikerin ebenfalls mit dem Fall Völzke beschäftigt. Im vergangenen Oktober stellte sie eine Anfrage, bei der sie unter anderem wissen wollte, ob Matthias Völzke in das Auswahlverfahren auf Scharfenberg einbezogen werde. Wenn nicht, solle die Senatsverwaltung das „bitte ausführlich“ begründen. Was aber auch in ihrem Fall, Stichwort Personalangelegenheiten, damals zu keiner Antwort geführt hatte.
Als Senatorin kann Katharina Günther-Wünsch auf diese Weise nicht mehr abgespeist werden. Darauf setzt auch die Schulgemeinschaft auf Scharfenberg. Sie erhofft sich eine komplette Neuausschreibung der Direktorenstelle.
Nach Bekanntwerden der Abberufung von Matthias Völzke hat die Berliner Woche sieben Fragen an die Senatsbildungsverwaltung geschickt. Dabei ging es darum, wie die Abberufung und ihr Zeitpunkt begründet werden, in welchem Status sich das Ausschreibungsverfahren nach aktuellem Stand befindet und ob ein neues Verfahren in Erwägung gezogen wird. Eine Frage wollte explizit die Einschätzung der neuen Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch zur Abberufung von Matthias Völzke und zum gesamten bisherigen Prozess wissen.
Die Antwort aus den gesamten Katalog fiel relativ kurz aus und wird hier vollständig zitiert: „Das Thema wurde hier sofort aufgerufen, die Senatorin weiß um den Vorgang zur Schulinsel und bleibt an dem Fall dran. Aufgrund eines laufenden Verfahrens am Verwaltungsgericht Berlin können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Wir bitten um Verständnis. Zu gegebener Zeit wird die Senatorin den Fall konkreter einordnen“.
Eine solche „Einordnung“ der Senatorin wird auch auf Scharfenberg erwartet. Es werde zunächst keine weiteren Aktionen geben, sagte eine Elternvertreterin. Auch deshalb nicht, weil derzeit die Abiturprüfungen laufen. Die Abberufung von Matthias Völzke ausgerechnet in dieser Phase des Schuljahres vollzogen zu haben, wurde als weiterer Beleg für das wenig sensible Vorgehen gewertet. Sollte sich allerdings nichts bewegen, seien weitere Proteste geplant.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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