Volksbelustigung wird nicht gestattet
Steht das Strandbad Tegel vor dem Aus?
Im August 2020 hat der Verein Neue Nachbarschaft Moabit über seine Strandbad Tegelsee gGmbH das lange geschlossene Naturfreibad Tegel übernommen. In der abgelaufenen Saison sind rund 40 000 Gäste gezählt worden, ungefähr doppelt so viele wie im ersten Jahr.
Das war die erfreuliche Nachricht, die Udo Bockemühl, Vertreter der Betreiber, bei einem Vor-Ort-Termin des BVV-Wirtschaftsausschusses am 6. Oktober mitteilen konnte. Er hatte aber auch weniger Positives und sogar Existenzgefährdendes zu berichten.
Ein Problem ist die noch immer unzureichende Abwasserentsorgung. Nur für einen kleinen Teil ist die bisher gewährleistet. Für den größeren Bereich, vor allem das Restaurant, müssen neue Leitungen gelegt werden. Das erwies sich aber aus mehreren Gründen als schwierig. Baumwurzeln oder das Grundwasser stehen als Hindernisse im Weg. Inzwischen scheint eine akzeptierte Abwassertrasse gefunden. Mit ihrer Genehmigung ist allerdings erst im kommenden Jahr zu rechnen. In Betrieb gehen könnte sie 2024. Erst dann wäre auch das Restaurant geöffnet.
Das wäre zwar verzögert, aber immerhin ein Ergebnis. Aber es gibt noch ein weitaus größeres Problem. Das Konzept der Betreiber beinhaltete zahlreiche Veranstaltungen, erklärte Udo Bockemühl. Nicht zuletzt im Restaurant. Dagegen gäbe es aber einen Einspruch der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. Denn das Bad liegt in der erweiterten Schutzzone des Wasserschutzgebiets Tegel. Dort seien Veranstaltungen seit 1995 verboten, bestätigte die Senatsverwaltung auf Nachfrage der Berliner Woche. Unter Veranstaltungen seien konkret Markttreiben und Ausstellungen zu verstehen sowie alles, was der Volksbelustigung dient, zitierte Udo Bockemühl aus dem entsprechenden Passus. Vor allem die letztgenannte Einschränkung wird zur Barriere. Denn als Volksbelustigung lässt sich so ziemlich alles einordnen. Nur das Bad selbst ist davon ausgenommen, weil es bereits lange vor 1995 existierte.
Ohne Veranstaltungen ließe sich die Anlage nicht wirtschaftlich führen, beteuerte Bockemühl. Einnahmen durch Badegäste würden nach seiner Rechnung nur etwa 15 Prozent zum Etat beitragen. Das gelte, so meint er, nicht nur für den Standort am Tegeler See, wo Kinder und Jugendliche freien Eintritt haben und Erwachsene lediglich drei Euro bezahlen.
Die Investitionen, unter anderem für den Umbau des Restaurants, würden von einem privaten Gönner bezahlt. Allerdings unter der Maßgabe, dass sie sich danach auch rechnen. Bleibe es bei den Vorgaben, fehle die entsprechende Geschäftsgrundlage. Damit mache der Betrieb keinen Sinn, wäre eigentlich ein Ausstieg zwingend.
Die Ausschussmitglieder waren einigermaßen konsterniert. Eine erneute Schließung gelte es unbedingt zu verhindern, war sehr schnell der Tenor. Nicht zuletzt, weil sich unter den gegebenen Umständen kaum ein Nachfolger finden ließe. Auch die Verbotslogik wurde hinterfragt. Auf der einen Seite könnten sich hier Hunderte Badegäste gleichzeitig aufhalten. Auf der anderen Seite weitaus weniger bei einer Veranstaltung zusammenkommen. Das sei schwer nachzuvollziehen, meinte Bürgermeister Uwe Brockhausen (SPD). Das Bezirksamt soll bei der Senatsverwaltung tätig werden, lautete ebenfalls eine Forderung, die auch per Antrag formuliert werden soll.
Die Senatsverwaltung habe keine Kenntnis vom Inhalt des Vertrags zwischen der Neuen Nachbarschaft Moabit und den Bäderbetrieben, wurde von dort übermittelt. Sie sei aber in das Vergabeverfahren eingebunden gewesen und habe in diesem Rahmen auf das Veranstaltungsverbot wegen des Wasserschutzgebiets sowie naturschutzrechtliche Bedenken aufgrund des Landschaftsschutzgebiets hingewiesen. Eine Lösung sei deshalb unter diesen Anforderungen „durch die Betreiberin zu erarbeiten“. Nach ihrer Ansicht befindet sich die Senatsverwaltung aber derzeit in einem „konstruktiven Austausch“ mit der Strandbad Tegelsee gGmbH. Dabei gehe es darum „einen Weg zu finden, der den Ansprüchen des vorsorgenden Trinkwasserschutzes Rechnung trägt und einen wirtschaftlichen Betrieb des Strandbades ermöglicht.“
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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