Projekt bringt Schülern den Rechtsstaat nahe
Gesetze als Schutz
Mit dem Senatsprogramm „WiR – Wir im Rechtsstaat“ sollten 2016 junge Geflüchtete mit dem deutschen Rechtssystem bekannt gemacht werden. Jetzt steht es auch allgemein für Schulen offen.
Susanne Zissel hebt auf ihre eigene Frage den Arm. Aber auch Schüler melden sich. Die Jugendstaatsanwältin Zissel wollte von Mittelstufen-Schülern der Gemeinschaftsschule Campus Hannah Höch an der Finsterwalder Straße wissen, ob sie schon mal gemobbt wurden. Dass die Mittelklassenrunde im Projekt „Wir im Rechtsstaat“ bei einem Thema ankommt, das gerade bundesweit in den Medien präsent ist, ist eher Zufall. Aber es hat eben auch mit Rechtsfragen zu tun.
Die Jugendstaatsanwältin schildert also kurz ihren eigenen Fall, der lange nach der Schule passierte. Sie kam in eine neue Abteilung, und wurde dort von den Mitarbeitern geschnitten. Man redete nicht mit ihr, von wichtigen Besprechungen erfuhr sie erst gar nicht. Bald wurde sie von einer Vorgesetzten angeblafft mit der aggressiven Frage, was sie denn den ganzen Tag überhaupt so tue.
Susanne Zissel holte sich Rat, erfuhr, dass sie es tatsächlich mit Mobbing zu tun hatte. Sie ging zu einem höheren Vorgesetzten, schilderte das Erlebte und wechselte in eine andere Abteilung. Geholfen hat ihr dabei ihre Qualifikation, gute Juristinnen werden überall gesucht.
Konkrete Tipps im Fall von Mobbing
Neben dem Hinweis, dass eine gute Ausbildung auch eine Hilfe gegen Mobbing sein kann, hat die Jugendstaatsanwältin dann auch sehr konkrete Tipps, als ihr Schüler von Mobbingfällen berichten. Da geht es um Beschimpfungen und Drohungen in Sozialen Netzwerken, aber auch um bearbeitete Fotos, die den Abgelichteten lächerlich machen sollen. Häufig kommen solche Angriffe von Fake-Accounts, bei denen sich die Täter nicht mit Klarnamen oder Adressen anmelden.
Doch die vermeintliche Anonymität ist kein Schutz für Menschen, die möglicherweise Kriminelles planen. Susanne Zissel berichtet von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmung von Handy und Computern, wenn ein Verdacht gegen Jugendliche bestand, andere beschimpft oder bedroht zu haben. „Dann wird der Computer gründlich ausgewertet, und das kann dauern“, sagt Susanne Zissel. Von einer Referentin ließ sie einen Fall aufarbeiten, in dem ein Jugendlicher ein Mädchen zwingen wollte, ihm Nacktfotos zu schicken. Die Sache endete nach der Anzeige seitens des Mädchens mit einer öffentlichen Gerichtsverhandlung, in der die Nachrichten des jungen Mannes vorgetragen wurde, so wie auch seine eigenen intimen Fotos, die er dem Mädchen „zukommen ließ“, den Prozessbeteiligten gezeigt wurden. Selten habe sie einen Menschen sich so schämen gesehen, sagt Zissel. Der Prozess allein dürfte hier mehr künftige Abschreckung bewirkt haben als eine Strafe.
Nicht alles ist strafbar
Sie verweist aber auch auf den Graubereich zwischen dem, was erlaubt ist, und eindeutiger Kriminalität. Sich mit falschen Daten bei einer Kommunikationsplattform anzumelden, sei noch nicht strafbar. Allerdings müsse man sich fragen, warum man so etwas tue. Ein Fake-Account könne zum Einstieg in kriminelles Verhalten werden.
Die Diskussion ist schnell wieder bei dem, was Mobbing anrichten kann. Ein Schüler berichtet von einer Freundin, die dadurch in Depressionen verfiel. Ein anderer Schüler gibt sich cool: Erhalte er dubiose Nachrichten per Internet, blockiere er einfach den Absender. Und man glaubt dem trainierten jungen Mann auch, dass ihn eine Drohung von Angesicht zu Angesicht wenig beindrucken würde. Zumal er sich an Regeln hält: „Ich wäre schneller beim Lehrer als der andere.“
Damit gibt er das wieder, was Susanne Zissel vermitteln will: Gesetze bieten Schutz, man muss sie aber auch in Anspruch nehmen, zum Beispiel, indem man Lehrer oder andere Vertrauenspersonen anspricht.
Schulen können sich bewerben
Das Projekt „Wir im Rechstsstaat“ wurde 2016 entwickelt, um in Willkommensklassen junge Geflüchtete mit den gesetzlichen Grundlagen des Lebens in Deutschland vertraut zu machen. Inzwischen kann es von Mittelstufen aller Schulen gebucht werden. An den Campus Hannah Höch wurde es von der dortigen Schulsozialarbeit des Trägers Aufwind zusammen mit der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft Lieblingskinder geholt. Informationen zu dem für die Schulen kostenlosen Projekt gibt es bei der Senatsverwaltung für Justiz unter 90 13 34 96.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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