UN-Sonderbotschafter besucht Waldorfschule im Märkischen Viertel
Märkisches Viertel. Die Achtklässler der Walddorfschule Märkisches Viertel schreiben immer eine Jahresarbeit. Das Thema wählen sie selber aus. Yannick Flötotto (13) entschied sich für eines, das ihn schon seit Langem bewegt: Kindersoldaten.
Dieses Bild bekam er einfach nicht mehr aus dem Kopf. „Der Junge wirkte so klein und das Gewehr auf seinem Rücken so riesengroß“, erinnert sich Yannick Flötotto an eine Ausstellung über Kindersoldaten in Zentralafrika, die er als Neunjähriger sah. „Ich habe dieses Foto nie vergessen“, sagt der Waldorfschüler. Dort erblickte er jene Aufnahme, die ihn sofort fesselte. Das Thema sollte ihn nicht mehr loslassen.
Als mit Beginn der achten Klasse die obligatorische Jahresarbeit anstand, griff Yannick das Thema Kindersoldaten auf. Bei der Recherche stieß er unter anderem auf Junior Nzita Nsuami – einst Kindersoldat, heute freiwilliger Sonderbotschafter der Vereinten Nationen. Im Rahmen einer Vortragsreihe besuchte der Sonderbotschafter mehrere deutsche Städte. „Berlin war leider nicht dabei“, erzählt Yannick. „Ich wollte Junior aber unbedingt sehen und mit ihm sprechen.“ Kurzentschlossen reiste die Familie also nach Rostock und traf dort den Mann aus dem Kongo (offiziell: Demokratische Republik Kongo). Yannick bekam nicht nur sein Interview, der Sonderbotschafter versprach sogar, nach Berlin zu kommen und vor den Waldorfschülern zu sprechen.
Doch bis Mitte Januar musste sich Yannick gedulden. Es war gar nicht so leicht für den Sonderbotschafter, einen freien Termin in seinem Kalender zu finden. Nsuami, der als Zwölfjähriger von Militärs aus einem Internat im Kongo verschleppt und zehn Jahre lang als Kindersoldat missbraucht wurde, ist heute ein vielbeschäftigter Streiter für die Kinderrechte.
Es war Yannicks Interesse, das den Aktivisten überzeugte, sich die Berlin-Tage freizuschaufeln. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt der UN-Sonderbotschafter. „Ein Junge, der wohlbehütet in Europa lebt und – zum Glück – keine Erfahrungen mit Krieg und Gewalt hat, will alles über das Thema Kindersoldaten wissen und engagiert sich so. Das hat mich sehr berührt. Deshalb wollte ich Yannicks Wunsch erfüllen.“
Mit seiner Organisation „Paix pour l'enfance“ (Frieden für die Kindheit) kümmert sich Nsuami seit fünf Jahren um Waisen in seiner Heimat. Er sorgt dafür, dass sie satt werden, die Schule besuchen und Pflegefamilien finden. Zudem reist er viel – mit seinem Buch im Gepäck, aus dem er liest und das er verkauft, um aus den Einnahmen seine Arbeit zu finanzieren. „Kadogo – Kindersoldat“ heißt es schlicht; Untertitel: „Wenn ich mein Leben als Kindersoldat erzählen könnte“. In der Waldorfschule im Märkischen Viertel hat Nsuami genau das getan. Vor Jugendlichen und Eltern sprach er erst über die Hintergründe des Krieges, dann schilderte er seine traumatischen Erlebnisse. Dabei schonte er seine Zuhörer nicht. Gewalt und Folter hat er in kaum vorstellbarem Maß erfahren – und selbst ausgeübt, ausüben müssen. In viel zu jungen Jahren. Seine Botschaft ist unmissverständlich: „Die Gesellschaft muss alle Kinder schützen.“
Yannick Flötotto kann vielleicht bald einen Punkt unter seine Jahresarbeit setzen. Dem Thema Kindersoldaten will er sich aber weiterhin widmen. Nicht zuletzt mit eigenen Info-Veranstaltungen und eifrigem Spendensammeln für Nsuamis Hilfsorganisation. Allein am Vortragsabend kamen 1000 Euro zusammen.
Die deutschsprachige Version von „Kadogo – Kindersoldat“ ist in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Versöhnungsbund erschienen und über diesen Verein zum Preis von 15 Euro auch zu bestellen: vb@versoehnungsbund.de. bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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