Horst Viehoefer ist einer der Btx-Pioniere
Das Internet der 80er Jahre
Der Text, den der Mann schickte, machte neugierig. Er war informativ und gut zu lesen. Eine Veröffentlichung, beziehungsweise Auswertung wäre mit Quellenangabe gestattet, schrieb Horst Viehoefer außerdem.
Seine Zeilen behandelten jene technische Kommunikationsinnovation, die Ende der 1970er Jahre aufkam und als ein Vorläufer des Internets gelten kann – den Bildschirmtext, kurz Btx. Menschen jenseits der 40 werden sich daran vielleicht noch erinnern. Zumindest, wenn sie damals in der alten Bundesrepublik oder in West-Berlin gelebt haben. Für Horst Viehoefer gilt das ganz besonders. Denn er gehörte zu den Btx-Pionieren. So seien er und seine Kollegen auch betitelt worden, merkte er an. Beim ihm galt das konkret für das Bildschirmtext-Angebot der Berliner Polizei. Grund genug, sich mit dem Mann einmal wenigstens per Telefon etwas länger zu unterhalten. Wie und warum er mit dieser Technologie in Berührung kam.
Von Osram zur Berliner Polizei
Horst Viehoefer ist heute 82 Jahre alt, gebürtiger Reinickendorfer und lebt schon lange im Märkischen Viertel. Er machte zunächst eine technische Ausbildung und arbeitete in diesem Bereich, bildete sich dann weiter in Richtung Werbung und Marketing, auch durch ein Studium bei der damaligen Hochschule der Künste (HdK). Über berufliche Stationen, unter anderem bei der DTW und Osram landete er im Januar 1976 in der Pressestelle der Polizei.
Eineinhalb Jahre später, im Sommer 1977, wurde Btx bei der Internationalen Funkausstellung zum ersten Mal präsentiert. Vorgestellt vom damaligen Postminister Kurt Gscheidle (SPD), der heute wahrscheinlich selbst politischen Insidern höchstens noch wegen seines Namens in Erinnerung ist. Der Minister trat als Geburtshelfer auf, weil die Deutsche Bundespost der Betreiber des Btx-Systems war.
Auch BVG, BSR und Gasag
sind beim Feldversuch dabei
Es dauerte dann drei Jahre, ehe ein erster Feldversuch mit jeweils rund 2000 Teilnehmern in Düsseldorf und Berlin startete. Gerade das Land Berlin habe hier eine Chance gesehen, auf diesem Weg eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, erinnert sich Horst Viehoefer. Nicht nur die Senatsdienststellen und einige Bezirksämter, machten bei Btx mit. Auch landeseigene Unternehmen wie die BVG, BSR, die (damalige) Bewag oder Gasag. Und die Polizei.
Dort landete die Verantwortung bei ihm. Was mit seinem beruflichen Werdegang zusammen hing. Ein Technikexperte, der außerdem Ahnung von Kommunikation hatte, war sehr gut geeignet. Wobei die ersten Schritte ein „learning by doing“ gewesen seien, resümiert Viehoefer. Rund 500 Seiten hätte in seinem Bereich gepflegt werden müssen. Da ging es um Verkehrsinformationen, Präventionstipps, Fahndungen, ebenso die täglichen Polizeimeldungen. Eigentlich schon so ziemlich alles, was dort heute online zu finden ist.
Mit Zahlenkombination zur Information
Btx kam über das Telefonnetz zum Empfänger. Nach Anwahl der Zentrale folgte die Übertragung mittels Modem oder Akkustikkopplers. Die Daten konnten über den Fernseher oder ein Bildschirmtelefon, genannt Bitel, abgerufen werden. Um sie freizuschalten, brauchte es eine Zahlenkombination, die jedem Anbieter zugeordnet war. „Gesetzt den Fall, die ‚Berliner Woche‘ wäre damals mit dabei gewesen. Dann hätten Sie zum Aufruf von deren Seiten einen Code, versehen mit Stern am Anfang und Raute am Ende, dazwischen eine Zahlenfolge verwenden müssen. Meinetwegen *0815#“, erklärt Horst Viehoefer.
Die Beschreibung des Ablaufs deutet bereits an wo das Problem lag. Das neue Medium war einigermaßen umständlich und damit für manche zu kompliziert. Auch wenn Viehoefer berichtet, dass es eine eingeschworene Fangemeinde hatte. Sogar Menschen, die die Buchstabenfolge B-TX...als Autokennzeichen haben wollten. Noch einen anderen positiven Punkt streicht er heraus. Die Bundespost habe auf solide Informationsangebote geachtet. Der Preis für kostenpflichtige Seiten musste vorher angezeigt werden und durfte auch nicht mehr als 9,99 DM betragen. Auch bei Bestellungen wäre eine Sicherheit eingebaut gewesen. Sie wurden erst durch Eingabe der Zahlenkombination 19, die für Ja stand, wirksam. Wer nichts ordern wollte gab statt der neun eine zwei ein. Ein versehentlicher Kauf, etwa durch unbedachtes Drücken der Enter-Taste, war nicht möglich.
Telekom koppelt Btx mit Internetzugang
Es sei auch nicht so gewesen, dass Btx keine Spuren in Richtung digitale Welt hinterlassen habe, meint Horst Viehoefer und verweist auf den einstigen Versandriesen Neckermann. Nach seinen Angaben habe der durch seinen Bestelldienst via Bildschirmtext den Firmenumsatz um eine Million DM steigern können. Auch das Homebanking hätte sich in dieser Zeit durchgesetzt. Oder zumindest seinen Anfang genommen. Eine Massenwirkung hat der Bildschirmtext aber nie erreicht. Nach dem offiziellen Start 1983 wurde für 1986 mit einer Million Nutzern gerechnet. Es waren aber zu diesem Zeitpunkt nur 60.000. Die Million wurde erst rund zehn Jahre später geschafft. Als T-Online Btx ab 1995 mit dem neuen Angebot eines E-Mail- und Internet-Zugangs koppelte. Die verdrängten den Bildschirmtext, der bald nach Beginn des neuen Jahrtausends endgültig verschwand.
Die Btx-Anfänge könnte man als „prädigitale Zeit“ bezeichnen, meint Horst Viehoefer. So wie anderes, was parallel dazu aufkam, wie der Videotext oder die ersten Rechner. Alles Impulsgeber für etwas neues, das weiter verfeinert werden musste, damit es kompatibel für weite Bevölkerungskreise wurde. Dazu haben Pioniere wie Horst Viehoefer den ersten Beitrag geleistet.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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