Freiluft-Begegnungszentrum soll an gesprengte Dorfkirche erinnern

Diverse Arbeitseinsätze auf dem Kirchhof an der Dorfstraße haben die Leute vom Verein "Wir für Malchow" bereits absolviert. Einige der Gabione stehen bereits.
6Bilder
  • Diverse Arbeitseinsätze auf dem Kirchhof an der Dorfstraße haben die Leute vom Verein "Wir für Malchow" bereits absolviert. Einige der Gabione stehen bereits.
  • hochgeladen von Berit Müller

Es dauerte nur wenige Sekunden und vernichtete Jahrhunderte altes Kulturgut: Im Frühjahr 1945 sprengten Soldaten der Wehrmacht die Malchower Dorfkirche. Wo einst das mittelalterliche Gotteshaus stand, plant der Verein „Wir für Malchow“ einen neuen Ort der Begegnung.

„Nur unsere Dorfkirchen stellen sich uns vielfach als die Träger unserer ganzen Geschichte dar, und die Berührung der Jahrhunderte untereinander in Erscheinung bringend, besitzen und äußern sie den Zauber historischer Kontinuität“. Diese Zeilen aus Theodor Fontanes Roman „Vor dem Sturm“ hat der Verein „Wir für Malchow“ als Motto für sein Erinnerungsprojekt gewählt. Auf dem alten Friedhof an der Dorfstraße, in dessen Mitte einst die den Ort prägende Dorfkirche stand, sollen ein Kriegsmahnmal und ein Freiluft-Gemeindezentrum entstehen.

Rückblick: Am Morgen des 21. April 1945, wenige Tage vor Kriegende, sprengten deutsche Soldaten die Malchower Dorfkirche – fast gleichzeitig mit den Gotteshäusern in Falkenberg und Wartenberg. Mit diesem Akt der Zerstörung sollte den herannahenden Truppen der Roten Armee die Orientierung und ein möglicher Aussichtspunkt auf Berlin genommen werden.

Damit endete jäh die über 700-jährige Geschichte der Dorfkirche. Die ersten Bewohner des um 1230 gegründeten Dorfs Malchow – vermutlich Zuwanderer aus niederdeutschen Gegenden – hatten sie in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts angelegt: als rechteckiges Gebäude samt Turm, aus Feldstein und im Übergangsstil zwischen Spätromantik und Frühgotik. Von 1691 bis 1693 gab es erste bauliche Veränderungen. So wurde der Saal neu aus Backstein errichtet, der Feldsteinsockel blieb erhalten, ein dreiseitiger Choranbau in ganzer Schiffsbreite ergänzte das Gemäuer. Der Feldsteinturm wurde verputzt und mit einer hölzernen, rechteckigen Laterne versehen. Im 17. Jahrhundert bekam die Kirche eine Gruft, gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie zugeschüttet. Ein weiterer Umbau im Jahr 1882 entfernte sowohl Putz und Laterne des Turms als auch eine Turmerhöhung aus Backsteinen.

Im Inneren des evangelischen Gotteshauses gab es eine Orgel, einen einfach gehaltenen Altar, Chorstühle für die Herrschaften, einen gefliesten Fußboden. Zum Inventar zählten außerdem eine Messingtaufschale und ein vergoldeter Abendmahlskelch, beide datierten aus dem 17. Jahrhundert. Das Taufbecken und ein Taufengel gingen im 19. Jahrhundert an das Märkische Museum in Berlin. Wie die Malchower Dorfkirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts aussah, dokumentieren Zeichnungen aus dem Jahr 1834, die in der Potsdamer Plankammer gefunden wurden.

Ein Wiederaufbau der zerstörten Kirche kam für die DDR-Obrigkeit nicht infrage. 1952 erbaute die Malchower Gemeinde daher ihr neues Zentrum, in dem auch die erhaltene Kirchenfahne von 1699 aufbewahrt wird. Ein Mauerrest auf dem Kirchhof wurde als Mahnmal gegen den Krieg gestaltet: mit einer Bronzefigur und dem Schriftzug „Friede auf Erden“. Drumherum lagen jahrzehntelang Feldsteinhaufen - Überreste der alten Dorfkirche. Ein Teil der Steine wurde beim Wiederaufbau der Berliner Nikolaikirche verwendet.

Mit dem Rest hat der Verein „Wir für Malchow“ nun Besonderes vor. Der Zusammenschluss engagierter Dorfbewohner will den verlorenen Ort wiederbeleben. Geplant ist, das alte Gotteshaus quasi auf den Fundamenten nachzuempfinden, ohne es wiederaufzubauen. Dafür werden sogenannte Gabione – Käfige aus Gitterdraht – mit den noch vorhandenen Feldsteinen gefüllt und so aneinander gereiht, dass sie den Grundriss der Kirche nachzeichnen. Oben mit Brettern versehen, können sie als Sitzgelegenheiten dienen.

Wo sich einst der Altarraum befand, soll eine grüne Bühne gestaltet werden, für den Innenbereich sind Rasen- und Wegebereiche geplant. Mehrere hohe Bäume an der Stelle des Turmstandorts sollen an den Ausguck erinnern. Wenn alles fertig ist, können Gottesdienste, Konzerte, Lesungen und andere Kulturveranstaltungen unter freiem Himmel stattfinden. Der Verein will auch Führungen für Jugendgruppen anbieten, um über die Geschichte der Kirche und die Kriegsgeschehnisse zu informieren.

Für vorbereitende Arbeiten hat das Projekt 5000 Euro aus dem 2016 erstmals aufgelegten Lichtenberger Ehrenamtsfonds bekommen. Weitere archäologische Untersuchungen, Baumpflanzungen, Grabungen im Altarbereich, Quellenstudien für Informationstafeln und -material sollen folgen. Der Vize-Vereinsvorsitzende Bernd Tanneberger erstellte einen Kostenvoranschlag. Rund 50 000 Euro müssen über weitere Fördertöpfe zusammengetragen werden. Voraussichtliche Fertigstellung: in drei bis fünf Jahren.

Autor:

Berit Müller aus Lichtenberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

5 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 420× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 539× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 273× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 397× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.