Verein im Porträt: Hilfe für die Nachbarn in Hohenschönhausen
Neu-Hohenschönhausen. Kurz nach der Wende kämpften viele Menschen in der Großsiedlung mit der Arbeits- und Perspektivlosigkeit. In einem Wohnzimmer beschlossen sieben Frauen, diesen Nachbarn zu helfen. In diesem Jahr feiert der Verein für ambulante Versorgung Hohenschönhausen seinen 25-jährigen Geburtstag.
"Die finanzielle Situation hat sich für viele junge Familien, vor allem für Alleinerziehende, verschärft", weiß Evelyn Ulrich. Die Vereinsvorsitzende kennt die Probleme in der Nachbarschaft. Nirgendwo in Lichtenberg leben so viele Alleinerziehende wie in der Großsiedlung Neu-Hohenschönhausen. "Wenn eine Mutter arbeitet, dann gleich in mehreren Jobs", weiß sie. "Der Druck, sich ausbeuten zu lassen, ist hoch. Viele sind überfordert, was wiederum psychische Beeinträchtigungen wie eine Depression nach sich ziehen kann." Mit zwei Projekten versucht der gemeinnützige Verein für ambulante Versorgung Hohenschönhausen hier nachbarschaftlich zu helfen.
"Adebar" heißt das eine Projekt, das in Kooperation mit der Howoge Müttern mit Neugeborenen helfen will. Eine Mutterpflegerin unterstützt die Eltern für einige Stunden bei der Kinderbetreuung, hilft sogar mal im Haushalt. "Das soll den Eltern den Druck wegnehmen", weiß Ulrich. Das andere Projekt heißt "La Luna" und begleitet schwangere Frauen auf ihrem Weg zur Mutterschaft. Eine Sozialpädagogin hilft bei der Frage, was zu einer Erstausstattung gehört und wo es behördliche Hilfen gibt. Sie ersetzt natürlich keine Hebamme, "aber weil es viel zu wenige Hebammen in der Großsiedlung gibt, kann sie die Hebammenarbeit vielfach ergänzen", sagt Ulrich.
Seit mehreren Jahren leitet Evelyn Ulrich die Geschicke des Vereins, der sich vor 25 Jahren gründete. Eine der prominenten Mitgründerinnen ist die frühere Bürgermeisterin der Partei Die Linke, Christina Emmrich. Bis heute engagiert sie sich als Vereinsmitglied. "Die Gründung des Vereins fand ja in meinem Wohnzimmer statt, gleich hier um die Ecke Am Berl", erzählt Emmrich. Die nachbarschaftliche Hilfe war damals, kurz nach der Wende, wichtiger denn je. "Viele wurden arbeitslos, verloren jegliche Perspektive", sagt sie. "In der DDR-Lebenswelt war ja auch das soziale Leben betrieblich eingebunden. Als das wegfiel, verloren sich auch die sozialen Kontakte", fügt Emmrich an, die bis 1990 als Sekretär des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes für Frauenfragen zuständig war. Auch sie wurde damals arbeitslos. Zusammen mit anderen Frauen suchte sie nach einem Weg aus dem Dilemma und nahm sich die gemeinnützigen Vereine im Westteil der Stadt zum Vorbild. Von Anfang an stand im Verein nicht nur im Vordergrund, die Menschen bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung zu unterstützen, auch die ganz praktische Hilfe im Alltag war wichtig.
Schon ein halbes Jahr nach der Gründung beschäftigte der Verein zwölf Mitarbeiter in zwei Projekten aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. "Unser Ziel wurde es aber, eigenständig von den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu werden", sagt Ulrich. Heute zählt der Verein 186 angestellte Mitarbeiter. So ist es geglückt, eigene Arbeitsplätze zu schaffen. Der Verein wendet sich neuen Zielen zu. Zentrum der Nachbarschaftshilfe ist das Nachbarschaftshaus mitten im Ostseeviertel: In der Ribnitzer Straße 1b finden Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, Hilfe. Im Familienzentrum "Grashalm" können Eltern sich wiederum Tipps für einen Kinderhaarschnitt von einer echten Friseurmeisterin holen, und sich beraten lassen, wenn das Baby nicht mehr schlafen will. Es gibt hier Schwangerschaftsgymnastik und ein Familiencafé für kleinstes Geld. "In diesem Haus muss sich niemand mit seinen Problemen outen", sagt Christina Emmrich, die hier regelmäßig Gast ist. Die Vorzüge der guten Hausmannskost in der Kiezküche des Café Klönsnack sind schon lange kein Geheimtipp mehr. KW
Autor:Karolina Wrobel aus Lichtenberg |
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