Paradiese einer Großstadt

Sommerbad Wilmersdorf
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Die Sommerbäder in Berlin

Bundesweit bekannt sind die Schlagzeilen über Massenprügeleien. Stadtweit eilt einigen ein schlechter Ruf voraus. Zu Unrecht, wie ich finde. Menschen, viele die ewig nicht in einem Schwimmbad waren, glauben sich ein Urteil erlauben zu müssen auf Basis einiger, wenn auch sicher übler Schlagzeilen.

Ja, auch wenn im letzten Jahr die Medien offensichtlich schwiegen, über einen fast tot geprügelten jungen Mann, der nur helfen wollte, über Diebstähle, Belästigungen, Prügeleien, es gibt alles in einem Schwimmbad, was es auch außerhalb der Welt der Bäder gibt. Darüber muss berichtet werden. Verschweigen macht nur Angst.

Wenn es ums schwimmen geht, ist schlechtes Wetter im Freibad die einzige Chance. Ansonsten läuft man ständig Gefahr, dass rücksichtslose Besucher trotz Verbotsschildern von der Längsseite dir in den Rücken springen. Ein Trauma, wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiss. In Berlin schafft es der Betreiber nicht, solchen Störern mindestens für eine Saison Hausverbot zu erteilen. Auch die Wegelagerer am Betonrand dürfen trotz Verbotsschildern mit ihren Glasbehältern bleiben wo sie sind. Querpaddlern, die alle gefährden, weil sie sich selbst für die Größten halten, wird kein Einhalt geboten. Geleinte Bahnen, beschildert, bieten etwas mehr Sicherheit. Aber auch das schafft der nach eigenen Angaben "Größte Bäder Betrieb Europas" nur in einigen Bädern.

Warum sollte es auch anders sein in Bädern als im Rest der Stadt. Dort, wo Lokalpolitiker und diejenigen, die im Senat sitzen, sich stark machen für ihren Kiez, Medienangehörige berichten, funktionieren Bürgerämter einigermaßen, werden Brunnen und Grünanlagen bespielt. So unterschiedlich wie Kieze in sämtlichen Lebensbereichen mal gut funktionieren, mal im Chaos zu versinken drohen, läuft es auch in den Freibädern.

Sicher ist nur eins. Mit immer weniger Bademeistern* kann immer weniger das getan werden, was ein Freibad im Sommer ausmacht. Eine schöne, gepflegte Anlage, funktionierende Brunnen, regulierende Bademeister am Beckenrand, die vom Betreiber gestärkt werden und so weiter.

Mir geht es nicht um die gehypten Sommerbäder, die kennt jeder hinlänglich. Liegt es daran, dass vor dem Mauerfall im Westen die Medien in Kreuzberg waren und dort das Sommerbad eben um die Ecke war? Oder am allseits bekannten Schlager über das Strandbad Wannsee? Egal. Klar, beide sind schön, aber weder die ältesten, noch die größten, noch die schönsten, sie sind einfach die Prominenz unter den Bädern. Und aus meiner Sicht leider überschätzt.

Freibäder sind mehr als das, was Schlechtes über sie berichtet werden muss.
Freibäder sind der Ort an dem alle gleich sind in all ihrer Unterschiedlichkeit.

Im Freibad ist es egal, ob deine Schwimmbekleidung vom teuersten Hersteller ist, ob du die tollsten Bikinibeine oder das härteste Sixpack hast. Klar, man guckt kurz und guckt dann wieder in den Himmel. Auf den Pool. Freut sich über die Anlage. Schwelgt in Kindheitserinnerungen. Holt sich das obligatorische Eis oder die Pommes, die du an fast jeder Frittenbude in der Stadt günstiger bekommst.

Geliebt werden alle Freibäder von ihren, oft langjährigen, Stammnutzern.

Freibäder sind der Urlaub vom Alltag. Egal ob du einfach nur deine 30 Bahnen ziehst am Morgen, immer die gleichen, die neben dir schwimmen. Man kennt sich. Erkennt sich, am Schwimmstil. Im Freibad hat auch der Berufstätige ein paar Minuten mehr Zeit.
Man rennt nicht gleich nach der Schwimmsession raus, duschen, föhnen, Arbeit. Im Freibad sitzt man noch 5 Minuten oder länger auf der immer gleichen Bank. Die Haare trocknen auch bei nicht ganz sommerlichen Temperaturen im Wind.

Oder ob du mit der ganzen Familie oder Freunden, Strandliege und Kühlbox am Nachmittag anrückst. Jedes Jahr die Schlange, schwitzen, maulen, um dann mit großen Augen auf ein Schwimmbecken zu schauen, sich den besten noch freien Platz zu suchen. Ob du 60 bist oder 16, das Freibad ist ein magischer Ort. Es ist wie ein Zuhause der Kindheit.

Noch.
Noch wachsen Kinder auf mit der Vorfreude auf den Nachmittag mit planschen, springen, sich beweisen, wer den besten Kopfsprung kann. Noch gibt es Eltern und Großeltern, die den besten Kartoffelsalat aus der Plastikbox holen oder die 3 Euro für das Eis spendieren.
Noch gibt es Jugendliche, die sich im Freibad neugierig und verschämt zugleich ausprobieren. Auch mal über die Stränge schlagen, vom Bademeister ermahnt werden und dann ganz friedlich Musik hören und bis die Durchsage kommt: "Liebe Badegäste, in 30 Minuten schließt unser Bad."
Die Durchsage kommt in immer mehr Bädern immer früher, es ist oft noch Nachmittag.
Einige unserer Freibäder werden wie Stiefkinder vom Betreiber behandelt. Das ist schade.

Ich werde oft gefragt, welches mein Lieblingsbad ist. Diese Frage kann ich gar nicht beantworten. Ich finde jedes unserer Bäder in Berlin hat schöne Seiten und gerade auch die schrulligen Dinge machen unsere einmalige Bäder Landschaft liebenswert.

Sechs der für mich schönsten und bemerkenswertesten Sommerbäder in der Kurzbeschreibung. Müsste ich unter den Freibädern eine Entscheidung treffen, fällt sie zugunsten der vielen Erinnerungen, der Verbundenheit zu meinem Kiez, auf

Meine Sommerliebe
Sommerbad Mariendorf
von Stammnutzern "Rixe" genannt, wird oft mit dem Kombibad verwechselt, in den Medien immer wieder in Marienfelde verortet und vom Betreiber immer mehr vergessen. Im letzten Sommer drei Wochen geschlossen während der Ferien und Sommertemperaturen. Die Saison wurde sogar eine Woche früher beendet mit der Begründung "Wetterlage". Das ist deshalb völlig absurd, weil für andere Bäder genau die gleiche "Wetterlage" dazu führte, dass der Betreiber die Saison verlängerte.
Das am 30.07.1955 eröffnete Bad war nach der Schließung des Seebad Mariendorfdas erste Bad im Bezirk und bis 1964 auch das einzige.
Eine liebevoll angelegte Gartenanlage, die heute verrottet, die Freibad Pinguine, die in vielen deutschen, und damit auch Berliner Freibädern, zur Grundausstattung der in den 1950 er Jahren gebauten Sommerbäder gehörten, zerfallen, das Mosaik des schon lange nicht mehr in Betrieb befindlichen Brunnens wächst zu.
Die Duschen brauchen neue Türen, wenn es windig ist, knallen sie zu und verkannten sich. Und dennoch. Alles ist so vertraut. Und sauber. Taucht man ein in das 50 Meter Becken, kann man von einem Ende zum anderen sehen, so klar ist das Wasser. Ich bin traurig, dass in dieses Bad so wenig investiert wird. Jeden Tag begegnen mir Besucher, die sich erinnern an bunte Blumen, grüner Rasen und Öffnungszeiten ab 7 Uhr morgens. Und ich bin wütend, über die ewige Leier der Besucherzahlen. Für den Rückgang ist einzig und allein die Öffnungspolitik der Betreiber verantwortlich. Diffuse Angaben "bei sehr schönem Wetter öffnen wir um 9 Uhr" nützen, nach all den absurden Wetterdefinitionen, nichts.
Geöffnet 2017 Montag bis Donnerstag 10 bis 18 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr

Das Juwel
Sommerbad Wuhlheide
wurde 1993 nach Sanierung wieder eröffnet. Seit den 1930 er Jahren war auf dem Gelände ein Freibad, "Lichti" genannt. Verkleinert nach der Sanierung, trotzdem für mich das Freibad mit der schönsten Anlage und abwechslungsreichsten Wegführung. Brücken, Hügel, in diesem Bad kann man sogar spazieren gehen und landet immer wieder am Schwimmbecken.
Geöffnet 2017
Samstag bis Dienstag 11-18 Uhr, Mittwoch bis Freitag 10-18 Uhr

Das Blumigste
Sommerbad am Humboldthain

Als eines der ersten beiden reinen Nachkriegs-Freibäder 1951 eröffnet, erwartet den Besucher als erstes ein wundervoller Blick über gepflegte, blühende, bunte Blumen auf ein 50 Meter Becken mit mindestens zwei abgeleinten Bahnen bis mittags. Heute kaum noch vorstellbar, war das Bad auf freier Fläche. Der noch existierende Flakturm ist heute zwar nicht mehr präsent, man kann ihn aber noch besichtigen. Heute ist das Bad mitten in einem wunderschönen Park gelegen.
Geöffnet 2017 täglich von 10 bis 19 Uhr


Das Hügeligste
Sommerbad am Insulaner

ist der Nachfolger des Südende Bad. Gegründet schon 1903, als Schwimmbad 1924 zum ersten Mal eröffnet, ist es bis heute das einzige kommunale Freibad im Bezirk. Ab 1974 wurde im Bezirk zunächst ein Hallen- dann ein Kombibad diskutiert. Im April 1988 schien alles unter Dach und fach, im Mai war wurde alles abgeblasen. Die jahrelangen Pläne und bereitstehenden 57 Millionen D Mark zum Bau eines Kombibades in Lichterfelde wurden, wie so vieles in Berlin, an die Wand gefahren.
Seit letztem Jahr steht im Raum, dass der Betreiber Liegewiesen verscherbeln will.
Geöffnet 2017 täglich von 7 bis 19 Uhr

Das Grünste
Sommerbad Wilmersdorf

eröffnet 1956, noch heute von Stammgästen "Lochow" genannt, weil die Strasse einst Lochowdamm hiess, wird dieser Tradition seit diesem Jahr auch der Betreiber gerecht. Schon am Eingang lädt eine Bank mit der Aufschrift zum verweilen ein. Ein kleiner Aufsteller zur Geschichte des Bades, perfekt, Berliner Bäder Betriebe. Imposante Becken,noch dazu mit drei abgeleinten Bahnen bis mittags, Sprungturm und die wohl gepflegteste Liegefläche der Stadt, ein wirklich grüner Rasen. Funktionierender Brunnen, in dem der Bär aus Stein, gut in Schuss, die Gäste zählt.
Geöffnet 2017 täglich von 7 bis 20 Uhr

Das Nesthäkchen
Freibad Staaken West

wurde 1992 eröffnet und hat alles, was ein Freibad braucht. Ein liebevoll angelegtes Kinderbecken. Ein 25 Meter Schwimmbecken in einer schönen Umgebung. Im Gegensatz zum Umgang mit Nesthäkchen, die meist umhegt werden von der Familie, ist das kleine Familienidyll vom Betreiber leider wenig geschätzt. Schon in den vergangenen Jahren immer öfter auch in der Saison geschlossen, wird es dieses Jahr nur in den Sommerferien geöffnet. Es ist das Freibad, was am meisten unter der miesen Personalpolitik des Betreibers zu leiden hat. Und mit ihm die Besucher.
Geöffnet erst ab 20.07.2017

*Bademeister meint alle Mitarbeiter im operativen Bereich von Bädern

Autor:

schwimm-blog-berlin aus Mariendorf

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