Wer das Adbell-Toddington-Rennen gewinnt, ist Derby-Favorit
Mariendorf. Der Trabersport besitzt seine eigenen Mythen und Legenden. Er lebt von den Erzählungen, die von außergewöhnlichen Pferden und mutigen Fahrern in der über 150-jährigen Geschichte der Sulkyrennen in Deutschland handeln.
Der Hengst Adbell Toddington gehört zu diesen fast schon sagenumwobenen Wesen: ein Traber von wunderschöner Eleganz und Schnelligkeit. Der bekannte Berliner Verleger Bruno Cassirer (1872-1941), der in seinem Hauptberuf Autoren wie Frank Wedekind und Christian Morgenstern förderte und in seinem Nebenberuf Vorsitzender der streng preußisch geführten Obersten Behörde für Trabrennsport war, hatte den Hengst aus Nordamerika importiert. 1913 gewann Adbell Toddington das Derby in Rennrekordzeit und galt fortan als legendär.
Der Traber wurde später als Deckhengst eingesetzt und sein Einfluss auf die Zucht war so groß, dass man sich 1922 entschloss, ein hoch dotiertes Rennen nach ihm zu benennen. Eine Prüfung nur für dreijährige Pferde, die ihre Qualitäten für eine spätere Teilnahme am Derby beweisen mussten. Die Rennbahnen der Hauptstadt in Mariendorf, Karlshorst und im Grunewald standen zu jener Zeit im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Die Veranstaltungen waren von Menschenmengen übervölkert und an den Wettkassen herrschte riesiges Getümmel.
Der Andrang war so groß, dass der Journalist Paul Günther im Jahr 1920 sogar eine Verrohung der Sitten beklagte: „Das Verhalten des Publikums nimmt bedrohliche Züge an. Wenn nur der kleinste Zwischenfall den Verlauf eines Rennens beeinträchtigt, dann geht sofort ein gewaltiger und kaum noch zu kontrollierender Protest durch die wettende Zuschauermasse.“ Die Tumulte waren so gefährlich, dass es beim Galopper-Derby auf der Bahn im Grunewald sogar zum Militäreinsatz kam, bei dem auch Schüsse fielen.
Heutzutage geht es auf den deutschen Bahnen nicht ganz so turbulent zu – doch das mit 20000 Euro Preisgeld dotierte Rennen, das am Sonntag, 22. Mai (Beginn 13.30 Uhr), auf der Traberpiste am Mariendorfer Damm 222 ausgetragen wird, hat nichts von seiner Faszination verloren. Die besten Pferde und Fahrer der Republik werden an den Start gehen. Und wer weiß – vielleicht gibt es sogar wieder einen Berliner Sieg. Über Jahrzehnte hinweg hatten die Hauptstädter beim Kampf um den Sieg zwar nichts zu melden, doch in der vergangenen Saison brach der Tempelhofer Thorsten Tietz (38) endlich den Bann und gewann das Rennen. Gut möglich, dass der in bestechender Form agierende Sulky-Champion erneut ein Pferd auf die Ehrenrunde führt. Wer dem Lokalmatadoren und den weiteren Berliner Teilnehmern die Daumen drücken möchte: Der Eintritt zu der Rennveranstaltung beträgt drei Euro und ist für Jugendliche unter 18 frei. Heiko Lingk
Autor:Heiko Lingk aus Marienfelde |
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