Das Gegenteil von Angst ist nicht Mut
Denise Baetke nahm mit wichtigem Thema am "Internationalen Speaker Slam" teil und war beeindruckt
Es wohl kaum Tage, an dem die Dichte an Rednern so hoch ist: Mitte Oktober trafen sich 77 Frauen und Männer im rheinland-pfälzischen Mastershausen. Jeder hatte exakt vier Minuten Zeit, um die Zuhörer zu begeistern. Beim Weltrekord dabei war die Marienfelderin Denise Baetke. Ihr Thema war "Angst".
Zum „Internationalen Speaker Slam“ geladen hatte der bekannte Autor und Vortragsredner Hermann Scherer, ein Mann, den Denise Baetke sehr schätzt. Das war aber nur ein Grund, warum sie sich für den Redner-Wettstreit angemeldet hat. „Ich spreche schon immer gern vor Menschen, auch wenn ich in Mastershausen extrem aufgeregt war, besonders wegen des Zeitdrucks“, sagt sie. Also hieß es: Konzentration und kurz, knackig und prägnant auf den Punkt kommen. Es gelang.
So viele Menschen zu erleben, mit Botschaften, für die sie brennen – das sei schon etwas ganz Besonderes gewesen, so Denise Baetke. Die Themen waren dabei ziemlich breit gefächert. Zwischen 9 und 18 Uhr, nur von einer kurzen Mittagspause unterbrochen, ging es um Sportprogramme, um Schimmelbefall in Häusern, den Neustart mit 55 plus, das innere Kind, Motivation, Vertrieb und, und, und. Aus acht Ländern stammten die Redner, bis auf die Südafrikanerin sprachen alle auf Deutsch, auch die Teilnehmer aus Russland und Polen, erzählt Denise Baetke.
Ihre vier Minuten drehten sich um Angst und den Zusammenhang zwischen Denken und Sein. „Wir lesen oder hören irgendetwas und machen uns Sorgen. Aber wir sollten begreifen: Das sind nur unsere Gedankenspiele. Wir wissen nicht, was morgen passiert und können die Zukunft nicht kontrollieren, auch wenn wir es noch so sehr wollen“, sagt sie. Der Mensch habe aber sehr wohl die Möglichkeit zu entscheiden, wie er denken will. Nicht mehr vom Schlechten, sondern vom Guten ausgehen und gelassen bleiben. Das Gegenteil von Angst sei nämlich nicht Mut – mutig ist jemand, der trotz seiner Angst etwas tut –, sondern Zuversicht.
Ausbildung zur Mediatorin
Denis Baetke ist Mediatorin. Sie berät bei Konflikten in Firmen, Gruppen oder ganz persönlichen Situationen. Ihr Talent dafür entdeckte sie vor einigen Jahren. Tätig bei einem großen Dachverband, besuchte sie viele Workshops, bei denen es auch darum ging, wo und warum es in Unternehmen klemmt. „Mangelnde Wertschätzung, mangelnde Anerkennung, mangelnde Kommunikation“ seien die immer wiederkehrenden Themen und Klagen gewesen, so Baetke. Sie brachte Menschen oft dazu, miteinander zu sprechen. „Mensch, Denise, du hast aus dem Scherbenhaufen wieder eine Vase gemacht“, sagte irgendwann eine Kollegin. Schließlich machte die Marienfelderin eine Ausbildung zur Mediatorin.
Im Laufe der Zeit wurde ihr immer klarer, dass sehr vielen Schwierigkeiten Angst zugrunde liegt: Der Arbeitgeber hat Angst, dass ihm die Belegschaft auf der Nase herumtanzt, wenn er ihr mehr Freiheit gibt. Der Arbeitnehmer will eine Aufgabe nicht erledigen, weil er Angst vor Fehlern oder vor Veränderung hat. Seinen Mund macht er aber auch nicht auf, weil er um seinen Job fürchtet. Eltern demütigen ihr Kind, weil sie Angst haben, dass es in der Schule nicht mitkommt und machen wiederum dem Kind Angst.
Angst und Sorgen zermürben und lähmen. Mehr noch. „Laut Robert-Koch-Institut leidet jeder sechste Deutsche an einer Angsterkrankung“, so Baetke. Der erste Schritt, etwas zu ändern, sei, die eigenen Ängste zu akzeptieren, nicht abzuwehren und nicht immer den anderen die Schuld zu geben. „Dann wird der Druck kleiner.“ In punkto Arbeitsleben ist Denise Baetke übrigens zuversichtlich, dass sich etwas zum Positiven wendet, hin zu weniger Hierarchie, Autorität, Ungerechtigkeit – und Angst. „Der Markt hat sich geändert, es gibt Fachkräftemangel. Wenn die Arbeitgeber sich nicht umstellen, dann gehen die gut ausgebildeten Jüngeren einfach dorthin, wo es besser läuft.“
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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