Der verschwundene Ponyhof von Marienfelde
In den 1970er-Jahren flimmerte die Fernsehserie „Black Beauty“ über die Bildschirme. In der Hauptrolle ein schwarzer Hengst. Unzählige kleine Mädchen verpassten keine Folge und träumten von einem Pferd. Für die allermeisten blieb es freilich unerreicht.
Diesen Klein-Mädchen-Traum träumte auch Ulrike Kunze, damals so um die sieben, acht Jahre alt, in Tempelhof geboren und in Buckow am Rande der Gropiusstadt aufgewachsen. Ihren Erzählungen zufolge muss sie ihren Eltern mit dem Gequengel nach einem eigenen edlen Ross mächtig auf den Nerven herumgeritten sein.
Ihr Vater fand per Zufall einen Ausweg beziehungsweise Ersatz, um das Töchterchen zufriedenzustellen, und zwar im Nachbarbezirk Tempelhof beziehungsweise Marienfelde. Dort, im historischen Alt-Marienfelder Dorfkern, zwischen einer Hausmülldeponie (heute der Freizeitpark Marienfelde) und kilometerlangen Braunkohlehalden (damals die Senatsreserve für den Fall einer erneuten Berlin-Blockade durch die Sowjets) entdeckte er einen Pony- und Reiterhof. Ulrike war begeistert und für ein paar Groschen wurde sie in den Sattel gehoben und durfte auf echten Pferderücken ihre Runden drehen. „Das war in meiner Kindheit die Attraktion überhaupt und der Ponyhof für geraume Zeit unser festes Ausflugsziel. Die Gegend war kaum bebaut und mit den Feldern ringsum war es noch wie auf dem Land, wo es oft auch Feste und Veranstaltungen gab“, erinnert sie sich beim Ortstermin mit der Berliner Woche und bedauert, dass nur noch ein und dazu noch ein schlechtes Foto aus der Reiterzeit auffindbar ist.
Aber auch so hat sich dieser Lebensabschnitt offenbar dermaßen eingeprägt, „dass ich jedes mal, wenn wir hier vorbeikommen, diese Geschichte aufs neue erzähle, selbst auf die Gefahr hin, damit nun auch meine eigene Familie zu nerven“, lacht sie.
Der Reiterhof ist längst verschwunden, musste Anfang der 1980er-Jahre dem Neubau einer Pumpstation der Wasserbetriebe weichen. Heute erinnert nur noch eine kleine urige Kneipe mit dem Wort Ponyhof im Namen an diese Zeit. Ehemalige Wirtsleute, eine Familie Lange, hatten auch etwa 40 Jahre lang den Ponyhof betrieben. Den Traum vom eigenen Pferd hat sich Ulrike Stutzky, so heißt sie heute, zwar inzwischen abgeschminkt, das änder. aber nichts an dem Umstand, dass die Alt-Marienfelder Dorfaue mit Berlins ältester Dorfkirche sowie dem prächtigen und weitläufigen Gutspark immer noch eine beinahe magische Anziehungskraft auf sie ausübt. Die promovierte Historikerin sowie Buchautorin mit dem Schwerpunkt Mittelalter wohnt inzwischen selbst seit vielen Jahren in Marienfelde, nur wenige Schritte vom historischen Ortskern entfernt und erzählt, dass sie jede sich bietende Gelegenheit wahrnimmt und dort spazieren geht oder auch gern mit ihrem 14-jährigen Sohn Lennart auf der Gutsparkwiese Federball spielt. „Es hat sich im Laufe der Zeit zwar viel verändert, ist für Berliner Großstadt-Verhältnisse aber noch immer eine ländlich geprägte Oase, die hoffentlich noch lange erhalten bleibt“, so das Urteil der Historikerin.
Autor:Horst-Dieter Keitel aus Tempelhof |
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