Ein kleiner Dreh mit großer Wirkung
Familie Lehmann hat enge familiäre Verbindungen zur Ukraine und startet eine Kampagne zum Energiesparen

Karsten Lehmann mit dem "Heizungsmahner". Es war sein Urgroßvater, der den traditionsreichen Hof an der Dorfaue in den 1920er-Jahren übernahm. | Foto:  Schilp
  • Karsten Lehmann mit dem "Heizungsmahner". Es war sein Urgroßvater, der den traditionsreichen Hof an der Dorfaue in den 1920er-Jahren übernahm.
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Lehmanns Bauernhof an der Marienfelder Dorfaue ist vielen Berlinern ein Begriff, auch dank des alljährlichen Weihnachtsmarkts. Jetzt machen Karsten Lehmann und seine Nichte Mila aus anderen Gründen von sich reden: Sie haben die Kampagne #DrehAmRad ins Leben gerufen. Damit wollen sie Menschen ermuntern, Energie zu sparen, Russlands Kriegskasse zu schaden und die Ukraine zu unterstützen.

Karsten Lehmann hat eine enge Verbindung zu dem Land. „Meine halbe Familie lebt dort“, sagt er. Seine Frau stammt aus der Ukraine, Tochter und Sohn wachsen zweisprachig auf, mindestens zwei-, dreimal im Jahr wird den Verwandten ein Besuch abgestattet. Die Schwiegereltern, die im Westen der Ukraine leben, seien zum Glück relativ sicher, so Lehmann. „Relativ“ heißt aber: jeden Tag Luftalarm. Da kann es durchaus passieren, dass seine Kinder auf ein liebgewonnenes Ritual verzichten müssen. Denn sitzt der Opa im Schutzkeller, kann er ihnen nicht, wie sonst jeden Abend, online eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen.

Unvergleichlich schlimmer sei die Situation für eine Tante, die in der Nähe von Kiew wohne, berichtet Lehmann. Hier gebe es fast ständig Angriffe und Alarm. Weil die alte Dame gehbehindert ist und im dritten Stock wohnt, schaffe sie es nicht in den Keller. So flüchte sie sich ins fensterlose Bad. Die Wanne sei längst zum provisorischen Bett umfunktioniert. „Der Krieg bewegt uns total, er macht uns wütend und ängstlich“, sagt Karsten Lehmann. Zusammen mit seiner Nichte Mila, Tochter seines Zwillingsbruders, hat er deshalb überlegt, was sie als Einzelpersonen machen können. Schnell war klar, beim Sparen von Gas und Öl anzusetzen. „Wir haben uns nun mal in die dumme Situation begeben, abhängig von Energie aus Russland zu sein“, so Lehmann.

So kamen die beiden darauf, Sticker sowie Anhänger für Heizkörper zu entwickeln. Geziert werden sie von einer Sonnenblume, der Nationalblume der Ukraine. „Heizung um 2°C runterdrehen!“ steht darauf in gelber Schrift auf blauem Grund. Auf der Rückseite wird erklärt, dass diese geringe Temperaturminderung reichen würde, um über sieben Prozent der Erdgasimporte zu vermeiden und jährlich bis zu drei Milliarden Euro weniger an Russland zu zahlen. „Ein einfacher, ganz kleiner Komfortverzicht, der überdies etwas für die Umwelt tut“, sagt Lehmann.

„Uns geht es aber nicht nur ums Heizen“, erklärt Mila, die gerade Abitur gemacht hat. „Es bringt auch etwas, kürzer und kälter zu duschen oder mal das Auto stehen zu lassen.“ Sie kümmert sich um die Verbreitung der Kampagne in den sozialen Medien und hat die gesamten grafischen Arbeiten erledigt.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen und Mila will auch beruflich in diese Richtung gehen. Sie hat sich bei der Universität der Künste um einen Studienplatz für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation beworben. Aber die Kampagne ist für sie weit mehr als eine Übung. Sie fühlt sich der Ukraine nicht nur aus familiären Gründen verbunden, sie mag „die sehr, sehr freundlichen Menschen“, das Essen, die Kultur, die Karpaten.

Die ersten 10 000 Exemplare des „Heizungsmahners“ sind produziert. Zu haben ist er beispielsweise in Lehmanns Hofladen und in Läden in der Nähe. Man kann ihn unter www.drehamrad.eu herunterladen und ausdrucken. Angestrebt sei eine Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt, so Karsten Lehmann.

Er hat noch mehr vor und überlegt, Kapuzenpullis mit dem Sonnenblumenmotiv herstellen zu lassen – in der Heimatstadt seiner Schwiegereltern, in der es Textilbetriebe gibt. Der Gewinn könnte dann ukrainischen Projekten zugutekommen, die sich um Energieeffizienz kümmern. Seine Frau, die als Lehrerin arbeitet, gibt unterdessen geflüchteten, ukrainischen Kindern und Erwachsenen Deutschunterricht. Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zu zeigen, darum geht es der gesamten Familie. Deshalb weht am Hofeingang auch die gelbblaue Flagge. „Die sind übrigens zurzeit ausverkauft, das ist ein ermutigendes Zeichen“, so Karsten Lehmann.

Mehr über die Kampagne ist zu finden bei Instagram unter dreh.am.rad und LinkedIn unter DrehAmRad.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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