Der Mann mit dem Koffer lebt nicht mehr
Das Bronzedenkmal steht seit 2005 vor der Erinnerungsstätte an der Marienfelder Allee 66-80. Walter Momper, ehemaliger Berliner Regierender Bürgermeister und später Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, sagte bei der Einweihung des Denkmals, dass der Koffer für den Mut der Verzweiflung, der vier Millionen DDR-Flüchtlinge und -Übersiedler stünde, der sie zum Verlassen der DDR trieb. Der Besitzer des Original-Koffers, Hans-Dieter Dubrow, 1930 in Schöneberg geboren und in Stettin aufgewachsen, arbeitete in den 1950er Jahren als Lehrer in Köpenick. Als man ihn und seine Frau, auch eine Lehrerin, den "fehlenden Klassenstandpunkt" vorwarf, wurde die Sache ungemütlich. Er hatte bei der Volkskammerwahl geheim gewählt und daraufhin nach den Sommerferien von Bezirkspolitikern Besuch in seinem Unterricht erhalten.
Zudem waren die Dubrows nicht bereit, über Eltern zu berichten, die ihre Kinder nicht zur Jugendweihe und in die FDJ schicken wollten. Die Schulleitung wollte Hans-Dieter Dubrow daraufhin "zur Bewährung in die Produktion" abschieben. Als Freunde das Ehepaar warnten, sie seien in Gefahr, packten die beiden Lehrer die nötigsten Sachen in den mittlerweile berühmten Koffer und flüchteten am 22. Januar 1958 mit der S-Bahn nach West-Berlin. Ihre erste Station war das Notaufnahmelager Marienfelde, wo sie zunächst das vorgeschriebene Notaufnahmeverfahren durchlaufen mussten.
Um weiter als Lehrer tätig sein zu können, musste Hans-Dieter Dubrow ein Zusatzstudium an der pädagogischen Hochschule absolvieren. Er beendete seinen Schuldienst 1995 als leitender Schulrat. "Für ihn waren das Weitergeben seiner Lebensgeschichte und das Eintreten für die Freiheit wichtig. Deshalb engagierte er sich bei der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde als Zeitzeuge und erzählte Schülern und Besuchergruppen von seinem Leben in der DDR, seinen Gründen für die Flucht und dem Ankommen im Westen. Mit seinen anschaulichen Schilderungen hat er die Lebensverhältnisse in der DDR und den Neubeginn im Westen für heutige Generationen lebendig werden lassen", schreibt Bettina Effner, Leiterin der Marienfelder Erinnerungsstätte in ihrem Nachruf auf Hans-Dieter Dubrow.
Als Mitglied des Zeitzeugengremiums, das die Erinnerungsstätte unter anderem bei der Einrichtung der aktuellen Dauerausstellung beriet, hat Dubrow überdies entscheidend dazu beigetragen, dass die Gedenkstätte bei den Besuchern ein geachteter Ort der Vermittlung deutsch-deutscher Geschichte geworden ist.
Autor:Horst-Dieter Keitel aus Tempelhof |
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