Angekommen bei India-Dreusicke
Modellprojekt „Geflüchtete in Arbeit“ zeigt Erfolge
Der Blick in die Produktionshalle beeindruckt. Bei INDIA-DREUSICKE, einem Unternehmen für Kunststoffverarbeitung, sind große Maschinen und Roboterarme am Werk. Dass Bürgermeisterin Angelika Schöttler Ende September dort vorbeischaute, hatte jedoch einen anderen Grund. Vor Ort konnte sie sich davon überzeugen, dass das Modellprojekt „Geflüchtete in Arbeit“ erfolgreich ist.
Seit einem halben Jahr arbeitet bei INDIA-DREUSICKE eine Iranerin in der Qualitätskontrolle. Die 38-Jährige Zeinab H. (Name geändert) flüchtete 2015 nach Deutschland. In Teheran schloss sie ein Studium als Werkzeugmechanikerin ab und arbeitete zehn Jahre sogar in leitender Position bei einer Firma, die Hochleistungstransformatoren herstellt. Ihre Arbeitserfahrung konnte sie jedoch nicht durch Zeugnisse nachweisen. So erging es ihr zunächst wie vielen anderen Geflüchteten. In Deutschland werden ihre in der Heimat absolvierten Ausbildungen und Berufserfahrungen als nicht gleichwertig angesehen. Frau H. paukte jedoch seit ihrer Ankunft die deutsche Sprache, die sie inzwischen gut beherrscht, und erhielt bei INDIA-DREUSICKE am Nunsdorfer Ring eine Chance, sich zu bewähren.
„Am Anfang war es sehr schwer und ich habe auch ein paar Mal innerlich aufgegeben“, gibt sie zu. Doch sie habe „so gute Kollegen“, die ihr die Eingewöhnung erleichtert hätten. „Sie haben mich korrigiert und mir viel geholfen.“ Über ein Praktikum schaffte sie es, den Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens, Thomas Dreusicke, von sich zu überzeugen. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem, den Versand zu kontrollieren, Kundengespräche zu führen und sich um Musterungen und Freigabeartikel zu kümmern. „Seit zwei Monaten arbeite ich unabhängig. Ich fühle mich sehr wohl“, sagt Zeinab H. glücklich. Der Chef sitzt neben ihr und freut sich über diese Worte. Für ihn sind sie die Bestätigung, dass es sich auszahlt, Geflüchtete einzustellen als Antwort auf den Fachkräftemangel. Dies sei zugleich eine Bereicherung für sein Unternehmen, das bereits seit 1996 in Marienfelde fertigt. Dort werden zum Beispiel Lenkerteile für Sportwagen, Backausstechformen und Teile für Straßenlaternen hergestellt. Das bekannteste Produktionsstück des Unternehmens dürften die roten Kunststoffgehäuse für die „Fritzbox“ sein, die in vielen Haushalten Einzug gehalten hat.
Daneben beteiligen sich 23 weitere Unternehmen im Bezirk an „Geflüchtete in Arbeit“. Bürgermeisterin Schöttler initiierte das Modellprojekt 2016 mit der Gemeinnützigen Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen (GFBM) und anfangs 15 Unternehmen. Ihr Ziel: erwerbsfähige junge Menschen mit Fluchthintergrund ausbilden und beruflich integrieren. Das Programm umfasst einen zirka elfmonatigen Vorbereitungsrahmen, bestehend aus einer Kompetenzfeststellung, Praktika zur Orientierung, einem Sprachkurs und einer Einstiegsqualifizierung. Im Anschluss daran erfolgt die dreijährige betriebliche Ausbildung. Auf dem Weg ins deutsche Arbeitsleben werden die Geflüchteten von sogenannten Lernarchitekten der GFBM betreut, die außerdem Unternehmen und deren Mitarbeiter im Umgang mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachschwierigkeiten beraten.
Zeinab H. ist eine von fast 300 Personen, denen auf diese Weise bereits eine Zukunftsperspektive geschaffen wurde. Manche erhielten einen Studien- oder Ausbildungsplatz, andere direkt eine Arbeitsstelle. „Es hat sich herumgesprochen, dass es funktioniert. Immer mehr Unternehmen melden sich. Wir kommen kaum hinterher“, bilanziert Schöttler. Aus diesem Grund wurde „Geflüchtete in Arbeit“ bis Ende 2019 verlängert.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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