Als würde man eine Kirche abreißen
Offener Brief zum geplanten Teilabriss des Jugendzentrums Rathenower Straße

Brutal schön: der diskutierte Komplex an der Rathenower Straße.  | Foto: KEN
  • Brutal schön: der diskutierte Komplex an der Rathenower Straße.
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Ein neues Jahr – eine neue Dekade, doch die Probleme sind die alten – zumindest für die Initiative „Wem gehört Berlin“. Die kämpft weiter um den Erhalt des Jugendzentrums in der Rathenower Straße 15-18.

In einem offenen Brief an das Landesdenkmalamt Berlin sowie an die Senatoren für Kultur und Europa, Stadtentwicklung und Wohnen sowie Integration, Arbeit und Soziales, Klaus Lederer, Katrin Lompscher und Elke Breitenbach (alle Die Linke), wird die Einberufung eines runden Tisches gefordert, „um das Dilemma zu lösen“. Unterzeichner des Protestschreibens sind Architekten, Ingenieure, Bauhistoriker, Stadtplaner, Publizisten, Künstler und weitere Akteure.

Sie alle fürchten den Teilabriss des Jugendzentrums an der Rathenower Straße zugunsten „Wohnungen (überwiegend im gehobenen Kostensegment)“ und damit die Zerstörung eines „denkmalwürdigen Bauensembles“ aus den 70er-Jahren und einmaligen Zeugnisses „einer experimentierfreudigen, sozialen Einrichtung für Jugendliche mitten im Zentrum der Stadt“.

Im Brief zitiert wird Denkmalpflegerin Gabi Dolff-Bonekämper, Professorin an der Technischen Universität Berlin. Der Komplex sei ein bedeutsamer Entwurf seiner Zeit. Im Kontext der Architekturstile der Spätmoderne und insbesondere des Brutalismus würden Strukturen und Baumaterialien hier offen und ehrlich gezeigt. Skulpturale Treppenaufgänge zeigten von außen, wie der Bau gegliedert ist, aus welchen Materialien er besteht und wie die vorbildliche Erschließung des Gebäudes und des Geländes funktioniert.

Ein Abriss des „überaus robusten und grundsätzlich intakten doppelstöckigen Flachbaus“ würde den Turm als Rumpf entstellen und die ursprüngliche gestalterische Intention zerstören. „Es ist, als würde man eine Kirche abreißen und den Kirchturm zur Erinnerung stehen lassen. Nur im Zusammenspiel aller Teile kann das Ensemble als solches verstanden werden“, heißt es im Brief. Gefordert wird die Aufnahme in die Denkmalliste des Landes Berlin.

Was die Briefverfasser besonders empört, ist, dass die öffentliche Hand abreißen will, die in Gestalt der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) den Gebäudekomplex über die Jahre vernachlässigt habe.

Besorgt sind die Verteidiger des Brutalismus-Baus über die dort beheimateten sozialen Einrichtungen. Sie müssten über Jahre umgesiedelt beziehungsweise ausgelagert werden, so die Befürchtung. Ein Standortwechsel würde sich „empflindlich auf die langsam gewachsenen sozialen Strukturen auswirken“ und zu Verdrängung aufgrund erhöhter Mieten führen.

Der im offenen Brief formulierte Vorschlag: Soziale Träger und „engagierte Menschen vor Ort“ übernehmen das Gelände vom Land Berlin in Erbpacht und bewerben sich als gemeinnützige Genossenschaft, um das Bauensemble zu erhalten und es „im Sinne der sozialen Jugendarbeit weiterzuentwickeln“.

Als bislang erster Politiker hat sich der Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, Frank Bertermann, zum offenen Brief geäußert. Die Brutalismus-Initiative mache Politik mit „brutaler Falschinformation“, so der Grünen-Politiker. „Wohnungen (überwiegend im gehobenen Kostensegement): Richtig dürfte sein: Es soll die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM bauen, mit den dafür üblichen Mieten der landeseigenen Wohnungsbaugessellschaften. Also weit entfernt von Neubaupreisen ,im gehobenen Kostensegment'“.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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