Killer mit Staatsauftrag?
Mord im Kleinen Tiergarten: Bundesanwaltschaft zieht Fall an sich

Nach der Tat im Kleinen Tiergarten sicherten Kriminaltechniker Spuren.

Es geschah am hellichten Tag. Vor knapp vier Monaten, am 23. August, wurde im Herzen Moabits ein Mann erschossen. Das Opfer war der aus Georgien stammende Tschetschene Selimchan Changoschwili (40). Der mutmaßliche Täter, der Russe Vadim Sokolow, wurde noch am Tag der Tat gefasst. Danach wurde es still um den Mord im Kleinen Tiergarten. Nun hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe den Fall an sich gezogen.

Den Mord könnte die russische Zentralregierung oder Russlands Statthalter in Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, in Auftrag gegeben haben. Den Verdacht, es handele sich bei dem Mord um Staatsterrorismus, hatten die Berliner Ermittler schon längere Zeit. Nur reichten die Ermittlungsergebnisse und Indizien für diese These bisher nicht aus. Nun sind die „zureichenden Anhaltspunkte“ beisammen, dass der Mord „entweder im Auftrag von staatlichen Stellen der Russischen Föderation oder solchen der Autonomen Tschetschenischen Republik als Teil der Russischen Föderation erfolgt ist“, teilt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof mit. Er hat den Fall an sich gezogen. Das Bundeskriminalamt ermittelt. Es wird vom Berliner Landeskriminalamt unterstützt. Der mutmaßliche Mörder sitzt unweit des Tatorts weiter in Untersuchungshaft.

Falscher Name in echtem Pass

Die bisherigen Ermittlungen haben ergeben, dass Vadim Sokolow in Wahrheit Vadim Krasikow heißt. Nach dem Mord an einem Geschäftsmann in Moskau am 19. Juni 2013 wurde nach Krasikow gefahndet. Etwa zwei Jahre später löschten die russischen Fahnder diese Mitteilung. Keine zwei Monate nach diesem Vorgang wurde ein Reisepass mit Krasikows Lichtbild auf den Namen Sokolow ausgestellt. „Die russischen Behörden teilten mit, dass es sich um ein echtes Ausweisdokument handelt“, erklärt der Generalbundesanwalt. Ein falscher Name in einem echten Pass: So etwas könne nur eine staatliche Stelle ausstellen.

Vadim Krasikow alias Vadim Sokolow war mit einem von der französischen Botschaft ausgestellten Visum für den Schengen-Raum über Paris und Warschau nach Berlin gereist. Am 22. August traf er in der Stadt ein. Angeblich arbeitete der spätere Killer ausweislich einer Arbeitgeberbescheinigung für das Unternehmen „Zao Rust“. Dieses befindet sich jedoch in „Reorganisation“. Zwei Faxnummern, die auf der Bescheinigung stehen, gehören zu zwei Rüstungsfirmen im Besitz des Verteidigungsministeriums der Russischen Förderation.

Nicht der erste Anschlag auf das Opfer

Was Krasikow seit dem vorzeitigen Verlassen eines Hotels in Warschau und dem Mord an Changoschwili getan und wo er sich in Berlin aufgehalten hat, ist bislang unbekannt. Die Ermittler haben aber keine Hinweise, dass der mutmaßliche Auftragsmörder sein Opfer vorher ausgespäht oder die Tat logistisch vorbereitet hat. Hatte er demnach Komplizen?

Das Mordopfer Selimchan Changoschwili, das sich auch Tornike Kavtaradze nannte, soll im zweiten russisch-tschetschenischen Krieg eine tschetschenische Miliz kommandiert und gegen russische Streitkräfte gekämpft haben. Zudem soll er im Auftrag der georgischen Regierung im August 2008 eine 200 Mann starke Kampfeinheit zur Verteidigung Südossetiens aufgestellt haben.

Am 28. Mai 2015 hatte ein bislang unbekannter Täter in Georgiens Hauptstadt Tiflis bei einem Anschlag insgesamt acht Schüsse auf Changoschwili abgegeben. Vier Projektile trafen den Mann. Er überlebte schwer verletzt. 2016 kam er als Asylbewerber nach Deutschland.

Der Mord an Selimchan Changoschwili im Kleinen Tiergarten hat zu diplomatischen Verwicklungen geführt. Die Bundesregierung hat zwei russische Diplomaten des Landes verwiesen.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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