Düsterer Ort der Geschichte
Die ehemalige Nördliche Militär-Arrestanstalt war Drehort für „Babylon Berlin“
Es ist fast wie in den Siebzigern: Eine Fernsehserie wird zum Straßenfeger. Nach der Premiere auf Sky läuft im Ersten „Babylon Berlin“, das dramatische Gemälde von Berlin im Jahre 1929 und ein wirklich spannender Krimi. Die Vorlage lieferte der Roman „Der nasse Fisch“ von Volker Kutscher. An vielen Originalschauplätzen in der Stadt wurde gedreht. Auch die Moabiter können eine kleine Zeitreise antreten, in die Lehrter Straße.
Eines der steinernen Moabiter „Darsteller“ in der Fernsehserie „Babylon Berlin“ ist ein beeindruckende Gefängnisbau, die ehemalige Nördliche Militär-Arrestanstalt in der Lehrter Straße 60-61. In den Szenen, die in den zwei Staffeln der Serie mit jeweils acht Teilen gezeigt werden, bewachen zwei Uniformträger das düstere schwere Rundbogentor der Haftanstalt. Auftragskiller „Pater“ Wilczek durchschreitet es mit finsterer Miene.
„Berlin Babylon“, die teuerste deutsche TV-Produktion aller Zeiten, erzählt mit großer Liebe zum Detail nicht nur eine Kriminalgeschichte über den von Köln in die „Reichshauptstadt“ gekommenen Kriminalkommissar und Sonderermittler Gereon Rath, gespielt von Volker Bruch, und um die nassforsche Stenotypistin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries), die sich zur Kriminalassistentin hocharbeitet.
Die Serie der drei Drehbuchautoren und Regisseure Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten zeichnet zugleich ein fein ziseliertes gesellschaftliches und politisches Sittenbild der Stadt in den „wilden“ Zwanzigern. Roman und Drehbuch konzentrieren sich auf das Jahr 1929, das avantgardistische Kultur- und Kunstleben in der Stadt und auf den „Blutmai“, die Überreaktion der Berliner Polizei auf die verbotenen Mai-Demonstrationen der Kommunisten mit 24 Toten.
Das frühere Militärgefängnis in der Lehrter Straße ist aber auch Kulisse für Szenen, die die politische Gegenseite der Kommunisten beleuchten: Im Gefängnishof planen hochrangige Angehörige der Reichswehr bei Bier und Wurst einen Staatsstreich gegen die verhasste Weimarer Republik: den „Prangertag“.
Der Komplex in der Lehrter Straße 60-61 wurde 1898 bis 1902 im Auftrag der Königlichen Garnisonsverwaltung errichtet. Architekt war Heinrich Adolf Holland. Er hatte zuvor Mietshäuser in Kreuzberg entworfen. 1916 sitzt dort als Untersuchungshäftling Karl Liebknecht ein. Er hatte gegen den Krieg protestiert. Von den 50er-bis 80er-Jahren war Hausnummer 61, Haus 3, Frauenhaftanstalt. Aus ihr kann im August 1973 Inge Viett, seinerzeit Mitglied der linksextremistischen terroristischen Vereinigung „Bewegung 2. Juni“, fliehen. Ein Ausbruch gelingt ihr abermals am 7. Juli 1976, diesmal zusammen mit Juliane Plambeck (1952-1980), Monika Berberich und Gabriele Rollnik.
Das alte Gerichtsgebäude an der Lehrter Straße war bereits 2015 Drehort. Damals entstanden dort Aufnahmen für den Spielfilm „Die Blumen von gestern“ über einen Holocaustforscher von Chris Kraus. 2015 gab es kurz Überlegungen seitens des Senats, in der Lehrter Straße 60-61 Flüchtlinge unterzubringen. Die Idee wurde bald verworfen. Im Sommer 2016 wurde eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht, wie die denkmalgeschützte Nördliche Militär-Arrestanstalt künftig genutzt werden könnte: nämlich für Künstlerateliers, Arbeitsräume für Musiker und Literaten, für Tanz- und andere Kulturveranstaltungen sowie für den Drogennotdienst und die Zentrale Kontakt- und Beratungsstelle. Es gibt einen positiven Bauvorbescheid. Mehr hat sich in zwei Jahren nicht bewegt.
Mehr zu den Drehorten von „Babylon Berlin“ auf http://asurl.de/143z. Dort sind auch Szenenausschnitte zu sehen.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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