Hier wacht der große Schweiger
Porträtkopf eines preußischen Militärs ziert eine Spree-Brücke
Wir haben mal wieder eine Spreefahrt unternommen. Der Ausflug auf dem blauen Band der Stadt ist immer lohnend – auch für Einheimische – und bringt die Erkenntnis: Vom Wasser aus ist Berlin am schönsten. Heiter also ist die Stimmung auf der Fahrt unter den vielen Brücken. An einer aber wird man sehr streng angeschaut.
Auf den Zentimeter genau fährt das Ausflugsschiff auf den Schlussstein im mittleren Brückenbogen zu. Es ist die Begegnung mit einem ernsten alten Mann im Lorbeerkranz. Sein Kopf ist an den Seiten symmetrisch eingerahmt von zwei an ihren Enden aufgerollten Bändern und bekrönt von einem weiteren, dekorativen Rollwerk-Element.
Verdüstert wirkt sein Blick unter den großen Augenwülsten. Tränensäcke und tiefe Falten sind zu sehen, eine kräftige Nase und ein schmallippiger, nach unten gezogener Mund. Das ist kein idealisiertes, geschöntes Gesicht, trotz Siegerkranz. Auf der anderen Seite im mittleren Brückenbogen dasselbe Porträt.
Hier grüßt nicht, hier wacht „der große Schweiger“ über den Fluss und die, die ihn befahren, Helmuth Karl Bernhard von Moltke (1800-1891), aus uraltem mecklenburgischem Adel, preußischer Generalfeldmarschall, Chef des Generalstabes, genialer Stratege der drei Einigungskriege. Und die Brücke ist „seine“ Brücke, die Moltkebrücke, die den Moabiter Werder mit dem heutigen Parlaments- und Regierungsviertel in Tiergarten verbindet. Preußischer Militär und Demokratie? In Berlin geht eben auch Unvereinbares zusammen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die 1886 bis 1891 unter der künstlerischen Leitung des Berliner Baurats Otto Stahn (1859-1930) errichtete Brücke beschädigt. Ab 1947 war sie wieder befahrbar. In der ersten Hälfte der 80er-Jahre hat man die Brücke umfassend restauriert und modernisiert. Die Stahltragkonstruktion wurde mit rotem Mainsandstein verblendet. Sie steht unter Denkmalschutz.
Moltkes grimmigen Porträtkopf wie auch die Köpfe Gebhard Leberecht von Blüchers, Georg von Derfflingers, Cäsars und Athenes hat der Bildhauer Karl Begas 1891 geschaffen. Er führte in der Wilhelminischen Ära viele große öffentliche Aufträge aus. Die beiden Moltkeköpfe sind allerdings nicht mehr Begas' Originale. Sie wurden im Krieg zerstört. 1986 schuf der Bildhauer August Jäkel nach Bildvorlagen Repliken.
Helmuth Karl Bernhard von Moltke trifft man übrigens ein weiteres Mal: als Marmorstandbild von Joseph Uphues aus dem Jahr 1905 am Großen Stern. Bis zu seiner Umsetzung im April 1939 befand es sich am Königsplatz, dem heutigen Platz der Republik. Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke auf einem Albumin-Foto aus dem 19. Jahrhundert.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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