Verbreiteter Irrtum
Turmstraße keine Sichtachse zwischen Türmen

Die "Thurm Strasse" im Berlin-Plan des Bibliographischen Instituts, 1832. | Foto: Wolfgang Herrmann/Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
  • Die "Thurm Strasse" im Berlin-Plan des Bibliographischen Instituts, 1832.
  • Foto: Wolfgang Herrmann/Zentral- und Landesbibliothek Berlin.
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Rechnet man von der Ansiedlung der französischen Glaubensflüchtlinge, so feiert Moabit in diesem Jahr sein 300-jähriges Bestehen. Das Jubiläum veranlasst, die zentrale Straße im Ortsteil, die Turmstraße, einmal näher zu betrachten.

Der Hobbyhistoriker Wolfgang Herrmann hat eine interessante Entdeckung hinsichtlich der Namensgebung der Magistrale gemacht und räumt gleichzeitig mit einem landläufigen Irrtum auf. Grundlage für Herrmanns Recherchen sind ausschließlich historische Landkarten und Stadtpläne.

Bisher wurde vermutet, die zahlreichen Türme an der Turmstraße – die Türme der Heilandskirche, der St. Johannis Kirche und des Berliner Landgerichts – seien der Grund für die Benennung. Oder: „Ihren Namen erhielt die Turmstraße als Sichtachse zwischen den Türmen der Sophienkirche im heutigen Ortsteil Mitte und der Nikolaikirche in der damals noch eigenständigen Stadt Spandau“, wie 2016 auf Wikipedia zu lesen war. Stimme alles nicht, sagt Herrmann nach einem Blick ins alte Kartenwerk. Die Turmstraße, die früher Spandauer Straße hieß, sei krumm wie eine Banane und verlief durch den Wald. „Die Turmstraße ist keine Sichtachse“, stellt der geschichtsbegeisterte Diplomingenieur fest.

Prägende Pulvertürme

Der Name „Thurm Strasse“ taucht erstmals 1832 im Berlin-Plan des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen auf. An diesem Abschnitt der Spandauer Straße stand der neue Pulverturm Nummer 4 neben der Pulverwache. Von dieser aus wurden die anderen Pulvertürme in der Gegend überwacht. In den Magazinen wurde das Schießpulver für Kanonen gelagert. Herrmann vermutet nun, dass der vierte Pulverturm „Namenspatron“ der Turmstraße war, „weil die Pulvermühle und die Pulvertürme in dem Industrie- und Militärgebiet vor den Stadtmauern von Berlin landschaftsprägend waren“.

Die Moabiter Pulvermühle wurde laut Herrmann 1832 bis 1837 nach Haselhorst in die Nähe der Zitadelle Spandau verlegt und schließlich 1919 geschlossen. Die Pulvertürme an der Turmstraße wurden dennoch weiterhin als Lagerorte für Schießpulver genutzt. In einem Stadtplan aus dem Jahr 1871 ist der Pulverturm Nummer 4 nicht länger ein Pulvermagazin, sondern eine Filiale der Musterstrafanstalt, einem Zellengefängnis.

Erwähnt sei noch, dass die Turmstraße einmal bis zur heutigen Heidestraße verlief. Der Exerzierplatz, auf dem nach 1945 der Fritz Schloß-Park entstand, existierte damals allerdings noch nicht.

„Das Verkaufs-Marketing der Immobilienmakler und Bodenspekulanten hat dann später zwei Kirchtürme als Grund für die Benennung der Turmstraße missbraucht, weil die schmerzlichen Erinnerungen an die vielen Todesopfer, die durch die Schießpulverproduktion und die Schießpulverlagerung zu beklagen waren, nicht den Verkaufswert der Immobilien an der Turmstraße mindern sollten“, notiert Herrmann in der Abhandlung „Der Name der Turmstraße“.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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