Humanitäre Katastrophe: Freiwillige Helfer berichten über die Situation vor dem LAGeSo

Flüchtlinge, die beim Lageso auf ihre Registrierung warten, gehören inzwischen zum gewohnten Bild der Turmstraße. | Foto: KEN
2Bilder
  • Flüchtlinge, die beim Lageso auf ihre Registrierung warten, gehören inzwischen zum gewohnten Bild der Turmstraße.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Moabit. Vielleicht sei das Chaos vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales ja gewollt, um Menschen davon abzuschrecken, nach Deutschland zu fliehen, so eine Teilnehmerin des jüngsten Stadtteilplenums in Moabit-West.

Bürger ließen sich am 18. August im Stadtschloss-Treff in der Rostocker Straße über die aktuelle Situation informieren und sparten nicht mit Kritik am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und am Senat. „Ich dachte, ich bin in Dantes Inferno“, so die Moabiter Grüne Jutta Schauer-Oldenburg über ihren Besuch auf dem LAGeSo-Gelände am 3. August. Seither hat sich nicht viel zum Besseren gewendet, wie Esther Sommerfeld berichtete.

Die Versorgung der Menschen vor dem LAGeSo auf dem Gelände des ehemaligen Moabiter Krankenhauses an der Turmstraße werde komplett von Ehrenamtlichen geleistet, so die in der Initiative „Moabit hilft!“ und in der "Refo-Gemeinde – Kirche im Kiez" Aktive. Viele hätten sich extra Urlaub genommen. Zwar gebe es jetzt eine Wasserbar der Berliner Wasserbetriebe, aber freiwillige Helfer müssten sie bedienen und nicht etwa Mitarbeiter des Unternehmens.

Nur ein Notarzt

Die medizinische Versorgung sei bisher von ehrenamtlichen Ärzten und Krankenschwestern erfolgt. Seit dem 17. August arbeite offiziell ein einziger Notarzt auf dem Gelände. Esther Sommerfeld weiß von Fehlgeburten, Selbstmordversuchen und Fällen von Frauen, die drei Tage nach einer Zwillingsgeburt mit nicht verheiltem Kaiserschnitt wieder auf dem Gelände stehen, weil man sie aus der Klinik entlassen hat, um sich beim LAGeSo registrieren zu lassen. Auch um die Hygiene stehe es weiterhin schlimm, so die Vertreterin von „Moabit hilft!“. „Es gibt nur vier Toiletten für 1500 Leute“, sagt Sommerfeld. Es fehle an Windeln und Monatshygieneartikeln.

"Endlich ihrer Verantwortung gerecht werden"

Pfarrer Stephan „Steve“ Rauhut, von der Moabiter Refo-Gemeinde und Quartiersrat spricht von einer „humanitären Katastrophe“. Er und eine kleine Gruppe von Mitstreitern haben offene Briefe an die Bischöfe der beiden großen christlichen Landeskirchen, den katholischen Bischof Heiner Koch und seinen evangelischen Amtskollegen Markus Dröge sowie an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) geschrieben mit der Aufforderung, ihrer Verantwortung endlich gerecht zu werden. Von Müller verlangt Rauhut, den Katastrophenfall auszurufen. So könne man ohne lange und komplizierte Bürokratie schnell Hilfe leisten.

Nach Auskunft von Noemi Majer, der Koordinatorin für Flüchtlingsfragen im Bezirksamt Mitte, sind derzeit rund 1700 Asylsuchende in den insgesamt neun Gemeinschafts- und Notunterkünften in Mitte untergebracht. Weitere etwa 1600 Personen sollen in Hostels leben. Wie viele davon mit Hostel-Gutscheinen „herumlaufen“, aber keines finden, darüber habe der Bezirk keine Zahlen. Viele Hostelbetreiber lehnten die Aufnahme von Flüchtlingen ab, weil sie auf ihren Rechnungen sitzen blieben, berichtete Noemi Majer. Immerhin gibt es in Mitte elf Integrationslotsen und seit Mitte Juli auch zwei Flüchtlingslotsen. Aber: „Wir müssen auf jeden Fall aufgestockt werden. Zu zweit in Mitte schaffen wir das nicht“, sagen Anas Loutfi und Brigita Ivkovic.

Viele Menschen helfen

Von positiven Erlebnissen konnte Mathias Hamann, Einrichtungsleiter der von der Berliner Stadtmission betriebenen Traglufthallen auf dem Areal des Poststadions, berichten. So gab es beispielsweise während des Ramadan eine vierwöchige Kooperation mit dem „Haus der Weisheit“. Der Moabiter Moscheeverein kochte abends für bis zu 200 Flüchtlinge aus den Traglufthallen. Über ein Wochenende ließ das Haus der Weisheit rund 100 Menschen übernachten. „In fünf Stunden haben wir es geschafft, auch weil uns unheimlich viele Leute geholfen haben“, so Mathias Hamann. KEN

„Moabit hilft!“ benötigt weiterhin die Unterstützung von Ehrenamtlichen, Sach- und Geldspendern. Alle Informationen finden sich unter www.berlin-hilft-lageso.de.
Flüchtlinge, die beim Lageso auf ihre Registrierung warten, gehören inzwischen zum gewohnten Bild der Turmstraße. | Foto: KEN
Mathias Hamann von der Berliner Stadtmission kann auch von Erfolgen berichten. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 27.11.24
  • 508× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 386× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.449× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 1.174× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.