Wählen dürfen, wo man lebt: Symbolwahl für Ausländer in Mitte
Moabit. Ein Finne, ein US-Amerikaner und ein Schwarzafrikaner waren die Ersten, die ihren Stimmzettel in die Wahlurne vor dem Rathaus Tiergarten steckten. Und wie Stephan Winkelhöfer, Integrationsbeauftragter des Bezirks Mitte, der ausgelegten „Wählerliste“ entnehmen konnte, leben die drei Männer schon seit fast fünfzig Jahren in Deutschland und seit langer Zeit in Moabit.
Moabit hat gut 77 500 Einwohner, davon 46 Prozent mit Migrationshintergrund. Als EU-Bürger darf der Finne seit dem Vertragsschluss von Maastricht 1992 an kommunalen Wahlen, in Berlin an der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung, teilnehmen, nicht jedoch an der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus oder an der Bundestagswahl. Die beiden anderen Wähler dürfen als Nicht-EU-Bürger bei gar keiner Wahl ihr Kreuzchen machen.
Zwei junge Frauen mit Wurzeln in der Türkei, die auf dem Mathilde-Jacob-Platz sitzen, sagen, sie hätten schon Lust zu wählen, fänden es aber gleichzeitig enttäuschend, dass ihre Stimmen nicht zählten. Sie machen bei der Aktion nicht mit.
Um „mehr Partizipation und Demokratie in Deutschland“ zu erreichen, hat sich das Bezirksamt Mitte dem Bündnis „wir wählen“, einem deutschlandweiten Kampagnennetzwerk von Migrantenvertretungen und -organisationen, angeschlossen. Ähnlich wie bei dem bundesweiten U-18-Wahlprojekt für junge Menschen, an dem sich der Bezirk Mitte ebenfalls beteiligt, wurden an 20 Orten im Bezirk vom 11. bis 17. September „Wahllokale“ eingerichtet, in denen Migranten unbürokratisch ihre symbolische Stimme zur Bundestatswahl abgeben konnten.
Beim Auftakt von „Hier lebe ich – hier wähle ich!“ am 11. September vor dem Rathaus Tiergarten sagte Stadträtin Sandra Obermeyer (parteilos, für die Linkspartei), es sei weniger wichtig, wie diese Symbolwahl ausgehe. „Es ist wichtig, dass die Leute in der Fläche in die Wahllokale gehen.“ Die Aktion werde Resonanz haben, meinte Obermeyer.
Weiter sagte die Stadträtin für Jugend, Familie und Bürgerdienste, das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer sollte auf jeden Fall auf den Weg gebracht werden. „Auf Bezirksebene findet ihr konkretes Leben statt, das, was sie tangiert.“ Wählen zu dürfen, bedeute für diese Menschen, Politik, die ihr Leben direkt betrifft, mitgestalten zu können. In Zeiten von Migration müsse ein Umdenken erfolgen, so Sandra Obermeyer.
Der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag plant eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes mit dem Ziel, für EU-Bürger das Wahlrecht auf Landesebene und für Drittstaatler das kommunale Wahlrecht zu ermöglichen. Sandra Obermeyer will das Ergebnis der symbolischen Bundestagswahl in Mitte am 20. September bekanntgeben.
„Hier lebe ich – hier wähle ich!“ ist eine Aktion im Rahmen des Projekts „Demokratie in Mitte!“, das wiederum zum Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gehört. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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