„Die Solidarität war beeindruckend“
Die Obdachlosen- und Kältehilfe der Stadtmission hat in diesem Jahr viele neue Unterstützer gefunden
Die Stadtmission der Evangelischen Kirche als größter Träger in der Obdachlosen- und Kältehilfe in Berlin hat mit vielen, auch neuen Ehrenamtlichen die Corona-Krise bisher so gut wie möglich gemeistert.
Knapp 2000 Menschen leben auf der Straße. Zumindest wurden so viele bei der ersten Obdachlosenzählung im Januar registriert. Doch Experten wissen, dass es viel mehr und die Zahlen schätzungsweise dreimal so hoch sind. Als Deutschland im März sein öffentliches Leben erstmals drastisch einschränkte, war es für die Menschen auf der Straße besonders schlimm. „Bleibt zu Hause“ war das Gebot der Stunde. Doch wer kein Zuhause hat, kann dies nicht tun. Weil Suppenküchen und viele Einrichtungen geschlossen werden mussten, hat die Stadtmission wie auch andere Hilfsorganisationen Hilfsprojekte entwickelt. Bei der Aktion #NothilfeBerlin haben Ehrenamtliche im Jugendgästehaus der Berliner Stadtmission am Hauptbahnhof täglich über 1000 Essenpakete gepackt mit Wurststullen, Obst und Müsli. Die Nothilfe läuft weiter auf Hochtouren. „Die Solidarität der Berliner war beeindruckend“, sagt Stadtmissionssprecherin Barbara Breuer. Viele hätten sich zum ersten Mal ehrenamtlich in der Nothilfe engagiert – Leute auf Kurzarbeit oder auch Selbstständige, denen die Aufträge weggebrochen sind. Restaurantbesitzer haben Essen gespendet, Bürger Schlafsäcke und andere Sachen.
Für die Obdachlosen ist Corona eine zusätzliche Härte. Das meiste hat geschlossen; die Bahnhofsmission am Zoo zum Beispiel gibt nur noch Nothilfepäckchen aus. Kein Skat im Warmen, kein Seniorenfrühstück, „nur noch eine Fensterabfertigung“, sagt Breuer. Da bleibt kaum Zeit für Gespräche mit den Obdachlosen. Der Senat finanziert während der Corona-Pandemie zusätzliche Rund-um-die-Uhr-Einrichtungen und Tagesaufenthalte mit acht bis zehn Millionen Euro bis zum Frühjahr. „Das ist toll in Berlin, dass der Senat die Obdachlosen so auf dem Schirm hat“, sagt Breuer. Auch wenn manches schneller gehen könnte, lobt sie die Sozialsenatorin ausdrücklich.
Dankbarkeit ist enorm
Barbara Breuer ist auch schon öfter mit dem Suppenbus mitgefahren. Essen auf Rädern als neues Projekt in Corona-Zeiten. Der Suppenbus fährt jeden Abend und verteilt warmes Essen, heißen Tee und Klamotten in Parks und unter Brücken. Gekocht wird in der Küche der Berliner Stadtmission sowohl für den Suppenbus als auch für die Notunterkünfte. „Die Dankbarkeit ist enorm, wenn man den Leuten nachts eine heiße Suppe vorbeibringt“, so die Sprecherin.
Um das Infektionsrisiko zu verringern, hat der Senat auch Hotels für Obdachlose angemietet, eines auf dem Gelände der Stadtmission an der Lehrter Straße. Diese Corona-Hotels sind auch eine Chance für die Betroffenen. Wenn die Leute drei Monate eine sichere Bleibe haben mit drei Mahlzeiten am Tag, dann hat das bei vielen auch bewirkt, dass sie sich aufrappeln und Hilfe zurück in ein normales Leben suchen. Daraus ist bei der Stadtmission das Modellprojekt „Unterkunft zur Anspruchsklärung“ geworden. Wer sich kümmert und einen Weg aus der Obdachlosigkeit sucht, kann bleiben und bekommt ein Bett im Dreibettzimmer. Durch die sichere Unterkunft hätten auch viele aufgehört zu trinken, sagt Breuer. 70 Leute nutzen derzeit die Chance auf eine bessere Zukunft. Sozialarbeiter helfen in dem vom Senat finanzierten Projekt bei Behördengängen und der Lösung vieler anderer Probleme. „Corona hat viele Leute zur Ruhe kommen lassen durch diese Unterkünfte. Dadurch konnten sie neue Lebensperspektiven entwickeln“, so die Stadtmissionssprecherin. Zehn Bewohner haben derzeit einen Job in der Kleiderkammer. „Das ist ein erster Schritt in ein geregeltes Leben“, sagt Barbara Breuer.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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