"Ganz weg wird er nicht mehr gehen"
Drogenhandel rund um die Bremer Straße beunruhigt Anwohner
Zuletzt haben sich die Beschwerden von Anwohnern so gehäuft, dass sich Bezirksamt, Polizei und soziale Träger genötigt sahen, eine Informationsveranstaltung abzuhalten. Rund um Birken-, Bredow- und Bremer Straße hat sich eine Drogenszene festgesetzt.
Es wird wild campiert und uriniert. Überall liegt Müll. Spritzen und andere Hinterlassenschaften des Drogenkonsums sind zu finden. Vor Ort besonders betroffen sind die Kita Fantasia, die Grundschule, der Schulgarten und eine Mietergenossenschaft. „Warum gerade hier und so plötzlich“, fragen sich viele in der Nachbarschaft.
Die Fachleute in der Verwaltung und bei der Polizei beobachten die Entwicklung bereits seit zwei, drei Jahren und haben auch schon Maßnahmen ergriffen, wie Franziska Becker vom Platzmanagement Mitte berichtet. Büsche wurden zurückgeschnitten, um mehr Übersichtlichkeit zu schaffen. Am Unionplatz wurde ein Spritzenentsorgungsbehälter installiert. Mitarbeiter des Außendienstes des Ordnungsamtes gehen häufiger auf Streife. Die Polizei hat eigene Maßnahmen ergriffen. Karl Bösel, Präventionsbeauftragter der Polizei für Moabit, erklärt, Drogenhändler und Drogenabhängige seien in der Birkenstraße und in der Bremer Straße gelandet, weil sie aus dem Kleinen Tiergarten und von der Turmstraße verdrängt worden seien. Dort hätte sich die Szene seit der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 zunehmend etabliert und sei zusehends aggressiver aufgetreten.
Was hat die Drogenszene mit Flüchtlingen zu tun? Berlins Landesdrogenbeauftragte Christine Köhler-Azara erläutert, 2015 seien viele Menschen aus Ländern mit schweren Drogenproblemen wie Afghanistan – ein Hauptanbaugebiet von Drogen – nach Berlin gekommen. „Entweder waren sie schon drogenabhängig oder sind es durch die Lebenssituation geworden“, so Köhler-Azara.
Viele Drogenabhängige sind obdachlos
Mit Beamten in Uniform und in Zivil sowie mithilfe der mobilen Wache geht die Polizei gegen den Drogenhandel rund um die Bremer Straße vor. „Ganz weg wird er nicht gehen“, dämpft Polizist Bösel die Erwartungen. Er sagt aber auch: „Der Drogenhändler ist nicht der gefährlichste Mensch.“ Das gefährlichste seien benutzte Spritzen. Deshalb setze die Polizei auf die Zusammenarbeit mit dem Ordnungs-, Sozial- und dem Grünflächenamt im Bezirk Mitte.
Die Drogenabhängigen, die im jetzt betroffenen Moabiter Kiez unterwegs sind, seien sehr häufig obdachlos, weiß die Landesdrogenbeauftragte. Christine Köhler-Azara bemüht sich bei Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) um Gelder für die Erweiterung des Hilfesystems für Drogenabhängige. Dazu gehören Drogenkonsumräume, wo Junkies unter medizinischer Aufsicht Drogen konsumieren, sich duschen, Wäsche waschen und zu Mittag essen können. Köhler-Azara will über Berlin verteilt weitere solcher Einrichtungen eröffnen.
Ein Drogenkonsumraum im Kiez ist die Birkenstube, die vom gemeinnützigen Verbund Vista für integrative soziale und therapeutische Arbeit seit 2004 betrieben wird. Vista-Bereichsleiter Werner Brose beobachtet einen Anstieg der Zahlen von Konsumenten und „Konsumvorgängen“ in der Birkenstube seit 2015: bei den Konsumenten von 500 auf 900, bei den Vorgängen von 8000 auf 26 000 in drei Jahren. Gleichzeitig sei der Konsumraum unterfinanziert. Drei Fünftel der Klienten hätten einen Migrationshintergrund, weiß Brose. Die Birkenstube beschäftigt inzwischen Sprachmittler und verteilt mehrsprachige Broschüren.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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